Protokoll der Sitzung vom 27.02.2008

(Beifall)

Zweitens hatten wir - darauf haben schon gestern der Landtagspräsident und heute Herr Hirche hingewiesen - bei dieser Landtagswahl mit 57 % eine historisch niedrige Wahlbeteiligung. Das sollte uns alle mit Sorge erfüllen. Die Wahlfreiheit, verfassungsrechtlich garantiert, beinhaltet auch das Recht, einer Wahl fernzubleiben. Deshalb müssen wir auch die Argumente und die Gründe derjenigen Menschen respektieren, die nicht zu Wahlen gehen. Aber dennoch müssen wir gemeinsam eine Kraftanstrengung unternehmen, um die Wahlbeteiligung in unserem Land wieder höher werden zu lassen. Es gibt keine einfachen Lösungen. Wenn es solche gäbe, wären sie schon längst umgesetzt worden.

Ich darf für mich gerade vor dem Hintergrund unserer deutschen Geschichte festhalten: Demokratie ist keine Selbstverständlichkeit. Demokratie lebt vom Mitmachen. Gerade deshalb sind wir alle gefordert, der unbefriedigenden Wahlbeteiligung entgegenzusteuern. Im Übrigen: Je höher die Wahlbeteiligung ist, desto geringer ist die Wahrscheinlichkeit, dass Radikale von rechts wie von links in die Parlamente einziehen.

(Lebhafter Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Dann gibt es noch ein Ergebnis des 27. Januar 2008: Wir haben in Niedersachsen allen Unkenrufern und Zweifelssähern zum Trotz bewiesen: Bürgerliche Mehrheiten in Deutschland sind möglich, auch gegen drei linke Parteien. Ich mache aus meiner persönlichen Haltung überhaupt kein Hehl: Die Zusammenarbeit von Union und FDP wäre das mit Abstand beste Modell für

die Bundesrepublik Deutschland - spätestens nach der Bundestagswahl im Jahr 2009. Lieber Philipp Rösler, dafür werden wir gemeinsam kämpfen. Das wird unser gemeinsames Anliegen sein.

(Lebhafter Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Wir in Niedersachsen haben klare Mehrheitsverhältnisse im Landtag. Wir unterscheiden uns damit z. B. von Belgien, aber auch von unserem benachbarten Bundesland Hessen.

Eines will ich mit Blick auf unser benachbartes Bundesland im Süden, auf Hessen, sagen: Es wäre ein Skandal und ein nie dagewesener Wahlbetrug, wenn sich Frau Ypsilanti am 5. April mit den Stimmen der Kommunisten zur hessischen Ministerpräsidentin wählen ließe.

(Lebhafter Beifall bei der CDU und bei der FDP - Karl-Heinz Klare [CDU]: Das haben die bis vor vier Tagen auch gesagt!)

Herr Jüttner, liebe Sozialdemokraten, wir sind uns ziemlich sicher: Hätte es am 27. Januar 2008 ein anderes Wahlergebnis gegeben, hätte es eine Mehrheit von Sozialdemokraten, Grünen und Linken gegeben, dann hätten Sie, Herr Jüttner, gestern versucht, sich mit den Stimmen der Linken zum Ministerpräsidenten des Landes wählen zu lassen. Gut, dass dieser Kelch an uns vorbeigegangen ist. Ein Segen für unser Land!

(Starker Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine hinreichend distanzierte Haltung zur Sozialdemokratie ist Ihnen bekannt.

