Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Was unternimmt die Landesregierung zur Sicherstellung einer stabilen und flächendeckenden Krankenhausversorgung?
Aus einer Unterrichtung des Landtagspräsidenten in der Drs. 16/4840 vom 1. Juni 2012 geht hervor, dass der Ausschuss für Haushalt und Finanzen auf der Grundlage zweier Landtagsbeschlüsse - vom 10. November 2010 sowie vom 12. Oktober 2011 - davon ausgeht, dass die Landesregierung ihr zugesagtes Strukturkonzept einer Krankenhauszielplanung bis zum 30. Juni dieses Jahres vorlegen wird. In den erläuternden Absätzen der Unterrichtung wird indes von der Planung eines Gesamtkonzeptes gesprochen, der als „Niedersächsischer Strukturplan Gesundheit“ neben der Krankenhausplanung auch die allgemeine ärztliche Flächenversorgung umfasst. Abschließend heißt es:
„Aufgrund erheblicher Abstimmungsnotwendigkeiten der Daten und Kennzahlen aus den verschiedenen Versorgungssektoren ist eine Erstellung des Strukturplans Gesundheit vor Mitte 2013 nicht zu erwarten.“
Die Finanznot vieler niedersächsischer Krankenhäuser fand zuletzt in dem Appell von acht hannoverschen Kliniken vom 11. Juni 2012 Ausdruck. Allein im Landkreis Northeim sind mit Uslar, Stadtoldendorf und Einbeck gleich drei Kliniken von einer Schließung bedroht.
1. Wird die Landesregierung bis zum 30. Juni dieses Jahres dem Landtagsbeschluss vom 12. Oktober 2011 entsprechend „ein aktuelles Strukturkonzept mit einer aktiven, steuernden und vorausschauenden Krankenhauszielplanung“ vorlegen?
2. In welchem Umfang ist die Landesregierung angesichts der finanziellen Situation vieler niedersächsischer Krankenhäuser gewillt, eine Aufstockung ihrer bisherigen Krankenhausinvestitionen vorzunehmen?
3. Welche Initiativen oder Maßnahmen erwägt die Landesregierung auf Bundesebene, um die Krankenhausfinanzierung langfristig sicherzustellen?
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die niedersächsischen Krankenhäuser haben einen zentralen Stellenwert bei der Gesundheitsversorgung in unserem Land. Im Niedersächsischen Krankenhausplan, Stand 2012, sind 192 Krankenhäuser und 40 726 Betten ausgewiesen. Insbesondere in einem Flächenland wie Niedersachsen ist es unsere besondere Pflicht, für die Bürgerinnen und Bürger unseres Landes eine qualitativ hochwertige, wirtschaftliche und wohnortnahe Akutversorgung langfristig sicherzustellen. Das gilt umso mehr vor dem Hintergrund des de
Die wirtschaftliche Sicherung der Krankenhäuser erfolgt über zwei Wege, die ich Ihnen vor der Beantwortung der gestellten Fragen kurz darstellen möchte.
Zum einen rechnen die Krankenhäuser direkt mit den Krankenkassen die Kosten der Behandlung ab. Zum anderen erhalten sie von den Ländern Mittel für Investitionsmaßnahmen. Dieses System wird als duale Finanzierung bezeichnet.
Schauen wir uns zunächst die Mittel für Investitionsmaßnahmen an, die das Land zur Verfügung stellt. Bei den Investitionsmitteln der Länder ist zwischen der Einzelförderung und der Pauschalförderung zu unterscheiden. Bei der Einzelförderung sind wir im Rahmen der mehrjährigen Investitionsplanungen einen sehr erfolgreichen Weg gegangen. Wir haben hier innovative Konzepte zur Investitionsfinanzierung umgesetzt. Schwerpunkte lagen und liegen dabei in erster Linie auf strukturverbessernden Maßnahmen, wie z. B. Zusammenlegung von unwirtschaftlichen Abteilungen und Betriebsstätten, sowie auf Fusionen von Krankenhäusern. Bei der baulichen Umsetzung wurde auf die Optimierung von Funktionsabläufen in den Krankenhäusern geachtet, um Synergieeffekte zu generieren und den Klinken einen wirtschaftlichen Betrieb zu ermöglichen. Hierfür haben wir im Zeitraum 2004 bis 2013 insgesamt 1,09 Milliarden Euro bereitgestellt. Auf Basis der Daten von 2010 rangiert Niedersachsen bei der Einzelförderung gemessen an der Planbettenzahl damit auf Rang 8 im Ländervergleich.
