Protokoll der Sitzung vom 21.06.2012

- Dazu komme ich noch, Herr Grascha.

Klar ist: Praktika dienen in erster Linie dem Lernprozess der Teilnehmerinnen und Teilnehmer und nicht der Erbringung einer Arbeitsleistung für die Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber. Unstreitig ist auch, dass Praktika befristet sind und in der Regel zwei Monate dauern, also in etwa so lange wie die vorlesungsfreie Zeit an den Hochschulen.

Aber, Herr McAllister, werfen wir einmal einen Blick in Ihr Haus, die Staatskanzlei. Sie beschäftigen die Praktikanten nicht zwei, sondern bis zu sechs Mo

nate, und zwar in Vollzeit. Bezahlung? - Null! Das meine ich, wenn ich von Ausbeutung spreche.

(Beifall bei der LINKEN)

Bei einem halbjährigen Praktikum steht nicht mehr die Lernleistung im Vordergrund, sondern hier rückt mehr und mehr die Arbeitsleistung für den Arbeitgeber in den Mittelpunkt. Eine Arbeitsleistung muss auch wie eine Arbeitsleistung bezahlt werden. Sie aber bezahlen gar nicht. Am Ende gibt es ein Dankeschön und ein Arbeitszeugnis. Das war’s dann.

Meine Damen und Herren, wo ist da der soziale Gedanke? Wo ist der Respekt? Wer kann es sich überhaupt leisten, ein halbes Jahr zu arbeiten, ohne auch nur einen einzigen Cent zu verdienen?

(Beifall bei der LINKEN)

Was ist das für ein Betrieb, der seine Leute nicht bezahlt, noch nicht einmal eine eher symbolische Entschädigung von 350 Euro im Monat für 160 Arbeitsstunden? - Sie betreiben auch in diesem Punkt soziale Ausgrenzung, meine Damen und Herren!

(Beifall bei der LINKEN - Marianne König [LINKE]: Genau!)

Ganz vorneweg marschiert ausgerechnet das Sozialministerium. Frau Özkan, die nicht anwesend ist, beschäftigt in ihrem Hause sogar Hochschulabsolventen, also fertig ausgebildete Akademikerinnen und Akademiker, für lau als Praktikanten.

Meine Damen und Herren, Akademiker haben das grundsätzliche Handwerkszeug für ihr Berufsleben bereits an der Hochschule erlernt. Für sie kommt es darauf an, einen konkreten Arbeitsplatz zu finden und sich dort zurechtzufinden. Dafür gibt es normalerweise eine Probezeit oder strukturierte Berufseinsteigerprogramme, und zwar bezahlt nach Tarif und nicht mit Gotteslohn.

Die Linke will diese Ausbeutung beenden. Deswegen haben wir den Antrag gestellt, Praktikanten in den Ministerien und den Landesbehörden fortan mit einer Entschädigung von 350 Euro monatlich zu bezahlen. Hochschulabsolventen sollen grundsätzlich nicht mehr als Praktikanten, sondern als Arbeitnehmer beschäftigt und auch entsprechend bezahlt werden.

Meine Damen und Herren, wir wollen keine „Generation prekär“. Machen Sie Schluss mit der Ausbeutung von Praktikantinnen und Praktikanten!

Den Praktikanten rufe ich zu: Praktikantinnen und Praktikanten aller Länder, vereinigt euch!

(Lebhafter Beifall bei der LINKEN - Oh! bei der CDU - Heiner Schönecke [CDU]: Einmal noch die Sau rauslas- sen! - Jens Nacke [CDU]: Herr Perli, ich befürchte, Sie sind sogar Präsi- dent der „Generation prekär“!)

Als nächster Redner hat Herr Brinkmann für die SPD-Fraktion das Wort. Bitte schön, Herr Brinkmann!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe sehr viel Verständnis dafür, dass der Redebeitrag meines Vorredners auch zur Heiterkeit beigetragen hat.

Im Ernst, liebe Kolleginnen und Kollegen, meine Damen und Herren: Faire und gute Praktika sind ein sinnvolles und richtiges Angebot für junge Menschen. In der Regel sind sie Teil der Ausbildung und bieten jungen Menschen die Chance, erste berufliche Erfahrungen in Unternehmen oder öffentlichen Verwaltungen zu sammeln. Ein gutes Praktikum ermöglicht es ferner, Einblicke und Orientierung in die Arbeitswelt zu erhalten und entsprechende Kontakte zu knüpfen. Auch nach dem Abschluss einer Ausbildung oder eines Studiums kann ein Praktikum zur weiteren beruflichen Orientierung sinnvoll und hilfreich sein.

(Björn Thümler [CDU]: Richtig!)

Problematisch wird es allerdings dann, wenn es für junge Menschen zur Regel wird, dass der Berufseinstieg nur über den Umweg von Praktika gelingt. Häufig werden Praktikantinnen und Praktikanten de facto als normale Arbeitskräfte eingesetzt, aber nicht entsprechend bezahlt.

Wenn aber nicht das Lernen, sondern die Arbeitsleistung im Vordergrund steht, handelt es sich eben nicht um ein Praktikum, sondern um ein verschleiertes Arbeitsverhältnis. In Wirklichkeit handelt es sich in diesen Fällen um Scheinpraktika, also um klare Fälle von Missbrauch. Hierbei werden junge Berufsanfängerinnen und Berufsanfänger als billige Fachkräfte ausgebeutet. Hinzu kommt, dass sich mittlerweile immer mehr junge Menschen in sogenannten Praktikumsketten befinden, in denen sich eine Station an die nächste

reiht, immer darauf hoffend, endlich in ein normales Arbeitsverhältnis übernommen zu werden.

