Protokoll der Sitzung vom 18.09.2008

Zu 2: Es gibt keine fachlichen Gründe für die Verweigerung des Baues einer Sporthalle der JVA Hannover. Angesichts des nicht nur in der JVA Hannover, sondern im gesamten niedersächsischen Justizvollzug bestehenden Sanierungsbedarfes sind wegen der nicht unbegrenzt zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel Prioritäten zu setzen. Gegenwärtig hat die Sanierung von Unterkunftsbereichen und zwingend erforderlichen Versorgungseinrichtungen Vorrang vor durchaus wünschenswerten anderen Neubauten.

Zu 3: Über die Bauunterhaltung hinaus, die in Zusammenarbeit mit dem Staatlichen Baumanagement Hannover jährlich eine Vielzahl von Maßnahmen vorsieht und deren Prioritäten zwischen der Bauverwaltung und der JVA Hannover festgelegt werden, steht in den nächsten Jahren der Neubau der Anstaltsküche an. Darüber hinaus steht auf der Prioritätenliste für die JVA Hannover die Sanierung der Hafthäuser 2 und 3. Hierbei handelt es sich ebenfalls um große Neu-, Um- und Erweiterungsmaßnahmen mit einem Kostenvolumen von jeweils über 5 Millionen Euro, die zur Mittelfristigen Planung angemeldet werden müssen. Die Anmeldung zur Mittelfristigen Planung jedoch kann nicht isoliert für die JVA Hannover betrachtet werden, sondern muss den landesweiten Bedarf des Justizvollzuges berücksichtigen. Die vollzugsinterne Prioritätenliste sieht hier an erster Stelle den dringend erforderlichen Neubau

der Anstaltsumwehrung und des Pfortengebäudes der JVA Vechta vor. Diese Maßnahme ist für das Jahr 2009 angemeldet. An nächster Stelle stehen zum einen der Neubau einer Küche für die JVA Vechta-Frauen und die Sanierung eines Hafthauses der JVA Wolfenbüttel.

Anlage 40

Antwort

des Justizministeriums auf die Frage 42 der Abg. Abgeordnete Dr. Gabriele Andretta, Marco Brunotte, Marcus Bosse, Grant Hendrik Tonne, Dörthe Weddige-Degenhard und Stefan Politz (SPD)

Projekt BASIS - Integrative Entlassungsvorbereitung aus dem Jugendvollzug - Was plant die Niedersächsische Landesregierung?

Gemeinsam haben die Abteilung Offener Jugendvollzug Göttingen der Justizvollzugsanstalt Rosdorf und die Jugendhilfe Göttingen vor mehr als sechs Jahren das Projekt BASIS (Be- gleitung, Ambulant, Stationär, Integrativ, Sub- jektiv) initiiert. Durch das Projekt BASIS ist es gelungen, die Rückfallquote der entlassenen Jugendlichen signifikant zu senken. Dieser Erfolg bei der Resozialisierung der Jugendlichen in die Gesellschaft geht insbesondere auf eine individuelle Betreuung sowie auf ein spezielles Training in realen Lebensfeldern zurück. So werden die Jugendlichen noch während der Haftzeit an ihrem zukünftigen Heimatort durch die bisherigen, gewohnten Bezugspersonen betreut. Gleichzeitig werden Kontakte zu den künftigen vor Ort zuständigen Ansprechpartnern, wie dem Jugendamt, der Bewährungshilfe oder auch dem zukünftigen Arbeitgeber, geknüpft. Die in der Regel unmittelbar nach der Entlassung entstehende Versorgungslücke, die durch den abrupten Wechsel der zuständigen Bezugspersonen oder -einrichtungen bedingt ist, wird somit vermieden. Einer Überforderung der Jugendlichen mit der neuen Situation in Freiheit und einem damit verbundenen Rückfall in die Kriminalität wird hierdurch erfolgreich entgegengewirkt.

Unter Kenntnis dieser Tatsachen fragen wir die Landesregierung:

1. Wie beurteilt die Landesregierung das Projekt BASIS?

2. Wie hoch ist die Rückfallquote im Jugendstrafvollzug in Niedersachsen im Allgemeinen und bei den Teilnehmern des Projekts BASIS im Speziellen?

3. Ist ein Ausbau des Projekts BASIS am Standort Göttingen oder weiteren Standorten geplant?

Das Projekt BASIS ist vor mehreren Jahren von der Abteilung Offener Jugendvollzug der JVA Rosdorf und dem Verein Jugendhilfe e. V. in Göttingen entwickelt worden. Im September 2005 ist es mit dem Deutschen Förderpreis Kriminalprävention durch den Herrn Bundespräsidenten ausgezeichnet worden: Eine vollzugsinterne Evaluationsstudie hatte seinerzeit ergeben, dass 16 Monate nach der Entlassung keiner der Projektteilnehmer erneut verurteilt worden war. Auch wenn für weitreichende Aussagen dieser Untersuchungszeitraum zu kurz war, deutete sich mit diesem Ergebnis die erhoffte rückfallvermindernde Wirkung des Projekts an.

