Protokoll der Sitzung vom 22.06.2012

Herr Kollege, ich darf Sie einmal unterbrechen. Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Bitte, Herr Kollege Bäumer!

Herr Kollege Meyer, Sie reden immer von Massentierhaltung. Können Sie mir einmal definieren, was Sie unter Massentierhaltung verstehen? In Zahlen!

Ich schließe mich mal vereinfacht der Auffassung von Agrarminister Lindemann an, der in einem Interview mit dem Hamburger Abendblatt gesagt hat, dass für ihn der Unterschied zwischen bäuerlicher Landwirtschaft und Agrarfabriken so sei, wie es im Bundes-Immissionsschutzgesetz definiert ist: 40 000 Hühner, 2 000 Schweine und 600 Rinder. Also, eine Anlage, die größer ist, die nicht mehr nach dem Baurecht genehmigt werden kann, könnte man unter solch einem Maßstab sehen. - Die kommunalen Spitzenverbände fordern ähnliche Grenzen.

Aber natürlich hat das nicht nur etwas mit der Größe des Betriebes zu tun. Die FAO, eine weltweite Organisation, sagt z. B., dass das auch etwas damit zu tun hat, wie man die Tiere hält, wie intensiv sie gehalten werden, wie eng der Platz ist.

Wir hatten im Ausschuss mal einen Agrarexperten, der auf die Frage „Was ist Massentierhaltung?“, die dort auch von Ihnen kam, gesagt hat: Das ist so wie in der DDR, wo es darum ging, industriell möglichst viele Tiere mit wenig Personal und zulasten von Umwelt und Tieren zu produzieren.

Warum ist jetzt die Zeit weitergelaufen?

(Zuruf von der CDU: Und jetzt die Antwort darauf! - Christian Dürr [FDP]: Er verweigert die Antwort darauf!)

- Das war die Antwort darauf.

Ich war gerade an der Stelle, dass auch der Ministerpräsident seine Reden umschreiben muss. Er behauptet ja immer, jedes zweite Schwein ist ein Niedersachse. - Es sind ein paar Millionen mehr!

Ich wollte darauf eingehen, dass die Frage der Abgeordnete Tiemann von der Landesregierung falsch beantwortet worden ist. Die Landesregierung behauptete, es seien 36 Millionen Hühner. Die Realität sieht aber so aus - das hat die Landesregierung dann auch eingeräumt -, dass es 63 Millionen Masthühner sind, die in Niedersachsen gehalten werden. Das sind die Angaben der Tierseuchenkasse. Das ist also fast das Doppelte. Im Kreis Cloppenburg gibt es nicht 4,8 Millionen Masthühner, sondern 8,7 Millionen.

Das, was die Landesregierung hier jahrelang vorgelegt hat, war eklatant falsch, und das musste sie dann ja auch einräumen. Wenn sie einmal in den Haushalt der Tierseuchenkasse geguckt hätte - wir können es nicht, aber die Landesregierung kann es -, hätte sie sofort gemerkt, dass die Beitragszahlungen nie und nimmer mit den offiziellen Tierzahlen übereinstimmen können. CDU und FDP haben jahrelang wie die drei Affen gehandelt - nichts sehen, nichts hören, nichts sagen.

Laut einer dpa-Meldung von heute sieht Herr Professor Klohn von der Uni Vechta in den zunehmenden Tierzahlen ein Problem und begrüßt das, was wir hier heute fordern, nämlich ein Güllekataster. Ich zitiere:

„Die Statistik zeigt Diskrepanzen zwischen den Tierzahlen und den Meldezahlen der Tierseuchenkasse.“

Herr Kollege, ich darf Sie kurz unterbrechen. Ich möchte von Ihnen wissen, ob Sie Zwischenfragen zulassen.

Ja, wenn die Zeit stehen bleibt. Das war eben nicht der Fall.

Das werde ich schon regeln, da passe ich auf. - Herr Kollege Dammann-Tamke, bitte!

