Protokoll der Sitzung vom 27.02.2008

dass die Nettoneuverschuldung um 2 Milliarden Euro hätte erhöht werden müssen. Dann würden wir heute nicht darüber diskutieren, ob wir es in 2010 zum ersten Mal schaffen, einen ausgeglichenen Landeshaushalt zu verabschieden. Wir hätten vielmehr darüber gesprochen, dass wir nicht nur 550 Millionen Euro neue Schulden machen, sondern bereits in den nächsten Jahren wieder auf eine Rekordneuverschuldung von 2,5 bis 3 Milliarden Euro kommen. Das ist der Unterschied. Auch deshalb sind Sie von den Menschen nicht gewählt worden.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Schulden zu machen ist intellektuell nicht anspruchsvoll. Meine Güte: Geld auszugeben, das man nicht hat, ist doch keine Kunst! Vor allem aber ist Schulden zu machen nicht nachhaltig und nicht generationengerecht. Es ist geradezu unverantwortlich.

(Zustimmung von Ingrid Klopp [CDU])

Ich sage Ihnen - auch wenn Sie stolzer Großvater eines Enkelsohns sind -: Auf Schuldenbergen können Kinder nicht spielen. Deshalb ist Ihre Politik so unverantwortlich gegenüber den nächstfolgenden Generationen in unserem Land.

(Starker Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, ich möchte nun etwas zum Thema Wirtschaft, Arbeit und Verkehr sagen. In den Bereichen, in denen wir als Landespolitik handeln können - wir wissen, dass wir nur in bestimmten Bereichen der Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik Gestaltungsspielraum haben -, werden wir in den nächsten Jahren nach wie vor eine klar wachstumsorientierte Politik betreiben. Wachstum und Wohlstand hängen eng miteinander zusammen. Dort, wo die Wirtschaft wächst, können bestehende Arbeitsplätze gesichert werden. Dort können auch neue entstehen. Wenn die Menschen Arbeit haben, dann erzielen sie Einkommen. Und wenn sie Einkommen erzielen, dann zahlen sie Steuern. Mit diesen Steuern können dann soziale Wohltaten finanziert werden, die insbesondere Sie von der Linken lauthals propagieren.

(Zurufe von der LINKEN)

Alles hängt miteinander zusammen. Deshalb ist es so wichtig, in unserem Land die bestmöglichen Rahmenbedingungen für Wirtschaftswachstum zu schaffen. Das war und ist und bleibt unser Ziel.

(Zustimmung bei der CDU)

Walter Hirche hat als Wirtschaftsminister und als stellvertretender Ministerpräsident heute Morgen ausführlich dargestellt, was wir vorhaben: Der Innovationsfonds soll bis 2011 auf 100 Millionen Euro aufgestockt werden. Spezielle Förderprogramme für Existenzgründer sollen aufgelegt werden. Wir wollen vor allem die Branchen in unserem Land stärken, die eine Zukunft haben: Automobilbau, Flugzeugbau, Schiffbau, Umwelttechnologie, Bio- und Medizintechnologie, chemische Industrie und natürlich unsere Land- und Ernährungswirtschaft - Niedersachsen ist Agrarland Nummer eins.

Wir wollen in diesem Land ein noch besseres Klima für Hightech und Forschung schaffen. Das beginnt bei den jungen Menschen. Deshalb freue ich mich, dass die Idee des Ministerpräsidenten Christian Wulff, in Hannover in 2007 eine IdeenExpo in enger Zusammenarbeit mit der Wirtschaft durchzuführen, zu einem so großartigen Erfolg geführt hat, und ich begrüße es ausdrücklich, dass wir uns jetzt vorgenommen haben, in Niedersachsen alle zwei Jahre eine IdeenExpo durchzuführen.

