Protokoll der Sitzung vom 28.09.2012

Ähnliches erleben wir bei der IT-Wirtschaft und bei den kreativen Berufen. Beispielsweise wurden in Berlin Musikangebote neu organisiert. Wir erleben das in Nordhessen, wo sich über 300 Ärzte zusammenschließen und ganz neue, interessante Geschäftsideen auch über das Genossenschaftswesen abwickeln.

Hinter all dem stehen ein neues, gestärktes bürgerschaftliches Engagement und auch bürgerschaftliches Bewusstsein. Herr Hillmer, deshalb ist das nicht nur eine interessante Geschäftsidee, wie ich finde, sondern dahinter steckt auch eine interessante Demokratieidee. Jemand, der sich genossenschaftlich organisiert, will mitwirken. Er will nicht nur Kunde sein, sondern den Zusammenhang zwischen Eigentum und Nutzen ganz konkret für sich entwickeln. Das macht er - darauf haben alle Rednerinnen und Redner hingewiesen - in anderen Zeitläufen als internationale Kapitalbewegungen. Deshalb ist es für eine Gesellschaft verträglicher. Deshalb glaube ich auch, dass die Zukunft unseres Wirtschaftslebens aus drei Komponenten bestehen wird. Die erste ist der private Markt, der einen großen Stellenwert behalten wird, die zweite ist der öffentliche Sektor, und die dritte ist ein ausgebauter genossenschaftlicher Bereich. Diese drei ergeben die Wirtschaft insgesamt.

Ich will auch die kritische Anmerkung von Frau Weisser-Roelle aufnehmen. Sie hat Angst, dass das Grundprinzip des Genossenschaftswesens - jedes Mitglied verfügt über eine Stimme - ausgehebelt werden könnte. Dem ist nicht so, und es ist auch im Gesetz von 2006 nicht nach vorne geschoben worden, sondern dieses Prinzip gilt fort. Allerdings gibt es eine kleine Einschränkung: Für gewerbliche Genossenschaften besteht die Möglichkeit, dass Einzelne mehr als eine Stimme haben. Aber Sie müssen redlicherweise hinzufügen,

dass rechtlich ausgeschlossen ist, dass einzelne Mitglieder einer Genossenschaft diese dominieren können. Das ist nicht möglich. Von daher glaube ich, dass die Restriktionen stark genug sind, um das Genossenschaftswesen in seiner entwickelten Kultur zu behaupten.

Vor dem Hintergrund finde ich es gut, dass die UNO dieses Thema angestoßen hat. Interessant ist, dass von taz über HAZ bis zur Wirtschaftswoche alle berichtet und auch Beispiele dafür aufgezeigt haben, wie vielfältig sich genossenschaftliche Vereine und Unternehmen in Niedersachsen und darüber hinaus darstellen.

Ich finde, wir haben miteinander eine Beschlussempfehlung entwickelt, die diesem Thema hinreichend Rechnung trägt - ein gelungener Text, an dem alle Fraktionen des Hauses mitgearbeitet haben. Herzlichen Dank! Ich stimme mit Überzeugung zu.

(Beifall)

Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor.

Damit kommen wir zur Abstimmung.

Wer der Beschlussempfehlung des Ausschusses folgen und damit den Antrag der Fraktion DIE LINKE in der sich aus der Beschlussempfehlung ergebenden geänderten Fassung annehmen möchte, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Keine. Ich stelle fest: Das war ein einstimmiger Beschluss.

(Zustimmung bei der LINKEN und bei den GRÜNEN)

Ich rufe jetzt den Tagesordnungspunkt 43 auf:

Abschließende Beratung: Handwerk stärken, Fachkräfte sichern: wirtschaftlichen Eckpfeiler im Mittelstandsland Niedersachsen festigen - Antrag der Fraktionen der CDU und der FDP - Drs. 16/4732 - Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr - Drs. 16/5162

Der Ausschuss empfiehlt Ihnen, den Antrag in unveränderter Fassung anzunehmen.

Eine Berichterstattung ist nicht vorgesehen.

Wir treten in die Beratung ein. Der Kollege Bley von der CDU-Fraktion hat sich zu Wort gemeldet. Bitte sehr, Herr Kollege!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist ein tolles Gefühl, wenn man als Abgeordneter der Regierungsfraktionen Wirtschaftspolitiker sein darf.

(Beifall bei der CDU - Kreszentia Flauger [LINKE]: Kosten Sie es noch für ein paar Monate aus!)