(Lachen bei der SPD)

Trotzdem sage ich in aller Deutlichkeit: Das, was Sie jetzt im SPD-Bundesvorstand machen, erfüllt uns mit Sorge. Ich finde, der Beschluss des SPDPräsidiums vom Montag ist eine tiefe Zäsur in der Geschichte der Nachkriegs-SPD. Es macht mich besorgt, dass das SPD-Präsidium einen solchen Kurswechsel vornimmt und es nur eine einzige Gegenstimme vom niedersächsischen Landesvorsitzenden Garrelt Duin gab. Herr Duin hat in der Nordwest-Zeitung erklärt - ich zitiere -:

„Meines Erachtens müsste der Satz gelten: Es gibt keine Zusammenarbeit mit der Linkspartei, weder aktiv noch passiv. Wenn das jetzt durchbrochen werden sollte, etwa in Hessen oder im

nächsten Jahr im Saarland, wird es für uns im Bundestagswahlkampf 2009 sehr schwer.“

Herr Duin spricht es aus. Wir könnten natürlich auf der einen Seite ein Interesse daran haben, dass es für die SPD mit Blick auf die nächste Bundestagswahl unendlich viel schwerer wird als bisher. Aber ich sage Ihnen bei aller Freude, dass es für Sie schwerer wird: An dieser Stelle überwiegt dennoch die Furcht und die Trauer,

(Oh! bei der SPD - Heiner Bartling [SPD]: Staatspolitische Sorge!)

dass die Sozialdemokraten den Konsens aufgeben, weder mit Rechts- noch mit Linksradikalen zusammenzuarbeiten. Herr Duin war der Einzige, der den Mut hatte, dagegen zu stimmen. Ich frage Sie, Herr Jüttner, wo sind Sie in den letzten 48 Stunden gewesen? Warum haben Sie Ihrem Landesvorsitzenden nicht zur Seite gestanden? Wo sind die Niedersachsen Struck oder Heil gewesen? - Es ist ein unglaublicher Skandal, den die SPD hier vorbereitet!

(Starker, lang anhaltender Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir kommen zur Politik 2008 bis 2013 in Niedersachsen.

(Zuruf von der SPD: Doch schon?)

Im Jahr 2003, als CDU und FDP die Regierung übernommen haben, fanden wir eine schwierige Ausgangslage vor. Ich erwähne diese Zahlen insbesondere auch für die neuen Kolleginnen und Kollegen im Hause. Die Kolleginnen und Kollegen bei den Sozialdemokraten sollen wissen, wenn ihr Fraktionsvorsitzender die Dinge darstellt, ist es, freundlich gesagt, nur die halbe Wahrheit.

(Heinrich Aller [SPD]: Die andere Hälf- te sagen Sie!)

Die Abschlussbilanz der SPD nach 13 Jahren war und bleibt verheerend. Im Jahr 2002 hatte dieses Land mit 2,95 Milliarden Euro die höchste Nettoneuverschuldung in seiner Geschichte zu verzeichnen. Die Kreditfinanzierungsquote lag im Jahr 2002 bei 13,3 %. Im Vergleich mit den westdeutschen Flächenländern lag Niedersachsen damit auf dem drittletzten Platz. Der Konjunkturklimaindex lag in Niedersachsen Ende 2002 mit 71 Punkten auf dem niedrigsten Stand seit 1982. Ein Wirtschaftswachstum gab es im Jahr 2002 nicht. Vielmehr schrumpfte die Wirtschaft um 0,7 %. In Nie

dersachsen herrschte die höchste Arbeitslosigkeit aller westdeutschen Flächenländer.

Das sind nur fünf Fakten. Ich könnte unendlich viele weitere Fakten vortragen. Sie belegen eindrucksvoll das beispiellose Versagen der SPD in Niedersachsen in ihrer 13-jährigen Regierungszeit.

(Lebhafter Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Herr Jüttner, Sie sind weder vor der Wahl noch im Rahmen der heutigen Aussprache auf diese Fakten eingegangen. Sie verdrängen das. Vielleicht hängt es damit zusammen: Wer ein schlechtes Gedächtnis hat, der erspart sich viele Gewissensbisse.