Herr Jüttner, Sie haben es 2007 zeitlich ja nicht einrichten können, bei der IdeenExpo vorbeizuschauen. Fast alle unsere Abgeordneten waren da. Sie können Ihnen in einem persönlichen Gespräch darüber berichten. Wenn man die begeisterten Gesichter der jungen Schülerinnen und Schüler gesehen hat, die von Hightech, von Forschung, von innovativen Produkten und Entwicklungen fasziniert waren, dann weiß man: Das ist der richtige Weg, junge Menschen für Hightech, Forschung und Technologie zu begeistern. Diese Generation soll zukünftig unseren wirtschaftlichen Wohlstand in Deutschland sichern. Deshalb wollen wir diesen Weg gehen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Ich möchte eine Anmerkung zur Arbeitsmarktpolitik machen. Wir setzen uns im Rahmen der Betreuung der Arbeitslosen dafür ein, dass das Optionsmodell über den 31. Dezember 2010 hinaus verlängert wird. Wir wollen prüfen, ob weitere Optionskommunen eingerichtet werden können, und dies in Verhandlungen mit dem Bund möglichst auch durchsetzen.

(Enno Hagenah [GRÜNE]: Dafür müssen Sie die Verfassung ändern!)

Die Ausgangslage, Herr Hagenah, ist seit dem Bundesverfassungsgerichtsurteil ziemlich klar. Bund und Länder müssen sich mit diesem Thema

ganz intensiv auseinandersetzen. Mir ist bewusst, dass es unterschiedliche Auffassungen darüber gibt, wer für die Betreuung der Arbeitslosen zuständig sein soll. Mir ist auch bekannt, dass es in den großen Städten, insbesondere in den kreisfreien Städten, in Niedersachsen parteiübergreifend Vorbehalte gibt. Das betrifft nicht nur sozialdemokratische Oberbürgermeister, sondern auch solche, die meiner Partei angehören. Deshalb sind wir für eine echte Wahlfreiheit. Es gibt viele Landkreise, die sehr erfolgreich sind. Und es gibt andere Landkreise, die ähnlich erfolgreich sein wollen. Die Landkreise sind doch zum Teil näher an den Menschen. Deshalb sagen wir: Im Zweifelsfalle und auch im Sinne bester Subsidiarität wollen wir eine möglichst breite Zuständigkeit für die Kommunen. Wir wehren uns gegen den zentralistischen Ansatz von Bundesarbeitsminister Olaf Scholz, der eine riesige Mammutbehörde, nämlich die Bundesagentur für Arbeit, alleine zuständig machen will. Das deckt sich nicht mit unseren Vorstellungen von Staat und Gesellschaft.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Wichtig ist, dass diejenigen Landkreise und Städte, die optiert haben, schnellstmöglich Planungssicherheit bekommen. Denn natürlich gilt es, jetzt auch die hochqualifizierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu halten. Ich bin dem Niedersächsischen Landkreistag sehr dankbar, dass er sich an die Fraktionsvorsitzenden gewandt hat, um im Rahmen dieser Debatte auf sein Anliegen aufmerksam zu machen.

Zu den Rahmenbedingungen der Wirtschaftspolitik gestatten Sie mir noch zwei Anmerkungen. Die Küste unseres Landes ist viele Jahrzehnte eher ein Sorgenkind gewesen. Wir haben an der Nordseeküste nach wie vor die höchsten Arbeitslosenquoten in Westdeutschland, allen voran in Wilhelmshaven und Bremerhaven. Aber ich meine - da teile ich die Auffassung von Minister Hirche -, die Küste hat die Chance, jetzt eine Entwicklung zu nehmen wie seit 1945 nicht. Die Globalisierung bedeutet letztlich weltweiten Warenaustausch. Damit wird die Küste automatisch aufgrund ihrer geografischen Lage besonders profitieren. Wir wollen die Küste im Rahmen eines einheitlichen Wirtschaftssystems Deutsche Bucht sozusagen als Achse, wie es Walter Hirche immer formuliert, von Hamburg bis Emden zu einer leistungsstarken Wirtschaftsachse des Landes ausbauen. Das heißt, wir werden in den nächsten Jahren Hunderte von Millionen Euro in unsere Häfen investieren: in Cuxhaven, in Stade-Bützfleth, in Brake, in Emden

und natürlich allen voran beim JadeWeserPort. Herr Jüttner, ich muss sagen, das war eine weitere Enttäuschung in Ihrer Ansprache.

(Dr. Philipp Rösler [FDP]: Ganz ge- nau!)

Der JadeWeserPort ist die größte Investition der letzten Jahrzehnte in unserem Bundesland.

(Zuruf von der SPD: Und Sie kriegen es nicht hin!)

