Protokoll der Sitzung vom 21.06.2012

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratungen.

Wir kommen zur Ausschussüberweisung. Der Ältestenrat empfiehlt, diesen Antrag zur federführenden Beratung an den Kultusausschuss und zur Mitberatung an den Ausschuss für Haushalt und Finanzen zu überweisen. Wer dem zustimmen möchte, den bitte ich um ein Handzeichen - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Das ist so beschlossen.

Bevor ich den nächsten Tagesordnungspunkt aufrufe, möchte Ihnen bekanntgeben, dass sich die Fraktionen auf eine kleine Änderung der morgigen Tagesordnung verständigt haben: Der HospizAntrag unter Tagesordnungspunkt 44 wurde mit dem Fiskalpakt-Antrag unter den Tagesordnungspunkten 28 und 12 getauscht, sodass morgen nach TOP 43 der TOP 28 gemeinsam mit TOP 12 aufgerufen wird. Anschließend folgen TOP 44 und 46, und dann sind wir am Ende der Tagesordnung angelangt.

Wir kommen zum Tagesordnungspunkt 29:

Abschließende Beratung: Medien- und Informationskompetenz als Kulturtechnik in Niedersachsen verankern und ausbauen - Antrag der Fraktion der SPD - Drs. 16/4136 - Beschlussempfehlung des Ausschusses für Bundes- und Europaangelegenheiten und Medien - Drs. 16/4823

Der Ausschuss empfiehlt Ihnen, den Antrag abzulehnen.

Eine Berichterstattung ist nicht vorgesehen, sodass wir zur Beratung kommen können.

Für die SPD-Fraktion hat sich Frau Kollegin Behrens zu Wort gemeldet. Bitte schön, Sie haben das Wort.

Vielen Dank. - Frau Präsidentin! Geehrte Kollegen und Kolleginnen! Medienkompetenz ist die Herausforderung, die Jung und Alt in unserer modernen Gesellschaft meistern müssen. Die Informations- und Kommunikationsmöglichkeiten sind fast grenzenlos, vor allen Dingen natürlich durch die Entwicklung der digitalen Medien. Diesen Prozess,

geehrte Kollegen und Kolleginnen, müssen wir gestalten, um Chancen für alle Menschen zu eröffnen, ohne allerdings die Gefahren zu verharmlosen. Das dürfen wir nicht dem Zufall überlassen. Wir brauchen daher ein wirkliches Konzept zur Vermittlung der Medienkompetenz in Niedersachsen.

Wir haben Ihnen als SPD einen Antrag vorgelegt, der die wesentlichen Bausteine eines solchen erfolgreichen Konzepts beschreibt. Dabei geht es natürlich um die Verankerung der Medienkompetenz in allen Bildungsbereichen, es geht um die Wertschätzung der digitalen Jugendkultur, vor allem der Computerspielpädagogik, es geht um eine Verankerung der medienpädagogischen Arbeit mit Erwachsenen, vor allen Dingen mit Seniorinnen und Senioren, es geht um die Einbindung der Kommunen, um die ordentliche Medienkompetenzausbildung an den Hochschulen, aber auch um die Intensivierung der medienpädagogischen Forschung.

Wir brauchen eine stärkere Einbindung und Nutzung der Bürgersender, und natürlich dürfen bei diesem Thema auch die Bereiche Medienschutz und Onlinesucht nicht vergessen werden. Das alles muss in einen realisierbaren Umsetzungs- und Finanzierungsplan gegossen werden. Das haben wir Ihnen vorgelegt.

(Zustimmung bei der SPD)

Unsere Vorschläge decken sich übrigens mit der Europäischen Strategie für ein besseres Internet für Kinder. Sie ist erst in der letzten Woche in den entsprechenden Ausschüssen im Bundesrat diskutiert und auch angenommen worden. Auch in der Mitteilung der EU-Kommission setzt man vor allen Dingen auf eine feste Verankerung der Medienkompetenz und der Onlinesicherheit in den Lehrplänen der Schulen. Hier - dazu später mehr - muss Niedersachsen noch sehr viel nachholen.

Wir hatten, geehrte Kolleginnen und Kollegen, mit dem Antrag die Hoffnung verbunden, in eine intensive Debatte über die Inhalte einer kritischen Medienkompetenzvermittlung einsteigen zu können, denn wir können nicht sagen, dass das Feld der Medienkompetenz in aller Gänze und zu aller Zufriedenheit sehr gut in Niedersachsen aufgestellt ist. Wir sind nicht schlecht aufgestellt, aber es gibt in allen Bereichen noch Luft nach oben.

