Protokoll der Sitzung vom 26.09.2012

Wir wollen auch keine Klassenkampf-Rhetorik. Durch Ihre Rhetorik wird nicht ein Armer reicher und nicht ein Reicher ärmer.

(Ursula Helmhold [GRÜNE]: Durch Ih- re Politik schon gar nicht!)

Das ist reine Rhetorik, meine Damen und Herren.

Die Zeitung Die Welt schreibt in ihrem Beitrag und Kommentar zum Armuts- und Reichtumsbericht Folgendes:

„Wäre Deutschland kein überreifer und auch übereifriger Sozialstaat, dessen jährlicher Haushalt zur Hälfte in Arbeit und Soziales flösse, dann könnte man über die Zahlen erschrocken sein. Aber dass sich das private Nettovermögen in den vergangenen

zwei Jahrzehnten mehr als verdoppelt hat, ist doch eine gute Nachricht! Denn Wachstum ist zentral, Wohlstand auch,“

(Helge Limburg [GRÜNE]: Ja, für die, die ihn haben! - Ursula Helmhold [GRÜNE]: Für die oberen 10 % ja! - Hans-Henning Adler [LINKE]: Wer hat denn davon profitiert?)

„sonst stünde die Bundesrepublik doch weit weniger gut in Europa da, als sie dies tut.“

(Zustimmung bei der FDP)

Es geht also in der Tat um Wohlstand, meine Damen und Herren.

(Ursula Helmhold [GRÜNE]: Aber nicht für alle!)

Es geht nicht um Armut und um Reichtum, sondern um Wohlstand, von dem alle profitieren.

Ich nenne dazu ein paar Fakten - Sie können ja dazwischenbrüllen, wie Sie wollen; an den Fakten kommen Sie nicht vorbei -: Es gibt weniger Jugendarbeitslosigkeit. Es gibt weniger Kinder, die von Hartz IV leben müssen.

(Ursula Helmhold [GRÜNE]: Das stimmt doch gar nicht!)

Es gibt weniger Schüler ohne Abschluss. Es gibt die geringste Jugendarbeitslosigkeit in Europa. Auch in Niedersachsen sinkt das Risiko, arm zu werden, insbesondere für Jugendliche.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Wir von FDP und CDU führen hier keine Geisterdebatte, wie Sie das tun, sondern wir machen eine Politik, von der alle profitieren. Von diesem Wachstum können alle profitieren.

(Zuruf: Das tun sie aber nicht!)

Meine Damen und Herren, Sie nutzen diese Debatte nicht nur, um auf Fakten aufmerksam zu machen und Ihre Interpretation abzugeben, sondern auch nicht ganz uneigennützig dafür, Ihre Steuererhöhungspolitik vorzubereiten. Sie wollen mit Ihrer Neidrhetorik Ihre Steuererhöhungen ankündigen und vorbereiten, indem Sie suggerieren, es gehe angeblich nur um die Reichen.

Wen Sie mit den Reichen tatsächlich meinen, wird dann relativ schnell deutlich. In Wirklichkeit geht es nämlich um den Mittelstand in unserem Land. Rot

Grün will den Spitzensteuersatz erhöhen. Das trifft den Mittelstand. Rot-Grün will die Vermögensteuer wieder einführen. Das trifft den Mittelstand. RotGrün will die Abgeltungssteuer erhöhen. Das trifft den Mittelstand. Und Rot-Grün will die Erbschaftsteuer erhöhen. Auch das trifft den Mittelstand.

(Zurufe von der SPD und von den GRÜNEN)

Das muss allen klar sein.

(Unruhe)

Herr Grascha, ich darf Sie kurz unterbrechen. Sie bekommen die Zeit zusätzlich. - Meine Damen und Herren, ich verstehe es ja, wenn Sie anderer Meinung sind. Aber alle Fraktionen haben noch Redezeit. Auf der rechten Seite könnte man vielleicht die Gespräche etwas leiser führen oder ganz einstellen. - Herr Grascha, bitte!

Es muss allen Menschen und allen politischen Verantwortungsträgern in diesem Land klar sein: Wer den Mittelstand schwächt, schwächt das Wachstum und vernichtet damit Arbeitsplätze. Damit steigt wiederum das Armutsrisiko in unserem Land. Das ist mit CDU und FDP in diesem Land nicht zu machen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, das ist eben der grundsätzliche Unterschied zwischen dieser Seite des Hauses und jener Seite. Wir wollen Chancen ermöglichen und sie nicht wegbesteuern. Das ist der entscheidende Unterschied! Wir wollen nicht mit Neid und Missgunst Politik machen und damit Steuererhöhungen vorbereiten, sondern wir wollen Wachstum möglich machen, wir wollen Leistungsbereitschaft fördern und die entsprechenden Freiräume für die Menschen herstellen. So haben CDU und FDP in den vergangenen Jahren hier in Niedersachsen Politik gemacht. Dafür stehen wir auch in der Zukunft.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Meine Damen und Herren, für die CDU-Fraktion spricht nun der Kollege Toepffer. Auch hier gilt mein Appell, dass Sie dem Redner zuhören.