Der JadeWeserPort ist unser gemeinsames Anliegen. Die alte SPD-Regierung hat ihn angeschoben. Sie hat sich um die Finanzierung nicht mehr ganz kümmern können. Das haben wir dann mit erledigt. Aber wir haben es gemeinsam fortgesetzt. Der JadeWeserPort ist kein schwarzer Hafen, kein gelber Hafen, er ist auch kein roter oder grüner Hafen.

(Wolfgang Jüttner [SPD]: Er ist bisher leider noch gar kein Hafen!)

Er ist unser gemeinsamer Hafen. Sie haben - bis zur Wahl konnte man das ja noch als Wahlkampf eines verzweifelten Oppositionsführers abtun - auch heute wieder versucht, parteipolitischen Klamauk auf Kosten des JadeWeserPorts zu machen.

(Björn Thümler [CDU]: So ist es!)

Das ist nicht in Ordnung. Hören Sie auf, den JadeWeserPort schlecht zu reden!

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Wir warten im Eilverfahren vor dem Oberverwaltungsgericht Lüneburg - ich betone: Eilverfahren - mittlerweile elf Monate auf eine Entscheidung über die Klage gegen den Sofortvollzug des Planfeststellungsbeschlusses. Ich darf Ihnen versichern, Herr Jüttner, sobald wir Klarheit durch das OVG haben, werden wir auch mit dem Bau beginnen. Erste bauvorbereitende Maßnahmen sind bereits im Gange. Ich bitte nochmals, falls Sie dazu noch bereit sind, darüber nachzudenken, ob Sie wirklich klug beraten waren, diese Art und Weise der Politik zu machen.

Im Übrigen freue ich mich ganz besonders, dass mein Kollege Dr. Uwe Biester den früher sehr stark SPD-geprägten Wahlkreis Wilhelmshaven am 27. Januar direkt gewonnen hat. Lieber Uwe, herzlichen Glückwunsch!

(Lebhafter Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Der Ausbau der Häfen ist das eine. Ohne vernünftige Hinterlandanbindungen werden die Häfen nicht zu entsprechenden Erfolgsgeschichten werden können. Da greife ich durchaus auf, was Sie gesagt haben, Herr Jüttner - Ihr Genosse Tiefensee ist ja der zuständige Verkehrsminister -, und auch einen Gedanken, den Walter Hirche heute Vormittag vorgetragen hat: Nachdem in den 80erJahren vor allem der Süden und aus naheliegenden Gründen in den 90er-Jahren der Osten unseres Landes beim Ausbau der Verkehrsinfrastruktur profitiert hat, müssen wir, glaube ich, insgesamt im Norden - in Schleswig Holstein, Hamburg, Bremen, Niedersachsen und Mecklenburg-Vorpommern - dem Bund deutlich machen, dass die Hinterlandanbindungen der Häfen eine nationale Aufgabe sind, die die Bundespolitik noch mehr in den Blick nehmen muss. Wir als Norddeutsche sagen jetzt hoffentlich parteiübergreifend: Liebe Bundesrepublik Deutschland, jetzt ist der Norden dran beim Ausbau der Verkehrsinfrastruktur! Wir erwarten, dass Herr Tiefensee seine Versprechungen einhält.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Das heißt konkret: Ausbau der A 1, Ausbau der A 7, Ausbau der E 233, Planung und Neubau einer festen Elbquerung im Rahmen der A 20, Planung und Bau der Küstenautobahn A 22 sowie der A 39 von Lüneburg nach Wolfsburg.

(Stefan Wenzel [GRÜNE]: Wolkenku- ckucksheim! So viel Geld können Sie gar nicht bewegen!)

Das gilt für den Bau der A 26 wie für den Lückenschluss der A 33 zur A 1.

Es geht aber genauso auch um die großen Schienenprojekte: Ein drittes Gleis zwischen Lüneburg und Stelle, ein zweites Gleis auf der ICE-Strecke zwischen Braunschweig und Gleidingen und die Elektrifizierung und der zweigleisige Ausbau der Strecke Oldenburg–Wilhelmshaven, um den JadeWeserPort vernünftig anzubinden.