Die Pauschalförderung - das ist die zweite Säule -, die die Wiederbeschaffung kurzfristiger Anlagegüter sowie kleine bauliche Maßnahmen umfasst, werden wir mit der Verordnung über die pauschale Krankenhausförderung noch in diesem Jahr auf eine neue Grundlage stellen. Dafür stehen seit 2011 108 Millionen Euro jährlich zur Verfügung. Das ist eine Erhöhung gegenüber den Vorjahren um 15 Millionen Euro. Bei der Pauschalförderung pro Planbett liegen wir im Ländervergleich auf Rang 3. Die Landesregierung macht damit deutlich: Es ist wichtig und richtig, die Krankenhäuser in Niedersachsen nachhaltig zu unterstützen.
Meine Damen und Herren, wenden wir uns nun der Finanzierung der Betriebskosten, d. h. der Personal- und Sachkosten der Krankenhäuser, zu, die von den Krankenhäusern direkt mit den Krankenkassen abgerechnet werden. Grundlage für die
Abrechnung eines Behandlungsfalls ist der sogenannte Landesbasisfallwert. Die bundesgesetzlichen Vorgaben hierzu ergeben sich aus dem Krankenhausentgeltgesetz. Nach einem hoch mathematischen Berechnungsvorgang ergibt sich der letztlich von den Krankenhäusern gegenüber den Krankenkassen für jeden behandelten Fall abgerechnete Betrag.
Die Höhe des maßgeblichen Landesbasisfallwerts wird von den Verbänden der gesetzlichen Krankenkassen, dem Verband der privaten Krankenversicherungen und der Niedersächsischen Krankenhausgesellschaft jeweils für ein Jahr vereinbart. Die Vertragsparteien haben die Verhandlungen hierzu seit dem Jahr 2006 einvernehmlich geführt. Lediglich für 2010 musste die dafür vorgesehene Schiedsstelle über einen einzigen Verhandlungspunkt entscheiden.
Meine Damen und Herren, eine letzte Vorbemerkung vor der Beantwortung der drei Fragen: In der Dringlichen Anfrage wird auf den Appell von acht hannoverschen Kliniken vom 11. Juni 2012 verwiesen. Ich möchte deutlich darauf hinweisen, dass bei diesem Appell die Investitionsförderung des Landes nicht thematisiert wurde. Den Kliniken ging es vielmehr darum, dass sich die jährliche Steigerung der Lohnkosten durch Tariferhöhungen in den Fallpauschalen widerspiegelt und die stetige Steigerung der Sachkosten, wie für Medizinprodukte, Arzneimittel und Energie, ebenfalls in den Fallpauschalen berücksichtigt wird.
Zu Frage 1: Ein allein auf den Krankenhausbereich begrenztes Strukturkonzept würde zu kurz greifen. Für Niedersachsen wollen wir daher ein von allen Akteuren getragenes und ein die aktuellen gesetzlichen Rahmenbedingungen berücksichtigendes Strukturkonzept vorlegen. Dabei wollen wir selbstverständlich auch die Möglichkeiten des erst im Januar 2012 in Kraft getretenen GKV-Versorgungsstrukturgesetzes nutzen.
Neben diesen formalen Aspekten müssen wir uns auch im Bereich der Gesundheitsversorgung eingehend mit der Bewältigung des demografischen Wandels in Niedersachsen auseinandersetzen. Hierbei müssen wir von einem deutlichen Rückgang der Bevölkerungszahl in dem Zeitraum von 2009 bis 2030 von etwa 505 000 Einwohnerinnen und Einwohnern - das sind rund 6,4 % der Bevölkerung - ausgehen. Die zu erwartenden Verände
rungen sind regional höchst unterschiedlich. Für den Bereich der Gesundheitsversorgung sind diese Auswirkungen eingehend zu analysieren und sektorenübergreifend darzustellen.
Es ist daher vorgesehen, einen „Niedersächsischen Strukturplan Gesundheit“ zu erarbeiten, der die zu beachtenden leistungs- und sektorenübergreifenden Aspekte zu einem Gesamtkonzept zusammenführt. Eine entsprechende Arbeitsgruppe ist bereits eingerichtet und hat schon zweimal getagt. Alle Beteiligten - dazu gehören die Krankenhausgesellschaft, die gesetzliche Krankenversicherung, die kommunalen Spitzenverbände, die Ärztekammer Niedersachsen und die Kassenärztliche Vereinigung Niedersachsen - haben die Notwendigkeit eines sektorenübergreifenden und eines gemeinsam getragenen Konzepts anerkannt. Wegen der hierzu noch erforderlichen umfangreichen Analysen und Abstimmungsnotwendigkeiten wird mit einem Abschluss der Arbeiten nicht vor Mitte 2013 zu rechnen sein.
