Sie haben zwar recht, wenn Sie sagen, dass wir im Moment eine sehr niedrige Arbeitslosenquote haben, die niedrigste seit 1989, dass die Arbeitslosenquote bei den Jugendlichen deutlich gesunken ist und dass sich auch bei den Langzeitarbeitslosen die Zahlen reduziert haben. Aber gucken Sie sich einmal an, wie das zustande gekommen ist! Wenn Sie Volkswirte fragen oder Wirtschaftszeitungen lesen, werden Sie erkennen, dass man sich ziemlich einig darin ist, dass es die Reformen der Regierung von Rot-Grün im Bund gewesen sind, die hier den entscheidenden Beitrag geleistet haben, und eben nicht Ihre Frau Merkel.
(Beifall bei den GRÜNEN - Christian Dürr [FDP]: Davon wollen Sie doch nichts mehr wissen, Herr Wenzel!)
Dabei sind natürlich auch Fehler gemacht worden, Herr Sohn. Ich wäre doch mit dem Klammerbeutel gepudert, wenn ich behaupten würde, dass man bei einem so großen Projekt keine Fehler macht. Ich denke nur an die steuerliche Freistellung von Unternehmensverkäufen oder an den Spitzensteuersatz. Diese Fehler muss man korrigieren.
Wir haben auch gelesen, dass diese positiven Zahlen keine Auswirkungen auf das Armutsrisiko, die Niedriglohnquote oder den Vermögensaufbau, über den wir heute sprechen, gehabt haben. Deshalb muss man die Situation jetzt analysieren und vor dem Hintergrund der Finanzkrise prüfen, was man tun muss. Und dann muss man eben auch an große Vermögen herangehen - und nicht an den Mittelstand, Herr Grascha.
Man muss auch an die Steueroasen herangehen und kann nicht, wie es Herr Möllring vorhat, Steuerhinterziehung über die Schweiz legalisieren und sogar noch fördern, meine Damen und Herren.
Man braucht auch eine Transaktionssteuer. Warum muss ich Mehrwertsteuer zahlen, wenn ich Butter oder Brot im Laden kaufe, aber dann, wenn ich Geflügel oder Schweinehälften oder Rinderhälften an der Börse kaufe, nicht? - Das ist schlicht und einfach falsch. Deswegen brauchen wir eine Transaktionssteuer.
Meine Damen und Herren, in dem Armuts- und Reichtumsbericht - den Sie, Herr Toepffer, ja mindestens bis Seite 250 gelesen haben, wie ich Ihren Ausführungen entnehmen konnte - findet sich das Zitat von Frau von der Leyen: „Wenn sich Armutsrisiken sogar über Generationen verfestigen, besteht Handlungsbedarf.“ Das kann ich uneingeschränkt unterschreiben. Diese Feststellung ist absolut richtig.
Ich nenne ein weiteres Zitat: „Solche Ungleichheiten werden dann zum Akzeptanzproblem, wenn sie nicht vorrangig auf individueller Verantwortung und persönlichen Fähigkeiten basieren.“ Das heißt, wenn man nur deshalb reich ist, weil schon Papa und Mama reich waren, ist das in einer Demokratie ein Problem. Das darf nicht über Generationen hinweg weiter vorangetrieben werden.
Meine Damen und Herren, Armut und Reichtum sind eine soziale Herausforderung. Demokratie und Reichtum sind am Ende auch ein Problem für unsere demokratische Grundordnung. Wirtschaft und Reichtum sind ein Problem, wenn wir es nicht schaffen, die Zahlungsbilanzen in Europa wieder näher zusammenzubekommen. Wenn wir das nicht schaffen, ist das auch ein Problem für den Zusammenhalt in Europa. Auch dieser Zusammenhang wird in diesem Entwurf, der uns vorliegt, richtig beschrieben.
Wenn es hier heißt, der deutliche Rückgang des berechneten Reinvermögens rührt ganz überwiegend daher, dass die Ausgaben in den letzten Jahren nicht durch die Einnahmen gedeckt worden sind, dann hängt das einerseits mit der Deutschen
Einheit und andererseits und vor allen Dingen mit der Finanzkrise und der Reaktion darauf zusammen. Das wird an dem Sprung von 2008 deutlich, der überwiegend auf die Übernahme von toxischen Forderungen aus systemrelevanten klassischen Finanzinstituten infolge der Finanzkrise zurückzuführen ist. Meine Damen und Herren, auch das wird richtig beschrieben.