Herr Minister Hirche, ein Aspekt der Koalitionsvereinbarung ist uns Christdemokraten ganz besonders wichtig. Wir haben formuliert: Wir treten ein für eine Ertüchtigung der nicht bundeseigenen Eisenbahnen. - Ich halte das für ganz wichtig, weil es die Bereitschaft von OHE, EVB und anderen gibt, auch ihr Gleisnetz zur Verfügung zu stellen, um weitere Güterverkehre aufzunehmen. Ich finde, diese Aussage im Koalitionsvertrag sollte man sehr dick unterstreichen, um deutlich zu machen: Wir

sind im Zweifelsfall auch bereit, Bundesgelder, die uns zustehen, an diese privaten, nicht bundeseigenen Eisenbahnen weiterzuleiten.

Wir wünschen uns bei allen Infrastrukturvorhaben in unserem Land - sei es beim Bau der Justizvollzugsanstalt in Bremervörde, sei es bei weiteren Hafeninvestitionen in Cuxhaven oder beim Bau von Autobahnen - eine Nutzung projektbezogener Finanzierungsinstrumente, neudeutsch „PPP“ oder besser auf Deutsch „ÖPP“, also im Rahmen von Öffentlich-Privater Partnerschaft bzw. Public Private Partnership.

Ein weiteres Argument: die Energiepolitik. Es ist wichtig, herauszuarbeiten, dass es Unterschiede zwischen der bürgerlichen Mehrheit in diesem Haus und der linken Opposition gibt. Niedersachsen ist Industriestandort. Weil Niedersachsen Industriestandort ist, brauchen wir eine verlässliche Energieversorgung. Die Energiepolitik muss sich nach drei Kriterien richten: Wirtschaftlichkeit, Sicherheit, Umweltverträglichkeit. Das heißt, wir sind bereit, in den nächsten Jahren unser sehr ambitioniertes Ziel anzupacken, bis 2020 einen Anteil von 25 % erneuerbarer Energien zu realisieren. Wir werden in den nächsten Jahren einen massiven Ausbau der Offshorewindenergie erleben, worin wir uns hoffentlich alle einig sind, Herr Kollege Wenzel. Aber in diesem Zusammenhang: Wir sind uns immer einig, wenn es darum geht, Offshorewindenergieanlagen in der Nordsee jenseits der 12-Seemeilen-Zone zu errichten. Aber natürlich braucht ein solch massiver Ausbau der Windenergie auch zusätzliche Leitungskapazitäten.

(Björn Thümler [CDU]: Sehr richtig!)

Das ist die Unehrlichkeit beispielsweise der Grünen. Sie sind für Offshorewindenergie. Aber wenn es darum geht, neue Stromtrassen zu planen, sind Sie die Ersten, die dagegen demonstrieren.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Dr. Philipp Rösler [FDP]: Einer muss es mal sagen!)

Das ist die Heuchelei der Grünen, die mich stört.

Aber selbst wenn wir bis 2020 einen Anteil von 25 % erneuerbarer Energien erreichen, müssen immer noch 75 % anderweitig bereitgestellt werden. Deshalb treten wir in unserer Koalitionsvereinbarung ausdrücklich für einen technologieoffenen Energiemix aus erneuerbaren Energien, nach wie vor fossilen Energieträgern wie Kohle und Gas sowie der Kernenergie ein. Ich erwarte, dass wir in den nächsten Jahren eine ehrliche Debatte nicht

nur in diesem Hause, sondern weit darüber hinaus in diesem Land darüber führen, wie wir die ehrgeizigen Klimaschutzziele, CO2-Emmissionen zu reduzieren, erreichen wollen. Auf der anderen Seite gibt es auch einen parteiübergreifenden Konsens, dass wir von der Abhängigkeit von Öl und Gas weg müssen. In diesen beiden Punkten gibt es ja Konsens zwischen den Parteien. Darin ist man sich einig. Aber gleichzeitig läuft man Sturm gegen die saubersten und effizientesten Kohlekraftwerke, die es auf der Welt gibt. Auf der einen Seite ist man gegen Kohlekraftwerke - das kann man von mir aus ja sein -, auf der anderen Seite ist man gleichzeitig für einen noch schnelleren Ausstieg aus der Kerntechnologie. Meine Damen und Herren, das passt von vorne bis hinten nicht zusammen. Sie gefährden mit einer solchen Politik den Energie- und Industriestandort Niedersachsen.

(Lebhafter Beifall bei der CDU und bei der FDP)