Herr Meyer, können Sie uns erklären, wie Sie aus Meldungen zur Tierseuchenkasse Rückschlüsse auf Bestände ziehen wollen? - Die Meldungen zur

Tierseuchenkasse sind Stichtagszahlen. Wenn ein Stall Stichtag 4. Januar leer steht, aber acht Tage später gefüllt ist, dann kommen Sie, wenn Sie das addieren, natürlich auf Werte, die überhaupt nichts mit den tatsächlich gehaltenen Bestände in Niedersachsen zu tun haben. Können Sie mir das erklären?

(Beifall bei der CDU)

Herr Kollege Meyer!

Das kann ich Ihnen gern erklären. Ich habe hier ein internes Schreiben des Präsidenten der Landwirtschaftskammer. Ich nehme an, dass Sie diese Institution als sachlich anerkennen.

Diesem Schreiben, das er an Staatssekretär Ripke gerichtet hat, sind die Tierzahlen beigefügt. In diesem Schreiben sagt er ganz klar, nach der Tierseuchenkasse hätten sich die Tierzahlen in Niedersachsen so und so entwickelt. Er geht in diesem Schreiben ganz klar davon aus, dass die Zahlen der Tierseuchenkasse zumindest annäherungsweise deutlich realistischer sind als die Zahlen, die in der Agrarstatistik vorhanden sind.

Die Landwirtschaftskammer nimmt die Zahlen der Tierseuchenkasse als Grundlage, um z. B. zu der Aussage zu kommen, dass wir in Niedersachsen ein massives Gülleproblem haben. Wir haben eben doppelt so viele Hühner und ein paar Millionen Schweine mehr, als Sie dem Parlament immer wieder vorgetragen haben. - Es ist übrigens nicht zu erkennen, dass Staatssekretär Ripke das anzweifelt.

(Beifall bei den GRÜNEN - Zuruf von Helmut Dammann-Tamke [CDU])

- Man kann es sich ausrechnen. Die Landwirtschaftskammer hat eine Präsentation, ich glaube, im Raum Emsland gemacht. Nach den Zahlen des Landes kommt man beim Landkreis Vechta offiziell auf 2,9 Großvieheinheiten. Nach den Zahlen der Tierseuchenkasse, die er präsentiert hat, waren es aber 4,1 Großvieheinheiten pro ha. Das ist schon eine deutliche Diskrepanzen. - Das kann man für jeden Landkreis nachvollziehen, wenn man die Zahlen der Tierseuchenkasse mit den Zahlen des Landes vergleicht.

(Hans-Heinrich Sander [FDP]: Und Holzminden?)

- Sie können sich gern für eine Zwischenfrage melden. Dann suche ich Ihnen auch gerne die Zahlen für Holzminden heraus. - War das jetzt eine Frage?

(Hans-Heinrich Sander [FDP]: Ja, war es!)

- Moment, wenn das nicht von der Zeit abgeht. Denn ich hatte mir natürlich die größeren Landkreise herausgesucht und nicht die kleineren.

(Zuruf von der CDU: Herr Kollege, Sie müssen unter „H“ suchen! - Weitere Zurufe)

- Ich reiche Ihnen das gerne nach. Das können Sie aber auch von der Landesregierung erfahren.

Ich bleibe einmal bei den Zahlen der größten Landkreise im Land. In den Landkreisen Cloppenburg und Vechta hat man, wenn man von den Zahlen der Tierseuchenkasse ausgeht, einen Gülleüberschuss von 3,3 Millionen t. Das ist mehr als das Doppelte der Fläche. Diese Menge muss in andere Regionen verbracht werden. Der größte Gülletanker fasst 25 000 l. Das bedeutet 130 000 Fahrten pro Jahr allein aus zwei Landkreisen, wenn die Gülle ordnungsgemäß entsorgt würde.

(Zuruf von Helmut Dammann-Tamke [CDU])

- Das sind alles „Exkremente“. Das kann man umrechnen.

(Helmut Dammann-Tamke [CDU]: Ich wollte mich nur ein wenig sachlich mit dem Thema auseinandersetzen! Sie skandalisieren mit irgendwelchen Bil- dern, die fern aller Realität sind!)

- Ja, ja.