Nun ist es an der Zeit, die Konsequenzen zu ziehen und auch darüber nachzudenken, ob man die wirklich Vermögenden zum Schuldenabbau heranzieht; denn diese haben noch zu Zeiten der Finanzkrise, seit 2007, ihr Vermögen um 1,4 Billionen Euro gesteigert, während die kleinen Einkommen im gleichen Zeitraum eher verloren haben.
Meine Damen und Herren, das muss eine Volkspartei wie die CDU interessieren. Da können Sie dreimal sagen, dass das, was Frau von der Leyen vorgelegt hat, nur ein Entwurf ist. Ich gehe davon aus, dass sie schon ein paar sachverständige Leute in ihrem Ministerium hat und dass von daher das, was sie hier aufgeschrieben hat, nicht völlig falsch sein kann.
Meine Damen und Herren, ich habe noch zwei Wortmeldungen zu dem Thema, zunächst von Herrn Watermann von der SPD-Fraktion und dann von Herr Grascha von der FDP-Fraktion.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Sohns, ich will Ihnen noch einmal deutlich machen, was ich vorhin in Bezug auf die Steuerpolitik angesprochen habe.
Sie kennen mich sehr gut und wissen daher, dass ich zwar ein Befürworter der Agenda 2010 bin, dass ich aber auch weiß, dass dort Fehler gemacht worden sind.
Wenn wir über Armut und über Löhne reden, lassen Sie mich zum wiederholten Male sagen: Es geht nicht darum, dass die unterstützenden Systeme gut bezahlte Arbeit ersetzen sollen. Nein, die unterstützenden Systeme sind nur zur Ergänzung da. Das habe ich gemeint, als ich sagte, dass ich
es als unanständig empfinde, dass immer mehr Leute ergänzende Leistungen brauchen, auch wenn sie in Vollzeit arbeiten. Dabei kritisiere ich nicht diejenigen, die diese Leistungen bekommen, sondern die Unternehmen, die das in Kauf nehmen, weil sie so niedrige Löhne zahlen.
Meine Damen und Herren, natürlich gilt es hervorzuheben, dass man aus der Krise gut wieder herausgekommen ist. Das ist aber nur deshalb gelungen, Herr Nacke, weil sich diejenigen durchgesetzt haben, die damals den Reformkurs gefahren haben. Das waren Sie, das waren wir, das waren viele andere. Insbesondere die Sozialdemokraten, haben darunter sehr gelitten, aber am Ende hat sich gezeigt, dass das richtig war.
Es trifft zu, dass diese Systeme zu mehr Beschäftigung geführt haben. Das ist auch gut so. Es ist aber auch richtig, dass wir heute mehr Beschäftigung haben, die die Kriterien erfüllt, die ich vorhin beschrieben habe, und das ist nicht gut. Daran müssen wir gemeinsam arbeiten; denn das hat auch etwas mit der Würde derjenigen zu tun, die arbeiten. Ihre Partei, Herr Nacke, hat beim Mindestlohn gewaltige Sprünge gemacht. Sie können aber nicht so weit springen, wie Sie gerne springen wollen, weil Ihnen die Gelben am Halse hängen.
Hier besteht dringender Handlungsbedarf, weil in bestimmten Branchen überhaupt kein vernünftiger Tarife mehr ausgehandelt werden kann.
Der Mittelstand und das Handwerk wollen auch, dass es fair zugeht und dass es keine Wettbewerbsverzerrung durch Lohndumping gibt. Lassen Sie uns zum Wohle derer, die diese Arbeit schaffen, und zum Wohle derer, die diese Arbeit nehmen, daran gemeinsam arbeiten. Wir sollten wieder zu dem kommen, wofür die soziale Marktwirtschaft steht: dass man von seinem Lohn auch leben kann, meine Damen und Herren.
