Protocol of the Session on November 7, 2012

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Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, trotz meiner langjährigen - teilweise negativen - Erfahrungen mit mehrheitlichem Abstimmungsverhalten bin

ich gespannt und gebe die Hoffnung nicht auf, dass Ihr Selbsterhaltungswille Ihrer Klugheit einen Schubs gibt. Springen Sie über Ihren Schatten! Machen Sie einen Schritt vorwärts! Stimmen Sie unserem Gesetzentwurf zu!

(Beifall bei der SPD)

Das war eine Punktlandung, Frau Kollegin. - Nächste Rednerin ist Frau Flauger von der Fraktion DIE LINKE. Bitte sehr, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube, niemand in diesem Saal könnte eine Jahreszahl nennen, wann der Kampf für die Gleichstellung der Geschlechter in unserer Gesellschaft begonnen hat. Aber wir alle wissen, dass dieser Kampf schon lange währt. Trotz gewisser Fortschritte haben wir Gleichstellung noch lange nicht erreicht.

Es gab aber ein paar Verbesserungen in Niedersachsen. Dann jedoch kam eine schwarz-gelbe Landesregierung und trampelte das zarte Pflänzchen wieder platt. Beispielhaft will ich nur die Reduzierung der Pflichtstellen für Gleichstellungsbeauftragte in den Kommunen von 137 auf 155 und die Streichung der Regelungen zur Bekämpfung sexueller Belästigung am Arbeitsplatz nennen.

Sie, meine Damen und Herren von der CDU und von der FDP, reduzieren Frauenpolitik leider auf die Frage der Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Das hat auch schon die erste Beratung im Juni gezeigt. Sie begründen das damit, dass Fachkräftemangel droht. Dabei glaube ich persönlich, dass dieser „Fachkräftemangel“ nur ein anderer Begriff dafür ist, dass das Szenario droht, dass es mal wieder sein könnte, dass sich Firmen mit guten Arbeitsbedingungen und guten Löhnen um Arbeiternehmerinnen und Arbeitnehmer bemühen müssten. - Aber sei es drum.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Das ist Ihr Motiv dafür, dass Sie an manchen Stellen versuchen, Verbesserungen für Frauen im Arbeitsleben oder auch bei der Frage der Unterbringung von Kindern zu erreichen. Ihr Motiv ist nicht, dass Sie wirklich aus einer inneren Einstellung heraus wollen, dass alle Menschen, unabhängig vom Geschlecht, die gleichen Möglichkeiten der Teilhabe in allen Bereichen des Lebens

haben. Sie wollen das Frauenpotenzial aus reinen wirtschafts- und arbeitsmarktpolitischen Gründen nutzen.

Meine Damen und Herren von CDU und FDP, Frauenpolitik ist aber mehr als die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Gleichstellung wird auch nicht erreicht, indem man alles laufen lässt und sich in politischer Verantwortung nicht kümmert bzw. erwartet, dass es der Markt oder sonst wer irgendwie selbst regelt. Und es ist auch nichts gewonnen, wenn man - wie es die Kollegin Mundlos im Juni getan hat - Frauenpolitik als Sozialromantik abstempelt.

(Heidemarie Mundlos [CDU]: Das ha- be ich nicht getan!)

Deshalb ist es richtig, dass die SPD hier einen Gesetzentwurf vorlegt, mit dem ein paar Verbesserungen erzielt werden könnten.

Ich will noch einmal ausdrücklich die Wiedereinführung der Regelung zur Bekämpfung sexueller Belästigung am Arbeitsplatz erwähnen. Mehr als die Hälfte aller Frauen hat sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz selbst erfahren. Da gibt es absolut Handlungsbedarf, und vor diesem Hintergrund ist es mir unbegreiflich, dass die CDU und die FDP die Regelungen dazu im Gesetz gestrichen haben. Sie können das an dieser Stelle rückgängig machen.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren, es wäre natürlich mehr denkbar, als jetzt im Gesetzentwurf steht. Ich denke z. B. an ein Einspruchsrecht der Gleichstellungsbeauftragten zu den Gleichstellungsplänen. Aber die Forderungen sind richtig, und es ist ein Skandal, dass CDU und FDP bisher nicht einmal das wollen.

Springen Sie über Ihren Schatten! Wir jedenfalls werden die Ausschussempfehlung ablehnen.

(Zustimmung bei der LINKEN und bei den GRÜNEN)

Für die FDP-Fraktion hat jetzt der Kollege Riese das Wort. Bitte schön!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es gibt ja für vieles, was wir hier tun, einen rechtlichen Rahmen, den wir gar nicht selber setzen, sondern der über unserem Handeln steht.

In Fragen der Gleichstellung ist das die EU-Richtlinie 2002/73 mit der Arbeitsüberschrift „Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Frauen und Männern“. Dieser Richtlinie folgt das allgemeine Gleichbehandlungsgesetz des Bundes. Wir sind uns ja darüber klar, dass niedersächsische Rechtsetzung nicht in einem Gegensatz zu dem einen oder dem anderen stehen darf, sondern sich in dem rechtlichen Rahmen bewegen muss.

In Artikel 8 b Abs. 3 der erwähnten Richtlinie der EU heißt es folgendermaßen:

„Die Mitgliedstaaten ersuchen in Übereinstimmung mit den nationalen Gesetzen, Tarifverträgen oder Gepflogenheiten die Arbeitgeber, die Gleichbehandlung von Frauen und Männern am Arbeitsplatz … in geplanter und systematischer Weise zu fördern.“

Das ist der Geist der Richtlinie, und die SPD fordert in dem hier vorliegenden Gesetzentwurf:

„Nach Maßgabe dieses Gesetzes werden Frauen gefördert, um bestehende Benachteiligungen abzubauen.“

- Lobenswert, aber eine positive Diskriminierung, bei der die rechtliche Zulässigkeit für mich höchst zweifelhaft ist. Zumindest ist es ein glatter Verstoß gegen Buchstaben und auch Geist der Richtlinie.

Außerdem steht der erwähnte Satz aus dem Gesetzentwurf aus den zuvor genannten Gründen in einem wirklich schwierigen Spannungsverhältnis zum allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz des Bundes.

Meine Damen und Herren, die SPD - das hat Frau Groskurt gerade in einem Nebensatz mitschwingen lassen - will die Kammern dazu zwingen, Gleichstellungsbeauftragte einzustellen. Sie will die Kammern unter die Knute dieses Gesetzes zwingen: mit einer exakt 50-prozentigen Besetzung mit Männern und Frauen, und zwar auch in Dienststellen mit 13 Mitgliedern, also mit einer ungeraden Zahl, wo das rein physikalisch schon gar nicht geht.

Wir haben das im Jahr 2010 hier alles durchdebattiert, als wir das wirklich vorteilhafte, gegenwärtig geltende Niedersächsische Gleichstellungsrecht kodifiziert haben. Sie wollen die Kammern zwingen. Dafür werden die sich bei Ihnen sicherlich bedanken. Außerdem steht das im Widerspruch zu

dem, was Sie in Ihrem eigenen Wahlprogramm schreiben. Da heißt es nämlich:

„Im Dialog mit Unternehmen werden wir für die Gleichstellung der Geschlechter in der Privatwirtschaft zukunftsweisende Vereinbarungen erarbeiten.“

So wäre es richtig. Sie handeln anders. Das werden wir den Leuten draußen sagen.

Wenn Sie in der SPD klug wären, würden Sie Ihren eigenen Gesetzentwurf ablehnen, weil er zu den in Ihrem im Wahlprogramm formulierten Grundsätzen im Widerspruch steht.

(Zustimmung bei der FDP und bei der CDU)

Jetzt hat Frau Staudte für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort. Bitte sehr!

Sehr geehrter Herr Präsident! Wir Grünen unterstützen selbstverständlich den SPD-Gesetzentwurf zur Reform des NGG.

Ich glaube, es ist deutlich geworden, dass wir noch sehr weit von dem Ziel entfernt sind, die Unterrepräsentanz von Frauen in der öffentlichen Verwaltung zu beseitigen.

(Roland Riese [FDP]: Gilt das auch für den mittleren Dienst?)

- Wenn das auch für die Landesliste der FDP gälte, wäre das wirklich einmal ein Fortschritt.

(Heiterkeit Beifall bei den GRÜNEN und bei der LINKEN - Roland Riese [FDP]: Meine Frage war: Gilt das auch für den mittleren Dienst?)

Wir Oppositionsfraktionen haben 2010 einen gemeinsamen Änderungsantrag zur Novelle des NGG eingebracht. Es gibt einige wenige Aspekte - Frau Flauger hat es schon angesprochen -, die wir im jetzt vorliegenden Gesetzentwurf der SPDFraktion vermissen. Einer ist die Stärkung der Gleichstellungsbeauftragten. Das ist für uns der Dreh- und Angelpunkt. Es geht nicht darum, dass man Dinge nur festschreibt, sondern es bedarf auch immer der Leute, die sich um die Umsetzung bemühen und dafür streiten.

Bei den anderen Forderungen, Frau Groskurt, sind wir absolut auf Ihrer Linie.

Der Gesetzentwurf arbeitet die unterschiedlichen Positionen von Landesregierung und der sie tragenden Fraktionen sowie der Oppositionsfraktionen heraus. Das zeigt sich, wenn man die Begriffe „Gleichberechtigung“ und „Gleichstellung“, die hier auch streitig gestellt werden, analysiert. Bei der Gleichberechtigung geht es darum, dass man die gleichen Startchancen hat, während es bei der Gleichstellung darum geht, dass man auch guckt, ob alle im Ziel ankommen.

(Zustimmung von Stefan Wenzel [GRÜNE])

Das macht deutlich, wo hier die Unterschiede liegen. Es geht nicht nur darum, dass man die gleichen Rechte hat. Das hört sich toll an. Aber Sie wissen alle, Rechte haben und Rechte bekommen, ist nicht immer dasselbe.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wir wollen, dass die Zielgröße wieder bei 50 % liegt, nicht bei 45 % und dann bei 55 %. Wir wollen, dass das Thema „Vereinbarkeit von Familie und Beruf“ nicht nur ein Thema für Frauen, sondern auch für Männer ist. Dazu müssen wir uns auch die Teilzeitquoten angucken. Es kann nicht sein, dass 90 % der Teilzeitstellen von Frauen besetzt sind. Wir werden sehen, ob Männer in die Familienarbeit einsteigen, wenn wir da annähernd gleiche Quoten haben.

Wir wollen, dass das Gesetz auch für Selbstverwaltungskörperschaften wie die Kammern gilt. Ich glaube, das ist wirklich überfällig.

Also, das Ganze ist keine Knute, sondern höchstens ein leichter Zwang zum eigenen Glück.