Alle Wirtschaftszahlen und -daten sprechen für uns. Beschäftigung, Wachstum, Bildung und Ausbildung sind Aushängeschilder unserer erfolgreichen Politik mit David McAllister an der Regierungsspitze.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Viele Länder beneiden uns um diese Erfolge. Niedersachsen schneidet im Bundesländerranking hervorragend gut ab. Die niedersächsische Wirtschaft ist in den vergangenen beiden Jahren um insgesamt 8,3 % gewachsen. Das Bruttoinlandsprodukt ist in Niedersachsen im ersten Halbjahr 2012 gegenüber 2011 preisbereinigt um 1,6 % gestiegen. Niedersachsen hatte den niedrigsten Arbeitslosenstand in einem August seit 20 Jahren. Pro Arbeitstag entstehen in Niedersachsen 300 neue Arbeitsplätze. In zehn Landkreisen und kreisfreien Städten lag die Arbeitslosigkeit unter 5 %.

An Ausbildungsplätzen fehlt es uns nicht, meine Damen und Herren, aber sie zu besetzen, wird zunehmend schwieriger. Nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit waren in Niedersachsen am 6. August 2012 noch 14 229 Stellen frei, wie seinerzeit die Braunschweiger Zeitung berichtete. Im Jahr 2020 werden vermutlich 10 000 Jugendliche fehlen, um alle Ausbildungsplätze besetzen zu können.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, bei den letzten Umfragen im Handwerk gibt es durchweg zufriedene Angaben. Nur beim Thema Fachkräftegewinnung hat man Sorgen. Vor allem kleinere und mittelständische Unternehmen haben oft massive Schwierigkeiten bei der Suche nach Personal. Dort sind die Anforderungen noch höher, weil die kleinen Betriebe spezialisiert sind, wofür mehr Fachwissen nötig ist. Erschwerend kommt noch hinzu, dass in den nächsten 15 Jahren 50 % der Handwerker in den Ruhestand gehen werden.

Ob es um fehlende Auszubildende oder um zu wenige Fachkräfte geht - wir müssen jetzt gegensteuern. Das tun wir mit dem hier vorliegenden Antrag der Fraktionen der CDU und der FDP.

Meine Damen und Herren, die Landesregierung und insbesondere Bernd Althusmann als zuständiger Minister haben bereits in der Schulpolitik die Weichen dafür richtig gestellt. Es war schön, gestern mit anzuhören, wie Bernd Althusmann und Kai Seefried die weiteren Pläne für die Berufsbildung aufgezeigt haben. Die Einführung der Oberschule, der ProReKo und der offenen Hochschule werden schon bald Früchte tragen.

Wir bitten deshalb die Landesregierung mit unserem Antrag um eine frühzeitige und umfassende Berufsorientierung und um Informationen für Eltern und Jugendliche über die Durchlässigkeit der allgemeinbildenden Schulen. Wir fordern eine klare Präferenz für die duale Ausbildung und werden den unnötigen Wettbewerb zwischen Wirtschaft und Schule begrenzen.

Es gilt, zuerst die Ausbildungsplätze und dann erst die Berufsfachschulen und die Übergangssysteme zu bewerben. Die Anmeldequoten für Berufsfachschulen sollen verringert werden, indem Anmeldetermine nach hinten verschoben werden. Der Teilzeitberufsschulunterricht soll ebenso wie die Erhaltung der kleinen Berufsschulstandorte gesichert werden.

Handwerksverbände und Kammern sollen vermehrt mit eingebunden werden. Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf soll mit familienbewusster und gesundheitsorientierter Unternehmensführung gefördert werden. Auch sollen mehr geeignete Fort- und Weiterbildungsangebote ermöglicht werden.

Abschließend bitten wir in unserem Antrag die Landesregierung darum, zum Erhalt und zur Absicherung einer mittelstandsgerechten Finanzierung beizutragen, wobei Basel III nicht behindern darf.

Meine Damen und Herren, ich möchte an dieser Stelle unserer CDU/FDP-Bundesregierung in Berlin danken. Auch dort wurden zeitgleich mit unserem Antrag wichtige Beschlüsse für die Fachkräftesicherung im Handwerk, aber auch insgesamt gefasst:

Erstens wurde die Blaue Karte eingeführt, um qualifizierten Fachkräften gezielt und unkompliziert den Einstieg in den hiesigen Arbeitsmarkt zu ermöglichen.

Zweitens wurden sechsmonatige Einreisevisa für Arbeitsplatzsuchende eingeführt.

Drittens wurden Aufenthaltserlaubnisse für Deutschland über 18 Monate für Hochschulabsolventen erteilt, damit sie einen adäquaten Arbeitsplatz finden können.

Meine Damen und Herren, wir haben unseren Antrag im Plenum und auch zweimal im Ausschuss beraten und positiv beschieden. Auch die Mitberatung im Kultusausschuss hat stattgefunden. Wir können hier feststellen, dass dabei eine klare Aussage zugunsten der dualen Ausbildung festzustellen war. Allerdings konnte und wollte die Opposition bei den Beratungen im Kultusausschuss die Absicht unseres Antrags nicht erkennen. Vielmehr unterstellte man uns, den Fraktionen der CDU und der FDP, wir hätten Angst davor, dass die Berufsfachschulen der Wirtschaft die Bewerber streitig machen. Ich denke, das ist Fakt. Deshalb machen wir diesen Antrag und diese Veränderungen.

Dass es einen Wettbewerb zwischen Schule und Wirtschaft gibt, sollte auch für die Opposition unschwer zu erkennen sein. Die Ausführungen einer Oppositionsfraktion im mitberatenden Kultusausschuss belegen ganz klar, dass diese Fraktion nicht zu der dualen Ausbildung, sondern zur vollzeitschulischen Ausbildung steht.

(Enno Hagenah [GRÜNE] und Ina Korter [GRÜNE]: Wie bitte?)

Die Fraktionen der CDU und der FDP stehen eindeutig zu Wirtschaft, Handwerk und Industrie und damit zu einer zeitlich nach hinten verschobenen Bewerbung und Anmeldung an den Berufsfachschulen. Auch fordern das Handwerk mit seinen über 500 000 Mitarbeitern in 80 000 Betrieben sowie der Niedersächsische Industrie- und Handelskammertag mit Schreiben vom 16. Juli 2012 eine Rückführung der Übergangsangebote. Auch der Landkreis Osnabrück hat dies kurz geschrieben. Die Schriftstücke, die ich hier zeige, können Sie sich gerne anschauen. Ich kann sie Ihnen nachher gerne zeigen. Das Handwerk insgesamt, der Niedersächsische Handwerkstag, aber auch der NIHK sowie die Kommunen wie der Landkreis Osnabrück haben uns ein solches Schreiben übersandt.

Ich darf Sie bitten, meine Damen und Herren Abgeordnete, diesem Antrag zuzustimmen.

Danke schön.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Für die SPD-Fraktion hat sich Herr Schneck zu Wort gemeldet. Herr Schneck, Sie haben jetzt das Wort.

Herr Präsident! Sehr verehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die CDU treibt das Thema Fachkräftemangel um. So könnte man denken, wenn man die Überschrift Ihres Antrags liest. Doch leider ist die Überschrift schon das Gehaltvollste. Gerade auch das, was wir eben gehört haben, könnte man unter dem Begriff „metaphysische Holzwolle“ zusammenfassen.

(Ernst-August Hoppenbrock [CDU]: Hast du nicht zugehört?)

Mit diesem Antrag machen Sie wieder einmal deutlich, dass Probleme erst jahrelang verschlafen werden und dass dann nichts geschieht, um sie zu lösen.

(Beifall bei der SPD - Heinz Rolfes [CDU]: Was sollen diese Plattheiten? Haben Sie sonst nichts zu tun?)

Wir freuen uns ja schon immer, wenn Sie wenigstens einmal Probleme erkennen. Aber wir und mit uns die Mehrheit der Menschen in Niedersachsen haben längst aufgegeben, darauf zu hoffen, dass von Ihnen geeignete Lösungsvorschläge kommen.

(Beifall bei der SPD - Heinz Rolfes [CDU]: Mein Gott! Wer berät Sie bloß?)

Als wir in den vergangenen Jahren das Thema Fachkräftemangel und Probleme bei der Ausbildung angesprochen haben, wollten Sie es nicht wahrhaben. Nun stehen Sie wieder einmal vor der Situation, keine Antworten zu haben.

Wir wären ja gerne bereit, mit Ihnen über beste Lösungswege zu streiten. Aber Sie haben nicht einmal eine Idee. Es bleibt bei Ihnen wieder einmal bei reinen Allgemeinplätzen. Wenn Sie schon bei uns abschreiben, dann sollten Sie auch unsere Forderungen mit übernehmen. Damit wäre allen geholfen, sehr verehrte Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD)

Das Handwerk und die Ausbildung sind uns wichtig. Als SPD stehen wir voll und ganz hinter der dualen Berufsausbildung. Das Handwerk spielt dabei eine lobenswerte Rolle. Ich möchte mich an dieser Stelle bei allen bedanken, die ausbilden.