Protokoll der Sitzung vom 26.09.2012

Allerdings ist die bisherige Diskussion zu diesem Thema dadurch geprägt worden, dass Sie das Ziel 2017 ausschließlich wie eine Monstranz vor sich hergetragen haben, sich auf eine vernünftige Debatte über die Substanz der einzelnen Ausgestaltungsvorschläge aber nicht richtig eingelassen haben.

Meine Damen und Herren von den Koalitionsfraktionen, Sie haben sich zwar bemüht, in den Diskussionen zu diesem Thema besonders seriös und staatstragend aufzutreten. Heute ist dieser Versuch aber auch misslungen. Es ist Ihnen tatsächlich nicht gelungen, weil es Ihnen immer um Marketing und um Parteipropaganda ging.

(Beifall bei der SPD, bei den GRÜ- NEN und bei der LINKEN)

Selbst die Landesregierung gibt in ihrer aktuellen Mipla zu, dass die finanzpolitische Herausforderung mehr im grundsätzlichen Paradigmenwechsel „weg von der Politik zulasten der Zukunft hin zu einer dauerhaft tragfähigen Haushaltspolitik“ und weniger im konkreten Umsetzungsdatum liegt.

(Petra Emmerich-Kopatsch [SPD]: Ja, so sind sie!)

Auf die Frage, wie dieser Paradigmenwechsel erfolgen soll, sind Sie bis heute aber jegliche Antwort schuldig geblieben.

(Beifall bei der SPD)

Das sehen wir an Ihrem Doppelhaushalt 2012/2013 und an der aktuellen Mipla, die ebenfalls keine strukturellen Maßnahmen enthalten. Auch das von Ihnen inflationär gebrauchte Wort „Konsolidierung“ kann darüber nicht hinwegtäuschen.

(Beifall bei der SPD)

Konsolidierung ist nicht nur eine reine Ausgabenkürzungsaufgabe. Da zitiere ich den Bundesminister der Finanzen, Herr Dr. Schäuble. Konsolidierung bedeutet nämlich, eine Balance zu schaffen zwischen der Notwendigkeit, für eine auskömmliche und gerechte Finanzierung unseres Gemeinwesens zu sorgen, und der Notwendigkeit, über Einsparungen und Effizienzsteigerungen zu reden und dabei auch die kommunale Familie nicht zu vergessen.

Die Kommunen haben in allen Anhörungen deutlich darauf verwiesen, dass Konsolidierungserfordernisse des Landeshaushaltes eben nicht zulasten der Kommunen gehen dürfen, und konkrete Vorschläge gemacht, wie sie sich einen Schutz ihrer finanziellen Handlungsfähigkeit vorstellen.

(Zustimmung von Filiz Polat [GRÜNE])

Meine Damen und Herren, Ihre heute nachgeschobene Begründung für den Gesetzentwurf zur Änderung der LHO stellt diese Diskussion vollkommen auf den Kopf.

(Beifall bei der SPD)

In unserem Gesetzentwurf zur Änderung der Niedersächsischen Verfassung haben wir ausdrücklich auch die Einnahmeverantwortung angesprochen und die Verpflichtung jeder Landesregierung deutlich gemacht, bei Entscheidungen im Bundesrat und auf europäischer Ebene diesbezüglich sehr sorgfältig abzuwägen.

Eine stabil wachsende Einnahmebasis ist eine der notwendigen Voraussetzungen dafür, dass die Lücke zwischen Einnahmen und Ausgaben geschlossen wird. So schreibt diese Landesregierung selbst in ihrer aktuellen mittelfristigen Finanzplanung. In dem gleichen Papier gibt sie aber zu, dass es noch nie eine Situation gab, in der wir

über einen Zeitraum von mehreren Jahren diese kontinuierlich steigende Einnahmebasis zu verzeichnen hatten.

Gerade deshalb haben wir unseren Vorschlag zur Verfassungsänderung dahin gehend erweitert, dass eine Neuverschuldung auch bei strukturellen Einnahmeverlusten möglich sein muss, wobei diese Schulden in einem bestimmten Zeitraum wieder zurückzufahren sind.

Besonders für die Kollegen der FDP möchte ich hier einen Redner der FDP im Landtag von Rheinland-Pfalz zitieren, der u. a. gesagt hat: Es kann zu Situationen kommen, die das Land innerhalb eines Jahres nicht bewältigen kann. Wir sind eben nicht in Amerika, wo wir in solchen Fällen Personal einfach nach Hause schicken. - Ich empfehle Ihnen die gesamte Rede zur Lektüre. Da können Sie noch ein bisschen dazulernen.

(Beifall bei der SPD)

Die SPD-Fraktion möchte nämlich gerade nicht eine Schuldenbremse light. Daher enthält unser Vorschlag, wie auch vom Landesrechnungshof vorgeschlagen, die Regelung, dass Schulden des Landes nicht nur die Schulden des Kernhaushaltes sind, sondern auch die Schulden der Landesbetriebe und landeseigenen Einrichtungen.

(Petra Emmerich-Kopatsch [SPD]: Genau!)

Es darf nämlich keine Hintertür geben, die Sie sich in diesem Falle offengehalten haben.

(Beifall bei der SPD und Zustimmung bei den GRÜNEN)

Wir sind auch der Meinung, dass wir das Vermögen des Landes nicht dazu nutzen dürfen, um eine Lücke zwischen Einnahmen und Ausgaben im konsumtiven Bereich zu decken. Daher wollen wir klar regeln, dass Vermögensveräußerungen nur noch in den Fällen vorgenommen werden dürfen, in denen sie für die Finanzierung anderer nachhaltig wirkende Investitionen genutzt werden.

