Protokoll der Sitzung vom 19.07.2012

Durch die sogenannte Kategorisierung der Investitionen werden die Ungleichgewichte bei den Investitionen, die wir seit Jahrzehnten beklagen, für die Zukunft festgeschrieben. Für unser Wasserstraßennetz, für unsere maritime Wirtschaft, die erst am Beginn einer dynamischen Entwicklung steht, wie wir hoffen, bleibt da wenig übrig. Das ist genau das Gegenteil von dem, was Niedersachsen, was Norddeutschland braucht. Wir brauchen mehr Investitionen in die Anbindung unserer Häfen und nicht weniger. Das ist der Kontext, in dem wir hier reden.

Zugleich sehen wir derzeit fassungslos, wie eine funktionierende Wasser- und Schifffahrtsverwaltung zerschlagen werden soll, wie Tausende von Mitarbeitern in Unsicherheit sind und dass wir künftig für jede etwas wichtigere Entscheidung nach Bonn tingeln müssen, um dort darum zu betteln, dass in Norddeutschland auch mal wieder in die Wasserwege investiert wird. All das ist erschreckend, und all das lehnen wir ab. Das muss man an dieser Stelle auch mal sagen.

(Zustimmung bei der SPD)

Besonders erschreckend sind in diesem Zusammenhang die Borniertheit, die Unbelehrbarkeit und die Ignoranz, mit der insbesondere Minister Peter Ramsauer diese Pläne weiterverfolgt - gegen alle Proteste der Industrie- und Handelskammer, der niedersächsischen Hafen- und Logistikwirtschaft, der Gewerkschaften, der Kommunen usw. usf. Das allerschlimmste ist, dabei zusehen zu müssen, wie hilflos unsere Landesregierung hierbei agiert.

(Minister Jörg Bode: Wie bitte?)

- Natürlich! Sie haben heute Morgen ein bisschen ventiliert. Sie haben gesagt, Sie führten Gespräche. Sie schreiben Briefe. Aber unterm Strich muss man feststellen: Sie haben in dieser Frage bislang so gut wie nichts erreicht.

(Zustimmung bei der SPD)

Es reicht eben nicht, nur Resolutionen im Landtag oder in den Kreistagen zu beschließen. Das machen wir alle zusammen, das ist auch wichtig. Aber diese müssen auch in den Bundesministerien mit Nachdruck vertreten werden.

Was mich besonders alarmiert, ist das Schweigen des Ministerpräsidenten in dieser Frage. Wir stellen fest: Entweder will er nicht, oder er kann nicht. - Wenn ich auf die hervorragende Analyse im Spiegel schaue, die wir gerade gelesen haben, muss ich vermuten, dass beides richtig ist. Er will nicht so richtig, und er kann es auch nicht. Niedersachsen hat mit dieser lame duck, so muss man wohl nach dem heutigen Tag sagen, in Berlin leider nichts mehr zu melden, und das muss sich schleunigst ändern. Die Zeichen stehen ja auch gar nicht schlecht.

(Zustimmung bei der SPD)

Meine Damen und Herren, nun zum Schiffshebewerk Scharnebeck. Der Unterausschuss „Häfen und Schifffahrt“ hatte Gelegenheit, sich vor Ort ein Bild von der Situation zu machen. Dabei ist klargeworden: Die derzeit laufende Ertüchtigung ist wichtig und richtig, aber sie wird auf Dauer nicht reichen. Scharnebeck braucht ein neues, ein zusätzliches Aufstiegsbauwerk, eine neue Schleuse.

Über den Elbeseitenkanal läuft der Großteil des Binnenschifffahrtsverkehrs beispielsweise nach Hamburg. Man muss leider feststellen: Der Hamburger Hafen spielt in der Weltliga, aber die Binnenschiffanbindung ist zweitklassig. Das ist ein Zustand, der auf Dauer nicht zu halten ist - übrigens nicht nur aus Sicht der Hamburger, was uns vielleicht als Besitzer eigener Häfen egal sein könnte. Aber unsere niedersächsischen Unternehmen - ich erinnere nur einmal an ein großes Automobilunternehmen - haben daran ein großes Interesse. Deshalb sollten auch wir es damit sehr ernst meinen.