Im Ausschuss haben wir uns eine kritische und vor allen Dingen konstruktive Reflexion der Medienkompetenzarbeit in Niedersachsen gewünscht.

Das ist uns aber leider nur zum Teil gelungen. Wir hatten uns u. a. gewünscht, eine Anhörung mit Experten durchzuführen, um mit allen Fraktionen ihre Meinungen zu den verschiedenen Bausteinen einer Medienkompetenzarbeit zu diskutieren. Diese Anhörung, geehrte Kolleginnen und Kollegen von CDU und FDP, haben Sie verweigert. Sie wollten keine Experten in die Debatte dazu einbeziehen.

Die CDU und die FDP waren nur bereit, eine vergleichende Synopse zu diskutieren, die die Staatskanzlei erstellt hat. Dafür natürlich vielen Dank. Die Staatskanzlei hat das sogenannte Konzeptpapier der Landesregierung mit den Bausteinen der SPD verglichen und ist zu dem überraschenden Ergebnis gekommen, dass in Niedersachsen alles schon erledigt ist, dass alles gut ist. Diese Synopse ist natürlich so in dieser Komplexität weder richtig, noch hat sie uns überrascht.

Wir hätten uns gern über ein erfolgreiches Konzept intensiv unterhalten, aber das war so nicht möglich.

Worum geht es beim Thema Medienkompetenz in Niedersachsen? Was ist uns wichtig? - Uns geht es vor allem darum, die vielen erfolgreichen Projekte, die es in Niedersachsen gibt, mit einem wirklich roten Faden zu verbinden und eine grundlegende Medienbildung in Kindertagesstätten, in Schulen, in Hochschulen, aber auch in den Weiterbildungseinrichtungen hinzubekommen. Wir möchten eine verbindliche und eine nachhaltige Absicherung in den Lehrplänen aller Bereiche. Das ist auch das, was alle Experten auf allen Ebenen fordern. Ich glaube, dass das derzeitige sogenannte Konzept „Medienkompetenz in Niedersachsen“, das die Landesregierung vorgelegt hat, diesen Auftrag und diesen Anspruch nicht erfüllt.

Das jetzt vorliegende Konzept der Landesregierung ist vor allen Dingen ein aus den Antworten auf die Große Anfrage, die die SPD-Fraktion im August 2009 gestellt hat, in Hochglanzbroschüren gegossenes Ergebnis. Das Konzept heißt auch weiterhin, geehrte Kolleginnen und Kollegen, „Zufall“. Eine wirkliche strategische Abarbeitung des Themenfeldes kann man dadurch nicht erfahren.

Was sind die Lücken der derzeitigen Arbeit im Bereich Medienkompetenz? - Dünn fällt das Thema Lehreraus- und -fortbildung aus, es fehlen Ausführungen zu den im Jahr 2004 von der KMK beschlossenen Standards für die Lehrerbildung im Bereich Medienkompetenz. Wir vermissen auch ein spezielles medienpädagogisches Angebot für

Senioren, und wir brauchen natürlich auch eine stärkere Einbindung der Bürgersender, die ja in Niedersachsen die explizite Aufgabe der Medienkompetenzvermittlung haben. Die Bürgersender kommen aber in dem Konzept der Landesregierung gar nicht vor.

Jugendmedienschutz, Computerspielpädagogik sowie auch das Thema Onlinesucht, das zwar eine Randerscheinung des Themas Internet ist, aber natürlich auch besprochen werden muss, haben wir in unseren Antrag mit aufgenommen. In dem Konzept der Landesregierung wird das bisher nicht bearbeitet.

Unklar bleibt bei dem derzeitigen Konzept der Landesregierung die Umsetzung der in der Broschüre genannten Meilensteine. Mehr Finanzierung gibt es übrigens auch nicht. Die im sogenannten Konzept aufgeführten Mittel sind vor allen Dingen durch Umschichtungen aus verschiedenen Bereichen erzielt worden. Das gibt die Landesregierung auch selber zu. Ich zitiere aus dem Papier. Da heißt es:

„Die nicht durch Haushaltsmittel bereits gedeckten Kosten für Maßnahmen zur Umsetzung des Konzepts werden durch Schwerpunktsetzung zugunsten der Stärkung von Medienkompetenz in den betroffenen Ressorts erwirtschaftet.“

Also nur von einer Tasche in die andere Tasche, keine wirkliche Erweiterung!