Jetzt ziehen wir einmal eine Grenze ein; denn wir können langsam nicht mehr unterscheiden, ob es sich bei den Ausführungen noch um die Beantwortung von Fragen handelt oder ob es schon wieder der eigentliche Redebeitrag ist.

Ich gehe davon aus, dass die Fragen jetzt beantwortet sind und dass Sie in Ihrer ursprünglich vorgesehenen Rede fortfahren, damit wir auch die Zeit wieder richtig zuordnen können. Bitte, fahren Sie jetzt mit Ihrer Rede fort!

Vielen Dank. - Ich fahre fort und zitiere aus dem Schreiben der Landwirtschaftskammer an den Staatssekretär. Die Landwirtschaftskammer sagt, dass dieser Gülletourismus, also die Abgabe an eine Börse, nicht funktioniert. Zitat:

„Die Einhaltung von Grenzwerten ist unter der gegenwärtigen Rechtslage kaum zu gewährleisten. Eine systematische Überprüfung der Doppelbelegung bei aufnehmenden Betrieben ist mit den zurzeit verfügbaren Instrumenten nicht möglich.“

Bisher reicht es für die Genehmigung eines neuen Stalls aus, einen Vertrag mit einer sogenannten Güllebörse abzuschließen. Wo diese große Güllebörse die Exkremente wirklich lässt, weiß niemand. Die Gülle verschwindet im Gülle-Nirwana oder auf dem nächsten Maisacker. Diese Blackbox müssen wir im Sinne des Schutzes von Mensch und Umwelt endlich auflösen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Es ist geschildert worden, dass die Niederlande ihr Kontrollsystem drastisch verschärft haben und deshalb immer mehr Gülle und Kot aus Holland zu uns kommt. Es wird geschrieben, jeder zweite Transport ist illegal, und Niedersachsen wird langsam zum Gülle-Eldorado.

Deshalb schlagen wir Ihnen heute ein Güllekataster zur Erfassung der Nährstoffströme vor. Ich habe mich sehr gefreut, dass sich im Vorfeld der Debatte Experten der Uni Vechta positiv dazu geäußert haben. Auch der Landrat in Vechta - von der CDU - sagt, wir brauchen ein Güllekataster. Die Wasserverbände haben ebenfalls ein Güllekataster gefordert. Ich werde Ihnen die Zitate nachreichen.

Aber was Herr Lindemann stattdessen plant, ist nun wirklich ein bürokratisches Monster. Er will nicht erfassen, wo die Gülle bleibt, sondern er will nur die Gülleströme erfassen, also: Wer gibt an wen was ab? - Er will elf neue Kontrolleure einstellen, und die sollen, wenn ein Gülletransport eintrifft, rätseln, auf welches Feld er die Gülle verbracht hätte und ob diese Fläche schon aus einem anderen Landkreis belegt worden ist. Das ist bürokratischer Aufwand! Was die Landesregierung hier macht, ist Detektivspielerei, aber keine wirksame Kontrolle.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Unser Vorschlag hingegen ist sehr einfach und bürokratiearm umsetzbar. Den Landwirten liegen alle Daten der bewirtschafteten Flächen vor. Sie müssten nur erfasst werden, und dann könnte man schnell herausfinden, was mehrfach belegt worden ist.

Herr Staatssekretär Ripke, den ich hier schon zitiert habe, hat in den Ostfriesischen Nachrichten vom 18. Juni 2012 erklärt, warum die Landesregierung das von uns geforderte Güllekataster ablehnt. Ich zitiere:

„Ripke sagte, er kenne die Forderung der Wasserverbände; sie liefen auf ein Güllekataster hinaus. Danach wäre es zukünftig möglich, von jedem Hektar zu sagen, mit welcher Gülle er gedüngt worden ist. Er habe gar nichts gegen ein solches Kataster, zumal viele Betriebe über ihre EDV und GPS diese Informationen schon besäßen. Doch, so der Staatssekretär, würde sich die Landesregierung für solch ein Kataster entscheiden, bekäme sie ein Glaubwürdigkeitsproblem. Es fehle dann das Personal, um die dann offensichtlich werdenden Widersprüche zu verfolgen.“