Zu Frage 2: Die Landesregierung hat den Krankenhausträgern in den Jahren 2004 bis 2007 480 Millionen Euro, für die Jahre 2008 bis 2010 ein Gesamtvolumen von 279,1 Millionen Euro in Förderprogrammen zur Verfügung gestellt. Darüber hinaus wird sie für die Jahre 2011 bis 2013 einen Verfügungsrahmen in Höhe von 360 Millionen Euro bereitstellen, damit insgesamt 1,09 Milliarden Euro in zehn Haushaltsjahren. Zudem wurden in den Jahren 2004 bis 2011 im Rahmen der Pauschalförderung zusätzlich 771 Millionen Euro ausgezahlt. Hiermit gibt sie den Krankenhausträgern die notwendige Planungssicherheit, um auch krankenhausübergreifende Lösungen zu realisieren, und erweist sich somit als verlässlicher Partner der Krankenhausträger.
Ergänzend verweise ich auf die Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage der SPD vom 14. Februar 2012 in der Drs. 16/4682.
Zu Frage 3: Eine langfristige Sicherstellung der Krankenhausfinanzierung erfordert vorausschauendes Handeln, um letztlich an den relevanten Regulierungsschrauben drehen zu können. Beispiel hierfür ist das am 14. Juni 2012 - letzte Woche - verabschiedete Gesetz zur Einführung eines pauschalierenden Entgeltsystems für psychiatrische und psychosomatische Einrichtungen.
Wesentlicher Punkt ist hierbei, in welcher Höhe krankenhausspezifische Kostenstrukturen, also der sogenannte Orientierungswert, zukünftig bei der Vereinbarung des Erlösvolumens für die Kranken
häuser zusätzlich berücksichtigt werden können. Mit diesem Orientierungswert, quasi einem Lebenshaltungskostenindex für Krankenhäuser, ließe sich auf absehbare Zeit eine angemessene Refinanzierung des Kostenanstiegs in den Krankenhäusern erreichen.
Unabhängig davon stellt der Bund für den hälftigen Tarifausgleich in 2012 den Krankenhäusern insgesamt 280 Millionen Euro zur Verfügung. Davon würde Niedersachsen mit ca. 28 Millionen Euro profitieren.
Gestern hat sich der Gesundheitsausschuss des Bundesrats mit dem Gesetzesvorhaben befasst. Zwischen den Bundesländern erfolgt derzeit eine intensive Abstimmung dazu, ob und welche Veränderungen an diesem Gesetz im weiteren Bundesratsverfahren mehrheitsfähig sind.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Özkan, ich muss da jetzt nachfragen. Verstehe ich es richtig, dass Sie - obwohl es einen Beschluss aus dem Jahr 2010 gibt, in dem steht, dass der Ausschuss erwartet, dass die Landesregierung kurzfristig ein Gesamtkonzept vorlegt, also 2010, und obwohl ein Beschluss vom Oktober 2011 vorliegt, dass eine Vorlage bis spätestens 30. Juni 2012 erwartet wird - entgegen diesen beiden Beschlüssen handeln und damit den Beschlussfassungen dieses gewählten Parlaments nicht folgen, sondern es auf Mitte 2013 vertrösten?
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Flauger, ich habe das gerade ausgeführt. Erstens. Dieser Strukturplan Gesundheit soll nicht nur eine Krankenhausstrukturplanung darstellen, sondern einen Gesamtstrukturplan, der über das weit hinausgeht, was damals in den Beschlüssen stand.
Zweitens. Ich habe gerade ausgeführt, dass alle Beteiligten in diesem Gesundheitsbereich - dazu zählen nicht nur die Krankenhäuser, sondern auch die ambulanten Gesundheitsstrukturen - einer Meinung sind, dass es in Zukunft eine sektorenübergreifende, vernetzte Gesundheitsstrukturplanung vor Ort geben muss.
Drittens. Ich habe eben auch ausgeführt, dass es in der Zwischenzeit gesetzliche Veränderungen gegeben hat. Insbesondere haben wir in 2010 und 2011 intensiv verhandelt und darum gerungen, dass wir im Gesundheitsstrukturversorgungsgesetz, das erst zum 1. Januar 2012 in Kraft getreten ist, auch wesentliche Möglichkeiten bekommen, wie wir vor Ort sektorenübergreifend nicht nur planen, sondern auch Dinge umsetzen können, bei denen sich die Beteiligten im Gesundheitssektor einbringen können. Erst nach Vorlage dieser gesetzlichen Möglichkeiten sind wir in der Lage, mit der Analyse der regional unterschiedlichen Strukturen und des demografischen Wandels, auch mit den Zahlen, die uns vorliegen, ein Strukturkonzept zu entwickeln.
(Kreszentia Flauger [LINKE]: Dann brauchen wir ja als Parlament nichts mehr zu beschließen, wenn es sowie- so nicht umgesetzt wird!)