Protocol of the Session on July 20, 2012

Login to download PDF

In den Förderrichtlinien heißt es zurzeit, dass Angebote überprüft werden müssen und dass die Einkommen auskömmlich sein müssen. Da muss man in der Diskussion noch einmal fragen, was aus Ihrer Sicht ein auskömmliches Einkommen ist. Ist ein auskömmliches Einkommen auch dann gegeben, wenn Beschäftigte Hartz IV beziehen müssen, um ihren Lebensunterhalt bestreiten zu können? Ist das für Sie auch noch ein auskömmliches Einkommen? Auch vor diesem Hintergrund müssen die Förderrichtlinien überprüft werden. Genau diese Frage muss diskutiert werden. Wir sagen: Ein auskömmliches Einkommen beginnt bei mindestens 10 Euro je Stunde. - Deshalb fordern wir 10 Euro Mindestlohn.

(Beifall bei der LINKEN - Christian Dürr [FDP]: Warum nicht 20 Euro? 20 Euro sind doch mehr als 10 Euro! - Glocke der Präsidentin)

Herr Will, Sie haben gesagt, der Antrag sei zu kurz gegriffen, weil Themen wie Mindestlohn, mehr Mitbestimmung für Betriebsräte usw. auch gesetzlich geregelt werden müssen.

(Glocke der Präsidentin)

Auch ich weiß natürlich, dass diese Dinge auf der Bundesebene gesetzlich geregelt werden müssen. Aber wir haben mit diesem Antrag und mit unseren Kriterien für die Wirtschaftsförderung die Möglichkeit, die Sachen, die zurzeit auf der Bundesebene nicht geregelt werden, hier im Lande Niedersachsen sehr wohl für Unternehmen zu regeln, die Fördermittel bekommen. Das sollte unsere Aufgabe sein. Wir können nicht zulassen, dass Unterneh

men gefördert werden, deren Mitarbeiter gleichzeitig Hartz IV beanspruchen. Das ist nämlich eine Subvention dieser Unternehmen.

Jetzt müssen Sie bitte zum Schluss kommen.

Ich komme jetzt zum Schluss. - Auf Frau König kann ich leider nicht mehr eingehen. Das erübrigt sich aber, glaube ich, auch. Das wurde schon von Herrn Hagenah alles gesagt. Sie versteht es eh nicht.

Ein letzter Satz!

Ein letzter Satz. - Frau König, wenn Sie sagen, mit 10 Euro je Stunde würden wir den so wichtigen Niedriglohnsektor lahmlegen, sagen Sie, dass Sie Unternehmen haben wollen, die staatlich subventioniert werden. Das können wir absolut nicht hinnehmen, sehr geehrte - - -

(Die Präsidentin schaltet der Rednerin das Mikrofon ab - Beifall bei der LIN- KEN)

Zu einer Kurzintervention hat sich Herr Hoppenbrock von der CDU-Fraktion zu Wort gemeldet. Sie haben das Wort für eineinhalb Minuten. Bitte!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Frau Weisser-Roelle, Sie malen hier ein Bild von der niedersächsischen Arbeitsverfassung an die Wand, das in keiner Weise der Wirklichkeit entspricht.

Unstrittig ist zwar, dass es in Niedersachsen schlecht bezahlte Jobs gibt, dass es Zeitarbeit gibt, die auch zunimmt, dass es befristet Beschäftigte gibt, deren Zahl auch zunimmt. Andererseits steigt seit 2010 die Zahl der sozialversicherungspflichtigen Arbeitsstellen stärker als die Erwerbstätigkeit insgesamt. Das heißt, die Zahl der sozialversicherungspflichtigen Stellen nimmt zu, und die Zahl der geringfügig Beschäftigten sinkt seit 2010, vielleicht auch, weil es weniger Ein-Euro-Jobs gibt.

Aber, meine Damen und Herren, der wahre Grund für prekäre Arbeitsverhältnisse sind nicht die Leiharbeiter und nicht die befristet Beschäftigten, die Rentner oder die Studenten, die für 400 Euro Zeitungen austragen. Die wahren Gründe liegen

(Ronald Schminke [SPD]: In der schlechten Politik der Landesregie- rung!)

darin, dass die Produktivität von Unqualifizierten so niedrig ist, dass sie zu den von den Gewerkschaften und auch von der SPD propagierten Mindestlöhnen kein Arbeitgeber einstellt. Das ist der wahre Grund, und daran sollten wir arbeiten: an weiterer Qualifizierung.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Ronald Schminke [SPD]: Die schlech- te Regierung ist der wahre Grund!)

Frau Kollegin Weisser-Roelle möchte antworten. Auch Sie erhalten exakt 90 Sekunden Redezeit.

Schönen Dank. - Frau Präsidentin! Wenn Sie sagen, dass das Bild, das wir zeichnen, nicht der Wirklichkeit entspricht, dann haben wir im Ausschuss die Möglichkeit, unsere Quellen für die Zahlen gegenüberzustellen. Dann können wir dort darüber dezidiert diskutieren, um das hier nicht im Raum stehen zu lassen.