Meine Damen und Herren von den Koalitionsfraktionen, Sie rühmen sich Ihrer Übergangsvorschrift, mit der Sie in einer linearen Regelung die Abbauschritte vorgeben. Diese trägt allerdings nicht der Tatsache Rechnung, dass die Haushaltssituation auf der Einnahmeseite sehr schwankend ist. Wir halten daher eine Flexibilität in den einzelnen Konsolidierungsschritten für den besseren Weg.

Es lohnt sich aber, Ihren Regelungsvorschlag zu Ende zu lesen. Ich verweise dazu auf die Anhörung im letzten Jahr im Niedersächsischen Landtag. Da hat einer der Wissenschaftler gesagt:

„Aber dann verliert Artikel 71 a plötzlich irgendwie den Kurs. Da stehen die alten und neuen Verschuldungsregeln nebeneinander.“

Dringender Rat: Es muss unbedingt darüber nachgedacht werden, was der die Verfassung ändernde Gesetzgeber mit Artikel 71 a will. Ein unklares Nebeneinander verschiedener Verschuldungstatbestände sollte es nicht geben; es sei denn, so meine Vermutung, man möchte sich auch dort ein Hintertürchen offenhalten.

Auch Ihr Versuch, den heute zu beratenden Vorschlag zur Änderung der LHO als Beweis für die Ernsthaftigkeit Ihres Handelns anzuführen, muss aus folgenden Gründen scheitern:

Erstens. Gerade die Regelungen, die der Landesebene einen Spielraum zur Ausgestaltung der Schuldenbremse ermöglichen, fehlen völlig, nämlich die Regelungen zu den Notsituationen.

Zweitens. Die in der Anhörung formulierte Kritik an der Übergangsregelung lässt sich auch auf Ihren Vorschlag zur Änderung der LHO übertragen. Auch hier haben wir neben dem summenmäßigen Abbaupfad den Versuch, sich eine Hintertür offenzuhalten. Ich zitiere aus Ihrem Antrag:

„Werden aus den in Artikel 71 Satz 3 der Niedersächsischen Verfassung genannten Gründen über Absatz 1 oder Absatz 2 hinausgehende Einnahmen aus Krediten in den Haushaltsplan eingestellt, …“

Wie gesagt, wieder eine Hintertür!

(Reinhold Hilbers [CDU]: Sie wollten doch den alten Artikel 71 behalten!)

Die Bindungswirkung Ihres in § 18 a Abs. 3 vorgesehenen Tilgungsplanes hält - darauf hat der GBD in den Beratungen hingewiesen - ebenfalls nicht das, was sie verspricht. Das können Sie im schriftlichen Bericht über die Beratung nachlesen.

Fazit: Die von Ihnen vorgeschlagene Änderung der LHO ist nicht, wie von Ihnen behauptet, der zweitbeste Weg. Sie bietet gar keine Lösung und ist daher lediglich politische Schaumschlägerei.

(Starker Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Danke schön. - Zu einer Kurzintervention auf den Beitrag von Frau Kollegin Geuter hat sich Herr Adler von der Fraktion DIE LINKE zu Wort gemeldet. Für eineinhalb Minuten, bitte!

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Geuter, ich bin Ihnen dankbar, dass Sie noch einmal die von Ihnen vorgeschlagene Änderung des Artikels 58 angesprochen haben.

Dieser Änderung werden wir ausdrücklich zustimmen, und zwar aus folgendem Grund: Bisher haben wir in Artikel 58 nur eine sehr schwache Schutzvorschrift zugunsten der kommunalen Haushalte. Diese schwache Schutzvorschrift sollte durch eine harte Schutzvorschrift ersetzt werden, damit dieser einschränkende Satz - „im Rahmen seiner finanziellen Möglichkeiten“ - gestrichen wird.

Nur dann können die Kommunen sicher sein, dass das ganze Manöver, über das wir hier streiten, nicht auf ihrem Rücken ausgetragen wird. Diese Gefahr besteht nämlich!

(Johanne Modder [SPD]: Ja!)

Das muss ich auch einmal den Grünen sagen. Sie haben in Ihrem Entschließungsantrag auch noch einen Diener vor dem Fiskalpakt gemacht und hineingeschrieben: Der Fiskalpakt darf die Bedingungen der nationalen Schuldenbremse für die Länder und Kommunen nicht verschärfen. - Das ist nicht richtig! Das tut er. Sie können in Ihrem Entschließungsantrag schreiben, was Sie wollen. Solange Sie diesem Fiskalpakt zustimmen, werden Sie das Problem haben. Deshalb brauchen wir umso dringender einen Schutz für die Kommunen.

(Beifall bei der LINKEN)

Danke schön. - Frau Geuter möchte nicht antworten. Dann fahren wir fort. Für die FDP-Fraktion hat Herr Grascha das Wort. Bitte schön!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte anhand dessen, was wir in der HAZ am 25. September vom SPD-Spitzenkandidaten gelesen haben, einen Realitätscheck machen. Dort heißt es, er werde sich für einen „konkreten Abbauplan“ einsetzen.

Für diesen konkreten Abbauplan gibt es nur zwei Möglichkeiten: Entweder fühlt sich die SPDFraktion doch noch bemüßigt, gleich unserem Gesetzentwurf für eine Verfassungsänderung zuzustimmen. Das kann ja passieren. Wir sind gespannt!

Oder - das wäre das Interessante - der SPDSpitzenkandidat weiß gar nicht, was seine Landtagsfraktion hier macht; denn in Ihrem Änderungsvorschlag steht weder etwas von einem Abbaupfad noch von einem „konkreten Abbaupfad“.

Draußen erzählen Sie den Bürgerinnen und Bürgern, dass Sie für den Schuldenabbau sind. Hier drin machen Sie aber das Gegenteil. Das ist einfach Wählertäuschung, meine Damen und Herren!

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)