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich komme zum Schluss. Die bestehenden Projekte zur Vermittlung der Medienkompetenz sind in Niedersachsen gut, es fehlt aber eine alle Bildungs- und Lebensbereiche umfassende Strategie, um die Kulturtechniken für alle Menschen zur Normalität werden zu lassen. Unser Antrag weist da den Weg, auf den Sie sich, werte Kolleginnen und Kollegen der CDU und der FDP, nicht machen wollen. Heute können Sie das aber heilen. Stimmen Sie unserem Antrag zu!

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und Zustimmung bei den GRÜNEN)

Herzlichen Dank, Frau Kollegin Behrens. - Für die CDU-Fraktion hat sich Herr Lammerskitten zu Wort gemeldet. Bitte schön.

Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Vor etwas mehr als anderthalb Jahrzehnten hat mir mal ein Vertreter einer Zeitschrift, in der ich für meinen Arbeitgeber eine Anzeige schalten sollte, im Brustton der Überzeugung erklärt, dass aus seiner Sicht das Internet keine Zukunft habe. Ich weiß nicht, was aus diesem Herrn heute beruflich geworden ist, aber seine Meinung dürfte er inzwischen korrigiert haben.

(Kreszentia Flauger [LINKE]: CDU- Minister! - Heiterkeit bei der LINKEN und der SPD)

Weil das Internet eben doch einen weltweiten Siegeszug angetreten hat, stehen wir, wenn wir heute von Medien reden, einer nahezu unüberschaubaren Vielfalt gegenüber. Angesichts dieser rasant veränderten Medienwelt ist heute auch eine veränderte Art von Medienkompetenz gefragt.

In meiner Kindheit und Jugend gab es die örtliche Tageszeitung, das Radio,

(Ursula Helmhold [GRÜNE]: Und Fernsehen?)

und ab und zu durfte man sich eine Sendung aus den zwei öffentlich-rechtlichen Fernsehprogrammen ansehen, wenn denn etwas kam, was einen interessierte und was geeignet war. Man musste damals ja nehmen, was kam.

Heute hingegen können Kinder und Jugendliche aus der besagten unüberschaubaren Vielfalt wählen, was sie sehen, hören und lesen wollen. Im Internet stellen sie sich ihre Filme, ihre Nachrichten, ihre Kommentare dazu frei zusammen.

(Dr. Gabriele Andretta [SPD]: Was will er uns denn nun sagen?)

Das verschafft größere Freiheit und Unabhängigkeit, erfordert aber auch eine größere Kompetenz, eine gewisse Sicherheit in der Beurteilung von Inhalten, ein Grundwissen. Dass diese Medienkompetenz in Niedersachsen vermittelt werden soll, finden wir auch in der christlich-liberalen Koalition gut;

(Björn Thümler [CDU]: Sehr gut!)

so gut, dass wir längst damit begonnen haben. Andernfalls gäbe es z. B. diese von Ihnen schon gelobte 60-seitige Broschüre der Landesregierung vom Februar dieses Jahres nicht.

(Zustimmung bei der CDU - Daniela Behrens [SPD]: Gelobt habe ich sie nicht wirklich!)

Insofern lässt sich gegen das Ziel Ihres Antrags, verehrte Kolleginnen und Kollegen, grundsätzlich gar nichts sagen. Auch die darin formulierten Fragen sind modern und pädagogisch sinnvoll. Leider hapert es in dem Antrag an Antworten, zumindest an solchen Antworten, die das Thema außerhalb von staatlicher Kontrolle und Institutionen angehen.

Anders als die SPD vertrauen wir den Eltern.

(Zustimmung bei der CDU)

Wie für so vieles andere werden auch die Grundlagen für Medienkompetenz am wirkungsvollsten in der frühen Kindheit gelegt, und wie bei so vielen anderen Verhaltensweisen lernen Kinder auch das ganz einfach und zugleich ganz nachhaltig aus dem Beispiel der Eltern und ihrer Umgebung. Wenn dort die richtigen Werte und Orientierungen gelebt und vorgelebt werden, dann können die Kinder auf der Grundlage dieser Werte auch Techniken entwickeln. Diese Funktionsweise der modernen Medienwelt wird im Wesentlichen nicht hier im Landtag und generell nicht durch Verordnung von oben geregelt. Dafür haben gerade die neuen Medien eine viel zu hohe Eigendynamik.

Als Politik sind wir vielmehr nur einer von vielen Akteuren. Deshalb mache ich Ihnen, Frau Behrens, einen Vorschlag.

(Daniela Behrens [SPD]: Ja!)

In der zweiten Sitzung des Landtags der nächsten Legislaturperiode beantragen Sie und ich gemeinsam die Einrichtung einer Enquetekommission zu dieser Querschnittsaufgabe.