Sie haben gesagt, dass die Zahl der sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplätze steigt. Dann müssen Sie aber auch sagen, unter welchen Bedingungen sie steigt. Es handelt sich auch um sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze, wenn in der Fleischverarbeitung oder bei Bäckern 7,50 Euro für ausgebildete Mitarbeiter bezahlt werden. Das ist die Regel! Das sind qualifizierte Fachkräfte, und sie bekommen 7,50 Euro.

Das ist nur ein Beispiel. Ich werde Ihnen in der nächsten Wirtschaftsausschusssitzung gerne viele dieser Beispiele nennen. Dann können wir uns über dieses Bild, über das Sie und Frau König eben geredet haben, gerne noch einmal austauschen.

Wir sagen - und das kann ich nur immer wiederholen -: Wir wollen, wenn Unternehmen öffentliche Steuergelder zur Verfügung gestellt werden, um die Wirtschaft anzukurbeln, dass wir dann auch vernünftige Arbeitsbedingungen haben. Dazu gehören für uns Mindestlöhne von 10 Euro, eine

nachhaltige Beschäftigung ohne Befristung. So muss für mindestens fünf Jahre gesichert sein, dass die Arbeitsplätze erhalten werden. Das sind Kriterien, die wir diskutieren sollten und müssen.

(Beifall bei der LINKEN)

Herzlichen Dank. - Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Ich schließe die Beratung.

Wir kommen zur Ausschussüberweisung.

Der Antrag soll an den Ausschuss für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr überwiesen werden. - Ich höre keinen Widerspruch. Damit haben Sie so beschlossen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 44 auf:

Erste Beratung: Kinderrechte beachten, Familien schützen - Zusammenführung der Familie Siala-Salame - Antrag der Fraktion der SPD, der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und der Fraktion DIE LINKE - Drs. 16/4981

Zur Einbringung hat sich Frau Kollegin Rübke von der SPD-Fraktion zu Wort gemeldet. Bitte schön!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kollegen und Kolleginnen! Am 20. Juni hat der Innenminister sich die Gelegenheit genommen, die Verhinderung der Familienzusammenführung Siala-Salame einmal aus seiner Sicht in aller Breite darzustellen. Ich nehme diesen Ball gern auf und will Ihnen, liebe Kollegen und Kolleginnen besonders von der CDU und der FDP, die andere Sichtweise darstellen.

Die beiden Familien gehören der Minderheit der Mhallami an. Viele Angehörige dieser ursprünglich aus der Türkei stammenden arabischen Minderheit flohen ab 1920 vor der aggressiven Türkisierungspolitik unter Atatürk in den Libanon, wo sie fälschlicherweise als Kurden betrachtet, aber geduldet wurden und sich niederließen.

1985, Herr Siala war sechs Jahre alt, flohen seine Eltern mit ihm und seinen Geschwistern im Direktflug von Beirut nach Ostberlin; das war damals noch möglich.

1988, Frau Salame war sieben Jahre alt, nahmen ihre Eltern und Geschwister den beschwerlichen,

mühseligen Fluchtweg über die Türkei nach Deutschland.

Frau Kollegin Rübke, ich unterbreche Sie ungern. Gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Frau Modder?

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Frau Rübke, sind Sie nicht mit mir der Meinung, dass bei der Beratung dieses Antrags zumindest einer der beiden zuständigen Minister - entweder Herr Schünemann oder Frau Özkan - hier im Plenum anwesend sein sollte?

(Beifall bei der SPD, bei den GRÜ- NEN und bei der LINKEN - Wolfgang Jüttner [SPD]: Beide!)

- Von beiden will ich gar nicht sprechen.

Danke schön, Frau Kollegin Modder. - Frau Rübke, Sie haben das Wort.

Mir wären beide am liebsten. Aber ich gehe davon aus, dass der Ministerpräsident sehr gerne zuhört.

Beide Familien erhielten als staatenlose Kurden im Rahmen der niedersächsischen Bleiberechtsregelung von 1990 ein Aufenthaltsrecht.

(Minister Uwe Schünemann betritt den Plenarsaal)

Die beiden lernten sich über ihre Familien kennen, heirateten 1996 nach islamischem Recht und lebten fortan in einer Lebenspartnerschaft, was 1996 bei deutschen Paaren ebenfalls gang und gäbe war.

(Ministerin Aygül Özkan betritt den Plenarsaal)

1997 kam die erste Tochter, Amina, zur Welt. Ich weiß, es wird Frau Salame negativ angerechnet, dass sie mit 16 Jahren schwanger wurde, nach dem Motto: typisch Ausländerin!

(Widerspruch bei der CDU und bei der FDP)

Dazu zwei Zahlen: Im Jahre 2010 gab es 119 deutsche Mütter im Alter von 16 bis 17 Jahren und 11 ausländische Mütter im Alter von 16 bis 17 Jahren.