(Zurufe von der SPD)

Meine Damen und Herren, wir haben seit 2003 viel geschafft: Haushaltskonsolidierung, Modernisierung der Wirtschaftspolitik, Verwaltungsreform, Bildungsreform und vieles andere mehr. Walter Hirche ist darauf heute Morgen ausführlich eingegangen. Es ist bei objektiver Betrachtung völlig unbestritten, dass CDU und FDP diesem Land gut getan haben und dass wir gemeinsam beachtliche Erfolge erzielt haben.

Das Bruttoinlandsprodukt in Niedersachsen ist im Zeitraum von 2003 bis 2007 um fast 50 % gewachsen. Seit 2003 hat der Außenhandel in unserem Bundesland um fast 50 % zugelegt. Die Zahl der sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplätze ist allein im letzten Jahr um 50 000 bzw. 2,1 % gestiegen. Im Jahr 2007 sank die Arbeitslosigkeit in Niedersachsen auf den niedrigsten Stand seit 15 Jahren. Die Jugendarbeitslosigkeit sank allein im letzten Jahr von 12,3 % auf 7,7 %, und auch die Langzeitarbeitslosen profitieren überproportional vom Aufschwung am Arbeitsmarkt.

Diese Fakten belegen: CDU und FDP haben die Wende zum Besseren geschafft. Dieses schöne Bundesland Niedersachsen ist bei dieser Koalition von CDU und FDP und bei dieser Landesregierung in den besten Händen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Diese Erfolgszahlen sind für uns Ansporn und Verpflichtung zugleich, unsere erfolgreiche Politik fortzusetzen. Wir sind gut unterwegs, aber wir sind noch lange nicht am Ziel angekommen. Vielleicht kann man es auch so formulieren: Die ersten fünf Jahre Regierungszeit der CDU und der FDP waren vornehmlich eine Periode des Aufräumens, des Ordnungschaffens nach dem Chaos, das uns die

Sozialdemokraten hinterlassen haben. Wir haben in allen wesentlichen Politikfeldern die Weichen neu gestellt.

Jetzt steht ein neuer Aufbruch an, fünf Jahre Gestalten und Erneuern. Es geht darum, bewährte Projekte fortzusetzen, neue Projekte anzuschieben und umzusetzen und konzeptionell weit über das Jahr 2013 hinaus zu denken.

Ich möchte gern einige Punkte skizzieren, wobei ich einräume: Die Regierungserklärung war so umfassend, dass im Grunde genommen alle wesentlichen Punkte bereits angesprochen worden sind.

Für uns Christdemokraten hat auch in den nächsten fünf Jahren die Haushaltskonsolidierung höchste Priorität. Wir haben in den letzten fünf Jahren zusammen mit der FDP, mit der Regierung und vor allem zusammen mit Finanzminister Hartmut Möllring viel erreicht - das war auch für andere Bundesländer beispielhaft.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Wir haben die Nettoneuverschuldung von rund 3 Milliarden Euro im Jahre 2002 auf jetzt 550 Millionen Euro abgesenkt. Wir haben die Nettoneuverschuldung sechsmal hintereinander abgesenkt - in fünf Jahren um über 80 %. Jetzt haben wir die niedrigste Neuverschuldung seit 35 Jahren.

Wir haben die finanzpolitische Wende geschafft. Wir haben mit dem Anhäufen immer neuer Schulden Schluss gemacht. Damit haben wir auch mit einer Politik auf Kosten der folgenden Generationen Schluss gemacht. Dieser Kurs muss fortgesetzt werden und hat für uns allerhöchste Priorität.

Unser Ziel, das im Koalitionsvertrag festgehalten wurde - es wurde auch in der Regierungserklärung angesprochen -, ist sehr ambitioniert. Aber wir sind der festen Überzeugung: Nur die Senkung der Nettoneuverschuldung führt auf Dauer zu soliden Finanzen. Deshalb wollen wir 2010 den ersten ausgeglichenen Landeshaushalt. Wir wollen dann gleichzeitig mit der Rückzahlung der aufgehäuften Schulden beginnen.

