Protokoll der Sitzung vom 07.11.2012

In einem haben Sie recht, Frau Wanka: Die Frage von Studiengebühren ist keine Glaubensfrage, sondern eine Überzeugungsfrage. Dazu möchte ich festhalten: Wir haben hier grundlegend unterschiedliche Überzeugungen. Ihre Überzeugung ist: Ein Studium sollen sich diejenigen leisten könnten,

die es finanzieren können, die anderen vielleicht, wenn sie einen Kredit dafür aufnehmen. Unsere Überzeugung ist: Die Bildung in einem Studium ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die die Gesellschaft als Ganzes zu finanzieren hat.

Deswegen werden wir dieses Thema gleich zu Anfang der nächsten Legislaturperiode wieder auf den Tisch bringen. Dann werden die Studiengebühren abgeschafft, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der LINKEN)

Jetzt hat die nächste Rednerin für zweieinhalb Minuten das Wort, nämlich Frau Dr. Andretta für die SPD-Fraktion. Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Not, Frau Ministerin, muss groß sein, wenn jetzt schon mein Kollege Oppermann als Kronzeuge angeführt wird. Herr Oppermann hat damals Marx nicht verstanden, und er hat heute Marx nicht verstanden.

(Beifall bei der LINKEN - Zustimmung bei der CDU - Heiterkeit bei allen Fraktionen)

Aber Herr Klare, ich hätte zumindest von Frau Ministerin Wanka erwartet, dass es bei ihr zu mehr als für den Griff in die Zitatensammlung reicht und dass sie Marx nicht nur gelesen, sondern vielleicht auch verstanden hat. Aber offenbar war auch das ein Irrtum.

Einen Punkt, Frau Wanka, finde ich wirklich zynisch. Wenn wir wissen, dass diese wunderbaren Kredite, die Sie anbieten, nicht in Anspruch genommen werden, und Sie hier lapidar anmerken, na ja, es sei ja bequemer, das Geld von Papa zu nehmen: Können Sie sich vorstellen, liebe Kolleginnen und Kollegen von CDU und FDP, dass es Eltern gibt, die das Geld nicht aufbringen können, die das einfach nicht in ihrem Geldbeutel haben? Können Sie sich vorstellen, dass diese Eltern, die keine akademische Tradition haben, nicht wollen, dass sich ihre Kinder für eine ungewisse berufliche Zukunft verschulden, weshalb sich die Kinder dann für eine Berufsausbildung entscheiden? - Wir sagen: Wir wollen allen Talenten ein Studium ermöglichen. Deshalb werden wir die Studiengebühren abschaffen.

(Beifall bei der SPD)

Ich stelle fest, es liegen keine weiteren Wortmeldungen zu dem Tagesordnungspunkt 2 d vor.

Ich eröffne damit die Besprechung zu Tagesordnungspunkt 2 e:

Sicherheit für die Bevölkerung - Sicherungsverwahrung für Schwerverbrecher - Antrag der Fraktion der CDU - Drs. 16/5365

Zu diesem Punkt hat sich Herr Dr. Biester für die CDU-Fraktion zu Wort gemeldet. Ich erteile Ihnen das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Für die CDU-Fraktion ist die Sicherungsverwahrung ein unverzichtbares Instrument, um die Sicherheit der Menschen in Niedersachsen zu gewährleisten.

(Zustimmung bei der CDU)

In Niedersachsen gibt es um die 30 Gewaltverbrecher, von denen ein Risiko weiterer schwerer Straftaten ausgeht. Hier ist kein Platz für Sozialromantik, sondern hier geht es um Leben und Gesundheit potenzieller Opfer.

(Zustimmung bei der CDU)

Die Sicherungsverwahrung ist durch das Bundesverfassungsgericht rechtsstaatlich anerkannt. Sie wird von unabhängigen Gerichten verhängt. Sie wird immer wieder auf der Grundlage eingeholter Sachverständigengutachten auf ihre Notwendigkeit überprüft. Insofern ist sie ein rechtsstaatliches Instrument.