Wir müssen aber auch hervorheben, wo wir uns unterscheiden. Wir unterscheiden uns massiv, wenn es um die Staatsschulden geht, also darum, was man einsparen oder - besser gesagt - weniger ausgeben kann. Sparen im wahrsten Sinne ist das ja nicht. Sparen ist etwas Besseres. Beim Sparen legt man etwas auf die hohe Kante. Hier geht es darum, dass man Ausgaben überprüft. Dazu gehört aber auch, dass man darauf sieht, wie es um die Einnahmen steht. Da müssen wir - wir sagen das ganz klar - Veränderungen herbeiführen. Wir
Im Moment spürt man, dass es in der Bevölkerung als ungerecht empfunden wird, dass man, wenn man ein Unternehmen an die Wand gefahren hat, auch noch mit einem Bonus nach Hause geschickt wird. Es wird als unangenehm und ungerecht empfunden, dass einige wenige immer mehr bekommen, während man selber von dem, was man erhält, kaum leben, geschweige denn im Alter eine vernünftige Rente bekommen kann. Deshalb ist die Diskussion, die Frau von der Leyen angefangen hat, gut. Dazu gehört aber auch, dass man dann konsequent in diesem System arbeitet und darauf sieht, dass sich diese Zustände verändern. Dafür wollen wir stehen. Wir stehen zu diesem Bündnis „UmFAIRteilen“, weil es ein breiter gesellschaftlicher Konsens ist und eine breite gesellschaftliche Diskussion ermöglicht.
Ich bin fest davon überzeugt, dass die politischen Kräfte, die dies nach vorne treiben, am Ende auch die Mehrheit der Bevölkerung haben werden. Sie haben in Niedersachsen und in der Bundesrepublik eine andere Politikrichtung eingeschlagen. Ich hoffe, dass Sie da umdrehen. Wenn Sie nicht umdrehen, wird der Wähler das machen. Das erhoffe ich mir für den 20. Januar.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es geht bei dieser Debatte nicht, wie wir es gerade wieder erleben, um einen Überbietungswettbewerb - wer fordert wie viel Steuern; wie viel Vermögensabgabe soll wann und wo erhoben werden? -, sondern darum, eine vernünftige Politik zu machen. Und dafür stehen CDU und FDP.
Ich möchte einige Dinge, die hier genannt wurden, klarstellen. Es wurde - beispielsweise von Herrn Watermann - der Eindruck erweckt, als wenn Menschen, die ein gutes Einkommen oder ein Vermögen haben, überhaupt keine Steuern zahlen. Das aber ist falsch. Unser progressives Einkommensteuersystem sorgt dafür, dass diejenigen, die mehr haben, auch entsprechend mehr an den Staat
Ich komme zum zweiten Argument, das hier auch immer wieder genannt wird. Der Mindestlohn ist ja mittlerweile Allheilmittel für alles: für die Rente, für die Lebenssituation des Einzelnen usw. Das erinnert mich schon fast an den Jäger 90, der in der Vergangenheit auch ein solches Allheilmittel war. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass ein flächendeckender Mindestlohn zu einem Zweiklassenarbeitsmarkt führt, in dem es die gibt, die keinen Arbeitsplatz haben, und die, die einen Arbeitsplatz haben. In einem solchen Zweiklassenarbeitsmarkt haben diejenigen, die geringer qualifiziert sind, keine Chance mehr. Das gilt es zu verhindern, meine Damen und Herren.
Es gibt in unserem Land nun einmal Menschen, die auf dem Arbeitsmarkt nur dann eine Beschäftigung finden, wenn der Staat sie entsprechend unterstützt, wenn ein Zuschuss gezahlt wird. Ich finde es unerhört, dass der Kollege Watermann diese Menschen als Subventionsempfänger beschimpft.
(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Hans-Henning Adler [LINKE]: Warum sollen die Unternehmen nicht ordentli- che Löhne zahlen?)
Es ist auch immer sehr einfach, davon zu fabulieren, dass die großen Vermögen herangezogen werden sollen. Ich habe in meinem ersten Redebeitrag darauf hingewiesen, dass es uns darum geht, dass der Mittelstand nicht herangezogen wird. Wo ziehen Sie denn die Grenze? Was sind denn für Sie große Vermögen? Was passiert denn mit den Personengesellschaften, die wir in unserem Lande überwiegend haben? - Dahinter stehen Eigentümer, die mit ihrem privaten Vermögen haften. Wie definieren Sie denn dann große Vermögen? - Das würde mich schon interessieren.
(Hans-Henning Adler [LINKE]: Im Steuerrecht gibt es doch Freibeträge! Das ist doch ein bekanntes System!)
Ich komme zum Schluss, meine Damen und Herren. - Die SPD hat ihr Steuerkonzept präsentiert. Sie kalkuliert mit 20 Milliarden Euro Mehreinnahmen. Wer glaubt, es würde hier nur um die angeblich Reichen und Vermögenden gehen, der glaubt
auch an den Weihnachtsmann, meine Damen und Herren. Am Ende wird die Mittelschicht bzw. der Mittelstand für diese Politik die Zeche zahlen. Aber das werden wir verhindern.