Meine Damen und Herren, vor diesem Hintergrund war und ist für uns Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten völlig klar, dass die bestehenden gesetzlichen Regelungen ganz offensichtlich nicht ausreichen, um Praktikantinnen und Praktikanten wirkungsvoll vor Ausbeutung zu schützen.

(Beifall bei der SPD)

Für uns ist klar: Junge Absolventinnen und Absolventen sind Fachkräfte von morgen. Sie müssen beim Berufseinstieg motiviert, unterstützt und auch geschützt werden. Sie brauchen faire Chancen auf dem Arbeitsmarkt.

(Beifall bei der SPD)

Deshalb hat z. B. die SPD-Bundestagsfraktion bereits mehrfach Vorschläge und Anträge vorgelegt, um die Rechte von Praktikantinnen und Praktikanten zu stärken.

Die Bundesregierung sieht allerdings bedauerlicherweise bis heute in dieser Frage keinen Handlungsbedarf. Sie setzt vielmehr auf eine sogenannte Selbstverpflichtung der Wirtschaft.

Es bleibt also festzustellen, dass CDU/CSU und FDP offensichtlich kein ernsthaftes Interesse daran haben, an der unsicheren Situation vieler junger Menschen wirklich etwas zu verbessern.

Festzustellen bleibt aber auch, dass der vorliegende Antrag der Linksfraktion bei Weitem nicht ausreicht, um eine notwendige umfassende gesetzliche Klarstellung der Praktikantenverhältnisse zu erreichen. Die Forderungen im Antrag bleiben hinter unseren Vorstellungen weit zurück und sind unzureichend.

Herr Kollege Brinkmann, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Perli?

Ich würde gern zu Ende ausführen.

Ich halte es außerdem auch nicht für vertretbar, die Fälle von offensichtlicher Ausbeutung und Missbrauch von Praktikanten in der freien Wirtschaft, wie im Antrag geschehen, pauschal mit der Verfahrensweise in den niedersächsischen Ministerien auf eine Stufe zu stellen. Dieser Vorwurf ist haltlos, meine Damen und Herren.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die SPD-Landtagsfraktion verhält sich bei Abstimmungen in diesem Hohen Hause stets verantwortungsbewusst, verlässlich und konsequent.

(Oh! bei der CDU)

- Ich wusste, dass dieser Satz viel Zustimmung findet.

Deshalb ist es nur folgerichtig, dass sich unsere Fraktion bei der Abstimmung über diesen Antrag der Stimme enthalten wird.

Ich danke für die Aufmerksamkeit.

(Lebhafter Beifall bei der SPD - La- chen bei der CDU und bei der FDP - Björn Thümler [CDU]: Herr Brink- mann, das ist aber konsequent! Das war doch nicht nötig!)

Auf den Beitrag von Herrn Brinkmann hat sich Herr Perli zur einer Kurzintervention gemeldet. Ich erteile Ihnen das Wort für 90 Sekunden. Bitte schön, Herr Perli!

Vielen Dank. - Herr Präsident! Mein lieber Herr Brinkmann, das ist ja ein starkes Stück! Sie haben sich nicht mit einer einzigen Silbe zu den Verhältnissen in der Landesregierung und dazu geäußert, wie dort mit Praktikantinnen und Praktikanten umgegangen wird.

Unser Antrag richtet sich überhaupt nicht an die freie Wirtschaft. Wir haben einen einzigen kleinen Antrag gestellt, der sich nur direkt damit befasst, wie in den Häusern der Landesregierung mit Praktikantinnen und Praktikanten umgegangen wird. Dazu haben Sie nichts gesagt.

Ich habe eine Vermutung. Ihr Spitzenkandidat, Herr Weil, möchte wahrscheinlich auch kein Geld für die Praktikantinnen und Praktikanten dieses Landes bezahlen. Deshalb äußern Sie sich hier nicht dazu.

(Beifall bei der LINKEN - Björn Thüm- ler [CDU]: Unglaublich!)

Wir sind vollkommen bei Ihnen, dass auf Bundesebene - dabei geht es darum, wirksamen Schutz für Praktikantinnen und Praktikanten in der freien Wirtschaft zu schaffen - weitreichende Änderungen vorgenommen werden müssen. Darum ging es hier aber überhaupt nicht.

Sie haben sich auf einen Satz in der Begründung unseres Antrages bezogen. Unser Wille ist es erstens, dass die Menschen, die bei uns in Niedersachsen bei der Landesregierung ein Praktikum machen, ausreichend bezahlt werden. Zweitens wollen wir nicht, dass dort Akademikerinnen und Akademiker - dabei geht es um faktische Arbeit - ausgenutzt werden. Dass Sie sich dazu enthalten, finde ich ganz schön traurig.

(Beifall bei der LINKEN)

Als nächste Rednerin hat jetzt Frau Kohlenberg für die CDU-Fraktion das Wort. Bitte sehr!

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir wollen uns jetzt einmal mit den Praktika bei der Landesregierung beschäftigen - so, wie Sie es auch gefordert haben.

(Beifall bei der CDU)