Bisher wurde dieses Instrument nur von den Linken infrage gestellt. Damit können wir leben. Mit den anderen Parteien dagegen diskutieren wir zurzeit sehr intensiv über unseren Gesetzentwurf zum Vollzug der Sicherungsverwahrung. Während dieser Diskussion hat sich herausgestellt, dass das Instrument der Sicherungsverwahrung als solches von den anderen Parteien bisher eigentlich nicht infrage gestellt worden ist.

Wir diskutieren über Details, wie sich der Vollzug gestalten soll. Die Grünen möchten, dass es im Vollzug der Sicherungsverwahrung Alkohol geben kann. Von Teilen der Opposition habe ich sogar gehört, dass man sich die Sicherungsverwahrung im Vollzug so vorstellt, dass die Sicherungsverwahrten eigentlich alles das tun können, was man

auch in Freiheit tun kann, nur dass man rund um die Anstalt herum eine ganz hohe Mauer baut. Das sehen wir natürlich völlig anders. Aber im Kern waren wir uns bisher darüber einig, dass wir eine Sicherungsverwahrung brauchen.

Deshalb hat es uns schon sehr verwundert - deshalb auch dieser Antrag zur heutigen Aktuellen Stunde -, dass sich die Verwaltungsjuristin aus Hamburg, die aus der Sicht der Opposition ihre Justizministerin werden würde, gegen das Instrument der Sicherungsverwahrung erklärt hat. Dabei handelte es sich auch nicht um einen Ausrutscher bei ihrer Präsentation, sondern das hat sie schon früher mehrfach gesagt. Insofern ist das nur eine Wiederholung, eine Fortsetzung der Kette von Äußerungen, die sie zuvor schon schriftlich und mündlich abgegeben hatte.

Diejenigen, die sie kannten, und diejenigen, die sie ausgesucht haben, wussten also, wie diese Dame über die Sicherungsverwahrung denkt. Das erschreckt uns sehr. Dagegen werden wir uns mit massivem Widerstand zur Wehr setzen.

Wir haben die heutige Aktuelle Stunde beantragt, um festzustellen, wie die SPD-Fraktion und insbesondere ihre Rechtspolitiker zu dieser Frage stehen; denn deren Äußerungen zum Thema Sicherungsverwahrung haben wir bisher völlig anders verstanden. Wer sich so wie Ihre Schattenministerin äußert, spielt mit der Gesundheit von potenziellen Opfern von Schwerverbrechern, deren Gefährlichkeit bekannt ist. Das ist Täterschutz statt Opferschutz.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Der Glaube, meine Damen und Herren, man möge nur genug therapieren, dann sei die Sicherungsverwahrung überflüssig, ist ein naiver Irrglaube. Die Praxis zeigt, dass es Therapieunwillige oder Therapieunfähige gibt. Das wird auch in Zukunft so bleiben, ganz gleich, wie viele Therapien angeboten werden. Deshalb ist die Sicherungsverwahrung für uns unverzichtbar.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Die nächste Wortmeldung kommt von Herrn Professor Zielke für die FDP-Fraktion. Sie haben das Wort. Bitte!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sicherungsverwahrung für Schwerverbrecher: Was ein

Schwerverbrecher ist, ist als Terminus technicus nicht festgelegt. Dennoch hat Otto Normalbürger davon eine recht klare Vorstellung. Notorische Hühnerdiebe gehören wohl kaum dazu, ebensowenig Straftäter mit gewaltlosen Vermögensdelikten als Hauptstraftat.

Bis vor wenigen Jahren gab es etliche Sicherungsverwahrte wegen solcher Delikte. Insofern ist es gut, dass schon die Überschrift dieses Antrages zur Aktuellen Stunde den Kreis der Sicherungsverwahrten bzw. der zu Verwahrenden so einschränkt, wie es das Bundesgesetz aus dem Jahr 2011 erstmals getan hat, nämlich auf Schwerverbrecher.

