Für die Fraktion DIE LINKE erteile ich nun zur Einbringung des eigenen Antrages zur Aktuellen Stunde Herrn Dr. Sohn das Wort.
Frau Helmhold, Sie werden zugeben, dass diese Überschrift für Ihren Antrag zur Aktuellen Stunde noch passender gewesen wäre als die, die Sie gewählt haben - wobei ich Ihre auch schon nicht schlecht fand.
Wenn man denn schon einmal bei Bertolt Brecht ist, fallen einem natürlich auch die „Fragen eines lesenden Arbeiters“ ein. Ich zitiere jetzt noch einmal vier Zeilen:
Wenn Sie also sagen, dass Schwarz-Gelb die Gesellschaft spaltet, muss man mit Brecht fragen: Spaltete Schwarz-Gelb die Gesellschaft allein?
Wir diskutieren heute den zunehmenden Reichtum einiger Privater auf der einen Seite und die wachsende Armut sowohl der Vielen als auch des Staates, also der Gemeinwohlkassen, auf der anderen Seite.
Die Hans-Böckler-Stiftung, die keine schrecklich linke Organisation ist, hat am 7. September 2011 eine Untersuchung gemacht. Deshalb habe ich ein paar kritische Anmerkungen zu dem, was Sie gesagt haben, Frau Helmhold. Ich zitiere das einmal:
51 Milliarden Euro - so viel würden Bund, Länder und Gemeinden 2011 mehr an Steuern einnehmen, wenn noch die Steuergesetze von 1998 gälten. … Rein rechnerisch hätte die Bundesrepublik damit aktuell kein Budgetdefizit, sondern einen Überschuss - wenn der Staat nicht in der vergangenen Dekade auf hohe Einnahmen verzichtet hätte …
Vor allem die rot-grüne Einkommensteuerreform mit deutlicher Senkung der Spitzensteuersätze hat durchgeschlagen, zeigen … [die] Daten. So sehr, dass die Einnahmen selbst 2007, nach Anhebung der Mehrwertsteuer, … unter dem Niveau von 1998 blieben. Die für Kapitaleigner günstige Abgeltungsteuer, die Unternehmensteuersenkung“
„und dann die schwarz-gelbe Koalition in der Krise beschlossen, haben den Abstand noch vergrößert. Zu einem großen Teil kamen die Steuersenkungen wohlhabenderen Haushalten zugute.“
Übrigens fehlen allein 2011 - das ist für Herrn Möllring interessant; er ist leider noch nicht da - in den Länderkassen durch diese Maßnahmen mehr als 27 Milliarden Euro. Das sind fast 3 Milliarden Euro für Niedersachsen. Wir könnten uns die ganze Diskussion um die Verfassungsänderung heute Nachmittag sparen, wenn es nicht diese ganzen Steueränderungen gegeben hätte.
Das, was Sie von SPD und Grünen zu Recht beklagen, ist auch Ihr Werk. Daran beißt die Maus keinen Faden ab.
Steuern sind dabei nur der zweite Grund. Der erste Grund ist natürlich das, was für Ökonomen unter „Primärverteilung“ fällt, also die Reallohnstagnation seit 15 Jahren.
Dafür haben wir - dessen hat sich Herr Schröder ja kürzlich gerühmt - den besten Niedriglohnsektor der Welt. Auch das ist das Ergebnis einer bestimmten Politik. Auch da war das Schröder/Fischer-Kabinett wieder der Rammbock. Die Möglichkeiten der Befristung wurden erleichtert, dem Leiharbeitswesen wurden alle Tore geöffnet, und mit der Hartz-IV-Keule haben sie systematisch die Angst in die Betriebe getragen.
1995 waren noch 10 % aller Beschäftigten im Niedriglohnsektor tätig. Jetzt sind es 21 %. Ihr Anteil hat sich also mehr als verdoppelt. Das auch zum Artikel 6 a der Verfassung, den ich vorhin erwähnt habe! Bei den unter 35-Jährigen sind es übrigens 30 %.
Frau Helmhold, DIE LINKE ist auch da, um SPD und Grüne daran zu hindern, so einen Blödsinn noch einmal zu machen.
Sie haben völlig recht: Der von Herrn Schröder eingeleitete Kurs ist dann von Frau Merkel forciert worden - erst in der Großen Koalition und jetzt, noch schlimmer, mit der FDP. Das Ergebnis liegt nun, sozusagen mit amtlichem Siegel, im Armuts- und Reichtumsbericht vor. Die Kerndaten kennen Sie alle.
Weil das so ist, gibt es zum Glück die UmFAIRteilen-Aktionen am kommenden Samstag. Was die Forderungen sind und was der Ausweg aus dieser
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist wie bei jeder Debatte über den Armuts- und Reichtumsbericht: Es wird viel über Arme gesprochen. Es wird viel über Reiche gesprochen. Was bei dieser Debatte aber wieder einmal völlig zu kurz kommt, ist die Mittelschicht.
Ich sage hier ganz deutlich, um das von vornherein klarzustellen: Wir unterstützen durch unsere Politik eine gesunde Mittelschicht. Unser Land ist keine Zweiklassengesellschaft, sondern hat zum Glück eine gesunde Mittelschicht.
Wir wollen eben keine Neiddebatte führen, wie es heute von Herrn Dr. Sohn und von Frau Helmhold hier vorgetragen wurde.
Wir wollen auch keine Klassenkampf-Rhetorik. Durch Ihre Rhetorik wird nicht ein Armer reicher und nicht ein Reicher ärmer.