Leider gibt es bis heute keine regelmäßigen systematischen Rückfallstudien, die einen methodisch sicheren Vergleich zwischen Gefangenen, die an spezifischen Behandlungsmaßnahmen teilnehmen, und anderen Gefangenen erlauben. Die Landesregierung hat sich in den letzten Jahren mehrfach bei Justizministerkonferenzen und in unmittelbaren Schreiben an die Bundesjustizministerin für eine periodische bundesweite Rückfallstatistik, die auf der Grundlage der Daten des Bundeszentralregisters länderspezifische Aussagen erlaubt, eingesetzt. Wann mit verlässlichen Rückfalldaten zu rechnen ist, ist zurzeit noch nicht absehbar.

Dies vorausgeschickt, beantworte ich namens der Landesregierung die Fragen wie folgt:

Zu 1: Das Projekt BASIS ist nach Auffassung der Landesregierung ein geeignetes und offensichtlich erfolgreiches Projekt des Übergangsmanagements im offenen Jugendvollzug. BASIS ist nicht mehr in der Erprobungsphase, sondern gehört zum festen und dauerhaften Behandlungsangebot des offenen Jugendvollzugs.

Zu 2: Verlässliche Ergebnisse hierzu liegen nicht vor; ich verweise auf die Vorbemerkung: „Die“ Rückfallquote im Jugendstrafvollzug wäre allerdings auch bei einer länderspezifischen systematischen Rückfallstatistik nicht aussagekräftig und für Vergleiche geeignet. Beispielsweise sind Rückfallquoten im geschlossenen Jugendstrafvollzug erfahrungsgemäß höher als im offenen Jugendvollzug; dies liegt jedoch weniger an der mangelnden Wirksamkeit der Behandlungsmaßnahmen im geschlossenen Vollzug als vielmehr an der unterschiedlichen Kriminalitätsbelastung der in den geschlossenen bzw. in den offenen Vollzug eingewiesenen Gefangenenklientel.

Neuere und verlässliche Erkenntnisse über die Rückfallquote der Teilnehmer aus dem Projekt BASIS liegen nicht vor.

Zu 3: Die Landesregierung prüft zurzeit im Zusammenwirken mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des offenen Jugendvollzuges in Göttingen, ob eine Erweiterung des Teilnehmerkreises am Behandlungsprogramm erforderlich und möglich ist.

Anlage 41

Antwort

des Ministeriums für Soziales, Frauen, Familie und Gesundheit auf die Frage 43 der Abg. Gesine Meißner (FDP)

Zunahme der Zahl der Inobhutnahmen und Sorgerechtsentzüge in Niedersachsen - Besserer Kinderschutz seit Einführung des § 8 a SGB VIII?

Die öffentliche Diskussion über den Schutz von Kindern steht meist im Zusammenhang mit besonders schwerwiegenden Fällen von Misshandlung und Vernachlässigung. Bei diesen Fällen werden teilweise auch Versäumnisse der örtlichen Jugendhilfebehörden kritisiert. Zahlen des Statistischen Bundesamtes zeigen aber, dass die Interventionen durch die Jugendämter in Form von Inobhutnahmen wie auch weitergehende Interventionen durch die Familiengerichte in Form von Sorgerechtsentzügen bundesweit zugenommen haben. Dabei könnte die Einführung des § 8 a SGB VIII im Jugendhilferecht eine Rolle spielen, der den Schutzauftrag bei gewichtigen Anhaltspunkten für eine Kindeswohlgefährdung konkretisiert. Dadurch sollte bei im Bereich der Jugendhilfe tätigen Behörden, Einrichtungen und Diensten die Aufmerksamkeit für mögliche Kindeswohlgefährdungen erhöht werden. Dies könnte neben einer Zunahme der Zahl angebotener Hilfen auch zu einer Zunahme der Zahl der Interventionen geführt haben. Der § 8 a SGB VIII ist am 1. Oktober 2005 in Kraft getreten. Die Entwicklung der Zahl der Inobhutnahmen und Sorgerechtsentzüge in Niedersachsen seit 2004 könnte daher ein Anhaltspunkt dafür sein, dass in der Folge auch konsequenter auf mögliche Kindeswohlgefährdungen reagiert wurde.

Vor diesem Hintergrund frage ich die Landesregierung:

1. Wie hat sich die Zahl der Inobhutnahmen in Niedersachsen seit 2004 entwickelt?

2. Wie hat sich die Zahl der Sorgerechtsentzüge in Niedersachsen seit 2004 entwickelt?

3. Sind diese Zahlen aus Sicht der Landesregierung Ausdruck einer erhöhten Aufmerksamkeit für Kindeswohlgefährdungen sowohl vonseiten der Jugendhilfe als auch von anderen Einrichtungen seit Inkrafttreten des § 8 a SGB VIII?