Wenn wir mehr Güter auf die Wasserstraße bringen wollen, dann muss hier schnell gehandelt werden. Dann müssen die Planungen zügig beginnen, aber dann muss auch Geld bereitgestellt wer

den. Da haben wir ein großes Problem, und dieses Problem heißt Minister Peter Ramsauer. Er hat nämlich diesem Projekt vor Kurzem eine klare Absage erteilt. Dieser Mann ist offenbar kein Freund von Niedersachsen. Ich denke, das können wir so nicht hinnehmen.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, der vorliegende Antrag ist nicht nur für Hafenpolitiker interessant. Jeder Container, der per Binnenschiff über den Elbeseitenkanal transportiert wird, wird nicht über unsere Bahnen und nicht über die Autobahnen im Hamburger Umland und damit auch nicht in Niedersachsen transportiert. Straße und Schiene können die Mengen schon jetzt kaum aufnehmen. Wenn das nicht zügig in Angriff genommen wird, dann bekommen wir irgendwann einen Verkehrsinfarkt. Das können wir im Interesse unserer Häfen, aber auch im Interesse der Menschen, die an den Verkehrswegen wohnen, nicht wollen.

Der Antrag von Bündnis 90/Die Grünen verknüpft nun den Ausbau von Scharnebeck mit dem Verzicht auf weitere Investitionen an der Mittelelbe, vornehmlich aus ökologischen Gründen, aber auch aus ökonomischen. Fakt ist: Dort gibt es eine einzigartige Auenlandschaft. Fakt ist auch, dass die Wasserstände in den letzten Jahren in der Regel immer zu niedrig waren und dass die Tonnage deutlich gesunken ist. Ob es jetzt sinnvoll ist, dort weiterzuinvestieren, das ist in der Tat sehr fraglich. Insofern denke ich: Das ist ein Punkt, über den man sehr kritisch nachdenken muss.

Das Thema ist übrigens nicht neu. Schon in den 90er-Jahren gab es die Elbe-Erklärung des damaligen Verkehrsministers Wissmann mit den Umweltverbänden. 2007 hat der Landtag hier einmütig eine ähnliche Entschließung beschlossen. Wir müssen leider feststellen, dass wir leider nicht viel weitergekommen sind. Der Fortschritt in dieser Frage wie auch in vielen anderen Fragen ist bei dieser Landesregierung eine Schnecke.

(Wolfgang Jüttner [SPD]: Die Schne- cke läuft rückwärts!)

- Genau! Die Schnecke läuft rückwärts oder schläft auch mal ein.

Wir begrüßen deshalb, dass Bündnis 90/Die Grünen diesen Bereich erneut zum Thema machen. Wir müssen diese Diskussion weiterführen, wir wollen sie weiterführen für unsere maritime Wirtschaft. Wir sollten die Beratung und Beschlussfassung über diesen Antrag dazu nutzen.

Es wäre schön, wenn wir dazu vielleicht zu einer einmütigen Entschließung kommen. An der einen oder anderen Stelle haben wir vielleicht noch Änderungsbedarf. Aber ich glaube, das wäre das richtige Signal, das wir hier aussenden müssen, damit der Müllermeister aus Bayern vielleicht doch einmal begreift, was hier im Norden für die maritime Wirtschaft nötig ist.

Danke schön.

(Beifall bei der SPD - Ursula Helmhold [GRÜNE] und Dirk Toepffer [CDU]: Der Müllermeister war der Vorgän- ger!)

- Oh! Den Vorgänger habe ich schon vergessen. Danke schön.

(Ursula Helmhold [GRÜNE]: Das ist jetzt der Pianist aus Bayern! - Heiter- keit)

Frau König hat jetzt für die FDP-Fraktion das Wort. Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Antrag der Grünen zielt auf einen verstärkten Transport der Güter auf unseren Wasserstraßen ab. So weit, so gut. Das ist ein ebenso hehres wie auch wünschenswertes Anliegen; denn in den vergangenen Jahrzehnten ist diesen Transportwegen leider immer viel zu wenig Bedeutung beigemessen und damit eine viel zu geringe Finanzierung durch den Bund zugesprochen worden. Allerdings müssen wir sehr aufpassen, dass wir bei einer nun zur Diskussion stehenden Kategorisierung vorrangig berücksichtigt werden. - So weit gehe ich mit Ihnen konform.

Wir haben nun einmal hier im Norden die wichtigsten Hafenhinterlandanbindungen, die einen verlässlichen und vernetzten Abtransport zu gewährleisten haben und die damit auch den Erfolg der Häfen im Norden nach sich ziehen. Schon seit 2008 hat sich daher das Wirtschaftsministerium stark dafür eingesetzt, hier niedersächsische Akzente zu setzen. Gemeinsam mit dem Umweltministerium wurden hier Schreiben an das BMVBS adressiert, und auch die aktuelle Diskussion um die Netzkategorisierung wird von der Regierung sehr dominant verfolgt.

Ihre Forderung nach einer Erneuerung des Schiffshebewerks - besser gesagt: eines Abstiegsbauwerks; Scharnebeck ist nicht eine herkömmliche Schleuse - ist bereits forciert worden. Dazu gibt es verschiedene Schreiben zur Beschleunigung des Verfahrens der Landesregierung an den Bund

(Olaf Lies [SPD]: Oh!)

und die Zusicherung der Landesregierung ihrerseits, Unterstützung zu gewähren.

(Zustimmung bei der FDP und bei der CDU)

Auch Ihre Befürchtungen bezüglich der Ausbaupläne für die Mittlere Elbe sind für Niedersachsen eigentlich irrelevant. Ich weiß nicht, warum Sie so viel Zeit dafür aufgewandt haben. Das ist für uns hier in Niedersachsen kein Thema. Für uns ist nämlich der Elbeseitenkanal von Bedeutung. Die Elbe selbst ist eher ein Problem der Hamburger und der östlichen Länder.

Frau Kollegin König, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Dr. Sohn?

Nein, im Moment bitte nicht.

Dazu muss im Vorfeld erst einmal ein Gesamtkonzept der Verkehre, der Wasserwirtschaft und des Naturschutzes unter Dach und Fach gebracht werden, an dem dann alle Anrainerländer Anteil haben und an dem sie sich beteiligen müssen. Das ist nicht in erster Linie Niedersachsen.

Wir werden also weiter für unsere niedersächsische Netzkategorisierung kämpfen und sind mit dem jetzigen Vorschlag eigentlich noch ganz zufrieden, aber, wie gesagt, es gibt noch Potenzial, das eine oder andere auszubauen.

(Glocke des Präsidenten)

Beispielsweise ist der Stichkanal Osnabrück noch nicht auf dem Plan. Er befindet sich noch in der Überprüfung, weil die Stadt Osnabrück es nicht schneller hingekriegt hatte, ihn in diesen Plan zu setzen. Deswegen ist das alles noch nicht in trockenen Tüchern.

Frau König, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Lies?

(Olaf Lies [SPD]: Noch nicht einmal von mir!)

- Diesmal nicht. Das nächste Mal wieder!

Wir wären also schon viel weiter, wenn unsere berechtigten Anliegen, die bereits unter Walter Hirche klar gefordert wurden, nicht im Bund hängen geblieben wären. Aber überlegen Sie mal! Herr Lies, Sie waren damals noch nicht im Landtag, aber trotzdem: Das Problem, was dort herrschte, war, dass sowohl Herr Stolpe als auch Herr Tiefensee sich in absolut keinster Weise darum gekümmert haben, was hier mit den Häfen und Hinterlandanbindungen passiert ist.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Olaf Lies [SPD]: Das hat Ramsauer aufgeholt?)

Niedersachsen hatte bei diesen beiden Ministern überhaupt keine Priorität.

(Glocke des Präsidenten)

Das Geld wurde immer in den Süden verschoben. Ich will nur an Leipzig erinnern. Was dort passiert ist, brauchen wir hier nicht zu diskutieren.

Letzter Satz bitte, Frau Kollegin!

Darüber hinaus gibt es eben Transeuropäische Netze, die hier auch noch Berücksichtigung finden, die halt den Bund und Europa besonders interessieren.