Vielen Dank. - Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zunächst dies: Ich hätte nie gedacht, dass ich an dieser Stelle einmal dem Kollegen Sohn auch nur punktuell recht geben würde. Aber ich muss sagen, Herr Sohn, in einem Punkt haben Sie recht gehabt. Wenn man eben Frau Helmhold gehört hat, ist man in der Tat der Meinung, dass die Grünen bei der letzten Senkung des Spitzensteuersatzes überhaupt nicht dabei gewesen seien. Das ist eine ganz besondere Form der selektiven Wahrnehmung!

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Widerspruch von Helge Limburg [GRÜNE] - Reinhold Hilbers [CDU]: Gedächtnisschwund!)

Dessen ungeachtet ist es sicherlich richtig, hier die Fragen von arm und reich zu diskutieren. Herr Grascha, Sie haben den Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung angesprochen. Dieser liegt noch nicht vor. Es handelt sich um einen Referentenentwurf in der Ressortabstimmung. Wenn man ihn gelesen hat - er ist im Internet veröffentlicht -, stellt man fest, dass er eine Frage natürlich nicht beantwortet: Was ist arm? Und was ist reich?

Eine Definition von Armut mag noch möglich sein. Wenn man sagt, wer mit seinem Einkommen den Steuergrundfreibetrag von 8 004 Euro nicht erreicht, ist arm, dann mag das gelten. Dass alle darüber hinaus reich sind, kann man sicherlich auch nicht sagen. Das heißt, die Frage, wer reich ist, werden wir mit diesem Bericht nicht beantworten können.

(Uwe Schwarz [SPD]: Für Armut gibt es eine EU-Definition!)

Aber was man mit dem Bericht vielleicht machen kann, ist, ganz sachlich zu prüfen, wie die Abstände bei Einkommen und Vermögen in unserem Land gestaltet sind. Das ist sicherlich richtig und legitim. Eines ist festzustellen - dieser Vorwurf war vorhin erhoben worden -: Es ist richtig, es gibt in Deutschland mehr Zeitarbeit, mehr Teilzeitarbeit und mehr Minijobs. Ihre Zahl muss weniger werden.

Aber ganz sachlich betrachtet muss man auch sehen, wie sich die Normalarbeitsverhältnisse entwickelt haben. 2000 haben 42,9 % der Bevölkerung in solchen normalen Arbeitsverhältnissen gearbeitet, und jetzt, zehn Jahre später, ist dieser

Anteil gesunken, nämlich von 42,9 auf 42,8 %, also um 0,1 Prozentpunkte.

Diese Entwicklung spiegelt sich auch im sogenannten Gini-Index wider. Ich weiß nicht, wer von Ihnen diesen Index kennt. Gini war ein italienischer Mathematiker. Mit diesem Index wird bemessen, wie ungleich Einkommensverhältnisse in einem Land sind. Die Skala reicht von 0 bis 1. Es gibt Länder, die liegen sehr gut. Sehr gute Länder wie Dänemark liegen beispielsweise bei 0,24, die USA liegen bei 0,46. Wir in Deutschland liegen bei 0,29.

Dieser Wert ist seit der Gründung der Bundesrepublik Deutschland bis exakt zum Jahr 2005 gestiegen. Seitdem liegt er stabil bei 0,29. Seit Schwarz-Gelb in Berlin Verantwortung übernommen hat, hat die Ungleichverteilung in Deutschland nicht mehr zugenommen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, by the way, wenn Sie sich das anschauen, ganz am Rande: Es gibt zwei Bundesländer, in denen dieser Gini-Index in den letzten fünf Jahren gesunken ist. Eines davon ist Niedersachsen, wo der Wert von 0,29 auf 0,28 zurückgegangen ist.

Diese Entwicklung gibt es, weil es uns in fünf Jahren gelungen ist, die Arbeitslosenzahl von 4,25 Millionen auf 2,9 Millionen zu senken. Auch das kann man in dem Bericht nachlesen, auf Seite 38. In der Tat - Kollege Grascha hat es zu Recht angesprochen - haben wir diese Entwicklung der Absenkung der Jugendarbeitslosigkeit um 30,7 % zu verdanken. Diese Entwicklung haben wir auch der Tatsache zu verdanken, dass unter CDU-geführten Bundesregierungen in diesem Land elf Mindestlöhne eingeführt worden sind.

(Lachen bei der SPD)

- Das ist so! Das war alles unter CDU-Kanzlern, nicht unter den Ihren!

Auch die Folgen dieser Politik, sehr geehrte Frau Kollegin, können Sie im Armuts- und Reichtumsbericht nachlesen, auf Seite 245. Dort können Sie nachlesen, dass die Zahl der Empfänger von SGB-II-Leistungen von 5,5 Millionen auf 4,4 Millionen gesunken ist. Das ist erfolgreiche Politik!

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Nun zu den Vermögen.

(Ursula Helmhold [GRÜNE]: Ich wollte gerade danach fragen!)

Ich gebe Ihnen ja recht, liebe Frau Helmhold, die Geldvermögen sind in den letzen Jahren u. a. deshalb gestiegen, weil der Spitzensteuersatz von Ihnen gesenkt worden ist. Das ist richtig.