Herr Jüttner hat in seiner Rede gesagt - und es ist wichtig, herauszuarbeiten, dass es zwischen der bürgerlichen Mehrheit und der linken Opposition in diesem Hause auch Unterschiede gibt -, das strikte Neuverschuldungsverbot sei fahrlässig. Wir argumentieren anders: Es ist fahrlässig gewesen, dass die SPD in den letzten Jahren, insbesondere zwischen 1990 und 2003, Milliarden von Schulden ge

macht hat. Schulden sind Zinsen, und die nächstfolgende Generation muss die Zinsen zurückzahlen.

(Lebhafter Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Deshalb ist das Ziel der „Nettoneuverschuldung null“ nicht fahrlässig, sondern fahrlässig sind diejenigen, die entgegengesetzt handeln, obwohl sie genau wissen, wie süß und gefährlich das Gift der Verschuldung ist.

Ein weiteres Ziel ist, den Pensionsfonds für alle neu eingestellten Beamten ab 2010 aufzubauen. Wir wollen mit der Rückzahlung der bis dahin auf über 53 Milliarden Euro aufgetürmten Schulden beginnen. Wir wollen auch ein Neuverschuldungsverbot - ja, am liebsten bundeseinheitlich im Rahmen der Debatte um die Föderalismusreform II. Wenn sich Bund und Länder dabei nicht einigen, dann wollen wir in Niedersachsen einen eigenen Anlauf unternehmen. Dafür müssten wir die Landesverfassung ändern. Dazu brauchen wir eine Zweidrittelmehrheit in diesem Hause. CDU und FDP sind sich in dieser Frage einig. Lieber Kollege Wenzel, ich glaube, auch bei den Grünen gibt es eine grundsätzliche Bereitschaft, an einem solchen Projekt mitzuarbeiten. Man wird dann sehen, ob sich bei den Sozialdemokraten die Vernünftigen durchsetzen oder diejenigen, die es für eine prima Leistung halten, neue Schulden zu machen, und dafür allen Ernstes auch noch Dank und Anerkennung einfordern.

Herr Jüttner, wenn Sie heute die Regierungserklärung gehalten hätten - immer im Konjunktiv formuliert -, dann hätten wir über den Finanzbereich in der Tat anders debattiert. Sie haben im Landtagswahlkampf versprochen, die Studienbeiträge wieder abzuschaffen, die Lernmittelfreiheit wieder einzuführen, die Sonderzuwendungen für Beamte wieder zu zahlen, das Volumen des kommunalen Finanzausgleichs zu erhöhen und die Anteile des Landes Niedersachsen an Volkswagen deutlich aufzustocken. Ich finde, einige dieser Forderungen sind - isoliert betrachtet - durchaus diskussionswürdig. Aber abgesehen davon, ob sie diskussionswürdig oder sinnvoll sind oder nicht, müssen sie vor allem eines sein, nämlich bezahlbar. Das war Ihr Problem im Wahlkampf: Sie haben allen alles versprochen, ohne auch nur im Ansatz einen seriösen Finanzierungsvorschlag zu unterbreiten. Die Umsetzung Ihrer Forderungen hätte in Gänze über 2 Milliarden Euro gekostet. Und da Sie keinen Finanzierungsvorschlag gemacht haben, heißt das,

dass die Nettoneuverschuldung um 2 Milliarden Euro hätte erhöht werden müssen. Dann würden wir heute nicht darüber diskutieren, ob wir es in 2010 zum ersten Mal schaffen, einen ausgeglichenen Landeshaushalt zu verabschieden. Wir hätten vielmehr darüber gesprochen, dass wir nicht nur 550 Millionen Euro neue Schulden machen, sondern bereits in den nächsten Jahren wieder auf eine Rekordneuverschuldung von 2,5 bis 3 Milliarden Euro kommen. Das ist der Unterschied. Auch deshalb sind Sie von den Menschen nicht gewählt worden.