Der Schutz der Kinder und Jugendlichen ist eine der wichtigsten Aufgaben von Politik und Gesellschaft. Für die Niedersächsische Landesregierung hat der Kinderschutz hohe Priorität. Neben der Förderung von 19 Beratungsstellen im Bereich Gewalt gegen Kinder sowie der Kinderschutzzentren in Hannover und Oldenburg hat die Niedersächsische Landesregierung für einen wirksamen und effektiven Kinderschutz vielfältige und ineinander greifende Maßnahmen ergriffen, insbesondere:

- Seit Sommer 2007 wird an vier ausgewählten Standorten das Modellprojekt „Koordinierungszentren Kinderschutz - Kommunale Netzwerke Früher Hilfen“ umgesetzt.

- 150 ausgebildete Familienhebammen helfen überforderten Müttern und Vätern bereits vor der Geburt. Zusätzlich bietet das Präventionsprojekt „Pro Kind“ seit Ende 2006 Unterstützungs- und Beratungsleistungen an.

- Zur Verbesserung der Zusammenarbeit der Kinder- und Jugendhilfe mit den Familiengerichten startet in Kürze eine gemeinsame Fortbildungsreihe für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

- Seit 2006 werden Weiterbildungsmaßnahmen zur Qualifizierung im Kinderschutz ausgeschrieben. Mittlerweile sind 175 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Kinder- und Jugendhilfe zur Kinderschutzfachkraft ausgebildet worden. Mit der Fortbildungsoffensive und der Fortbildungsreihe zum Schutzauftrag bei Kindeswohlgefährdung stehen weitere Weiterbildungsangebote zur Verfügung.

- Mit dem Gesetzesentwurf zur Förderung der Gesundheit und Verbesserung des Schutzes von Kindern in Niedersachsen befindet sich die Einführung eines verbindlichen Einlade- und Meldewesens in Vorbereitung.

- Über Veröffentlichungen, wie z. B. die Broschüre „Kindesvernachlässigung“ und den Leitfaden „Gewalt gegen Kinder“, und durch das Internetportal www.kinderschutz-niedersachsen.de werden hilfreiche Kontaktadressen und Informationsmaterialien Hilfesuchenden und Fachkreisen leicht zugänglich zur Verfügung gestellt.

Die Inobhutnahme eröffnet als vorläufige Krisenintervention zum Schutz des Kindes oder Jugendlichen dem Jugendamt die Möglichkeit unmittelbaren Handelns und kann zunächst ohne Kenntnis oder Zustimmung der Sorgeberechtigten durchgeführt werden. Die Unterrichtung der Sorgeberechtigten und die Entscheidung des Familiengerichts

bei deren Widerspruch sind unverzüglich vorzunehmen. Im Zentrum einer Inobhutnahme steht die Abklärung des Gefährdungsrisikos des jungen Menschen.

Die Inobhutnahme und der vollständige oder teilweise Entzug der elterlichen Sorge sind die Bereiche des Jugendhilfe- und Familienrechts, in denen sich die staatliche Verantwortung für den Schutz von Kindern und Jugendlichen, das sogenannte staatliche Wächteramt, deutlich ausdrückt.

Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Fragen namens der Landesregierung wie folgt:

Zu 1: Die von Kommunen und freien Trägern in Niedersachsen betriebenen Inobhutnahmestellen wurden in den zurücklegenden Jahren in wachsendem Maße in Anspruch genommen. Die Zunahme betrug zwischen 2004 und 2007 17 %, zwischen 1995 und 2007 sogar 60 %. Der am häufigsten genannte Grund für eine Inobhutnahme (> 50 %) ist die Überforderung der Eltern oder des alleinerziehenden Elternteils. Dieser Grund sowie der Grund der Vernachlässigung sind mit + 30 % sowie + 27 % zwischen den Jahren 2004 und 2007 überdurchschnittlich stark angestiegen.

Eine Inobhutnahme endet mit der Übergabe des Kindes oder Jugendlichen an die Sorgeberechtigten (2007 47,7 %) oder mit der Einleitung einer Hilfe nach dem Sozialgesetzbuch (2007 bei 36,2 % Einleitung einer stationären Jugendhilfemaßnah- me). Im Durchschnitt werden zu etwas mehr als 40 % Jungen und zu ca. 55 % Mädchen in Obhut genommen. Zwei Drittel aller Inobhutnahmen dauern mindestens fünf Tage. Etwa ein Viertel der Inobhutnahmen erfolgen auf eigenen Wunsch. Circa 60 % der in Obhut genommenen jungen Menschen sind 14 Jahre und älter.

Statistik der Vorläufigen Schutzmaßnahmen (Inobhut- nahmen) (Quelle: LSKN 2008)

2004 2005 2006 2007

Anlass der Maßnahme 2)

Integrationsprobleme im Heim/Pflegefamilie 142 120 134 132

Überforderung der Eltern/eines Elternteils 910 1046 1039 1175

Schul-/Ausbildungsprobleme 92 172 136 122

Vernachlässigung 217 295 286 275

Delinquenz des Kindes/Straftat des Jugendlichen 121 123 148 148

Suchtprobleme des Kindes/Jugendlichen 115 101 60 89

Anzeichen für Misshandlung 192 212 199 221