Erlauben Sie, dass ich jetzt ein wenig holzschnittartig formuliere. Wer einen einfachen Mord begeht, wird zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt. Faktisch bedeutet dies, dass nach 15 Jahren Haft eine Aussetzung der Strafe in Betracht gezogen werden kann. Bei jemandem, der einen besonders heimtückischen Mord verübt, kann zu der lebenslangen Freiheitsstrafe die Feststellung der besonderen Schwere der Schuld kommen.

(Hans-Henning Adler [LINKE]: Falsch! Heimtücke ist Mordmerkmal!)

Faktisch bedeutet dies, dass die Zeit, bis eine Haftentlassung ins Auge gefasst werden kann, deutlich länger ist als ohne die besondere Schwere der Schuld. Wer ganz abscheuliche Verbrechen begeht, für den kann nach der Verbüßung der eigentlichen Haftstrafe die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung angeordnet werden.

Das finden die meisten Menschen wohl richtig: Je schlimmer die Tat, desto schärfer die Sanktion. Sie empfinden die Sicherungsverwahrung als zusätzliche Sanktion.

Jetzt wird es kompliziert. Das Bundesverfassungsgericht hat 2004 geurteilt, die Sicherungsverwahrung sei keine Sanktion im Hinblick auf die Tat - also eine Strafe -, sondern eine Sanktion zum Schutze der Gesellschaft vor dem Täter, also etwas, was der Täter wegen seiner Allgemeingefährlichkeit ertragen bzw. leider hinnehmen müsse. Mit dieser scharfen, geradezu dichotomischen Trennung zwischen Strafhaft und Sicherungsverwahrung hat sich das Verfassungsgericht vom Sanktionsempfinden der meisten Bürger vermutlich eher entfernt als ihm angenähert.

Recht und Rechtsempfinden sind dem gesellschaftlichen Wandel unterworfen. Das Bundesverfassungsgericht ist eine der wichtigsten Institutio

nen, die unser Recht weiterentwickeln. Aber das Recht sollte immer auch das Rechtsempfinden der Menschen widerspiegeln.

In voller Konsequenz des Urteils von 2004 hat das Bundesverfassungsgericht 2012 gefordert, oberstes Ziel aller vollzuglichen Bemühungen müsse die Beseitigung dieser Allgemeingefährlichkeit sein, also die Therapie, damit der Täter, wenn dieses Ziel erreicht sei, entlassen werden könne.

Als rechtstreuer Teil des Staates werden wir diese Maxime mit dem Niedersächsischen Gesetz zum Vollzug der Sicherungsverwahrung umsetzen, das wir derzeit im Rechtssausschuss beraten. Wir sind auf gutem Wege und behalten dabei die Realitäten des Vollzugs im Blick. Abstriche an der Sicherheit der Bevölkerung wird es mit uns nicht geben.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Für die Fraktion DIE LINKE hat sich Herr Adler zu Wort gemeldet. Sie haben das Wort, Herr Adler.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe mich gefragt, was die CDU geritten hat, auf dieses Thema zu setzen. Haben Sie nicht mitbekommen, dass Sie in der Vergangenheit zu diesem Thema zwei klatschende Ohrfeigen bekommen haben?

Die erste Ohrfeige kam vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte und die zweite Ohrfeige vom Bundesverfassungsgericht, was Ihre bisherige Ausgestaltung der Sicherungsverwahrung betraf.

(Zustimmung bei der LINKEN und von Helge Limburg [GRÜNE])

Nach der ersten Ohrfeige hat Justizminister Busemann noch laut gegenüber der Presse getönt: Ich lasse keinen heraus.

(Jens Nacke [CDU]: So ist es!)

Er hatte darauf gehofft, dass das Bundesverfassungsgericht seinen Standpunkt bekräftigen würde. Es ist aber genau das Gegenteil eingetreten. Das Bundesverfassungsgericht ist noch weit über den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte hinausgegangen und hat Folgendes gesagt. Ich zitiere das wörtlich. Das zeigt, wie unsinnig es war, als Herr Dr. Biester eben von Täterschutz gespro

chen hat. Das Bundesverfassungsgericht hat gesagt: