Protokoll der Sitzung vom 27.02.2008

Gründlich missverstanden haben Sie auch die Betreuungsgutscheine, die in Hamburg einmal ausprobiert wurden. Das ist ein bürokratisches Monstrum, Herr Rösler, das Wahlfreiheit vorgaukeln soll.

(Beifall bei den GRÜNEN - Jörg Bode [FDP]: In welcher Welt leben Sie ei- gentlich?)

- Fragen Sie einmal die Hamburger!

In meinem Dorf gibt es nur einen Kindergarten. Da hilft auch ein Gutschein für einen anderen Kindergarten nicht weiter. Meine Damen und Herren, damit sind Sie auf dem Holzweg.

(Dr. Philipp Rösler [FDP]: Es gibt auch Tagesmütter!)

In der Umwelt- und Klimapolitik treten Sie wieder mit Herrn Sander an und erzählen uns das Märchen vom Klimaschutz durch Atomkraftwerke.

Zur Elbvertiefung - ein Thema, das doch eigentlich den Vorsitzenden der CDU-Fraktion umtreiben müsste, weil er aus Bad Bederkesa kommt - habe ich von Ihnen nichts gehört. Dazu habe ich auch in der Regierungserklärung von Herrn Hirche nichts gehört. Ich finde es schon ein bisschen merkwürdig, dass es um dieses Thema plötzlich so still geworden ist.

(Ursula Helmhold [GRÜNE]: Nach der Wahl! - Zuruf von David McAllister [CDU])

- Sie haben, glaube ich, noch ein bisschen Redezeit und können sich dazu noch zu Wort melden. - Zur Elbvertiefung kein Wort - das lässt Schlimmes befürchten.

Stattdessen will Herr Sander neue Talsperren bauen. Das sagt eigentlich alles, auch wenn wir wissen, dass Herr Sander nur noch zwei Jahre darf.

(Dr. Philipp Rösler [FDP]: Herr Jütt- ner!)

Wie Herr Sander Politik macht, zeigt allein schon der unwürdige Rausschmiss seines Staatssekretärs. Von wegen Politik mit den Menschen machen.

Im Zusammenhang mit FFH - um dieses Beispiel aufzugreifen, Herr Sander - mussten Sie einen Kotau vor der EU-Kommission machen und versprechen, dass Sie sich künftig an die Gesetze halten. Das haben Sie auch hier im Plenum schon einmal versprochen.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD - Ursula Helmhold [GRÜNE]: Darauf hat er sogar einen Eid ge- schworen!)

Nur so sind Sie Ihrer Strafe für das Kettensägenmassaker entgangen.

(Vizepräsident Hans-Werner Schwarz übernimmt den Vorsitz)

Weitermachen in Gorleben, Kohlekraftwerke, Autobahnen - Sie lassen nichts aus; was ist daran modern? -, als hätte es den UN-Klimabericht nie gegeben. Sie prangern falsche Subventionen für die erneuerbaren Energien an. Sie machen dort weiter, wo Sie aufgehört haben. Das wird uns teuer zu stehen kommen, weil ein Versagen in der Umwelt- und Klimapolitik auch ökonomisch ins Desaster führt.

Keine neuen Ideen weit und breit. Verwaltung statt Gestaltung. Status quo.

Sozusagen als Krönung dieser Aufzählung wollen Sie jetzt ein Psychiatriekonzept erarbeiten - Herr Jüttner sprach es an -, jetzt, da die Landeskrankenhäuser verkauft wurden. Das ist doch wirklich kaum zu verstehen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Und dann sagt Herr Wulff auf die Frage, warum denn in seinem Kabinett keine Erneuerung zu sehen ist, warum dort nur eine kleine Personalrochade vorgenommen wird: „Never change a winning team“.

(Beifall bei der CDU - Zuruf von Björn Thümler [CDU])

Ich frage mich nur, Herr Thümler, welches Winning Team er meinte.

(Beifall bei den GRÜNEN - David McAllister [CDU]: Das, das am 27. Januar gewonnen hat!)

Herr McAllister, Sie sollten nicht immer nur auf die Prozente gucken. Sie haben bei dieser Wahl 26 % Ihrer Wählerinnen und Wähler von 2003 verloren. Sie haben mehr Wählerinnen und Wähler verloren als Roland Koch in Hessen.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD - David McAllister [CDU]: Wollen Sie Landeswahlleiter werden?)

Schauen Sie sich die absoluten Zahlen an! Das nennen Sie ein Winning Team? Ihr wackeliges Pferdegespann ist am Berg gestrauchelt, steht jetzt mit zitternden Knien am Hang und traut sich weder vor noch zurück.

(Beifall bei den GRÜNEN, bei der SPD und bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren, Niedersachsen steht am Scheideweg. Eine neue alte Koalition ohne Ambitionen, ohne Antworten auf die zentralen Herausforderungen mit einem Regierungschef, der schon wieder nach Berlin guckt und sich als erste Reserve der Union für den Fall bereit hält, dass die Mehrheiten für Herrn Althaus in Thüringen kippen oder es im Saarland knapp wird.

Dazu eine SPD-Fraktion im Stadium der Selbsterfahrung mit einem verpatzten Versuch, das Profil zu erneuern, mit einer Zukunftskommission ohne Kommissionspräsident,

(David McAllister [CDU]: „ZK“ abge- kürzt!)

mit einem Landeschef, der zehn Tage vor der Wahl von der Großen Koalition träumte. Ich kann nur hoffen, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, dass Ihr Findungsprozess nicht nur neue Gesichter betrifft, sondern dass auch eine Generalrevision beim Programm vorgenommen wird. Mit neuen Kohlekraftwerken und neuen Autobahnen kann man nämlich nur Große Koalitionen machen. Darüber hinaus ist damit kein Staat mehr zu machen.

Es bleibt eine der unangenehmeren Wahrheiten dieser Zeit, dass die Schwäche der SPD auch einen großen Teil der Stärke von Christian Wulff ausmacht. Diese Schwäche war es und ist es, die dazu geführt hat, dass nun die ersten Sätze im Kommunistischen Manifest neu geschrieben werden müssten: Ein Gespenst sitzt rum im Niedersächsischen Landtag. Es ist das Gespenst des Kommunismus. - Manche meinen, das könne man alles einer einzelnen Frau in die Schuhe schieben.

(Heiner Schönecke [CDU]: Wir sind ein paar mehr!)

Meine Damen und Herren, ich hätte mir nicht träumen lassen, dass es Leute gibt, die die Existenz der Mauer fast 20 Jahre nach deren Fall noch rechtfertigen, und dass manche stasiähnliche Organe auch in Zukunft für notwendig halten.

(Beifall)

Meine Damen und Herren, dass man aufseiten der Linken jetzt überrascht tut, halte ich für scheinheilig, ganz ehrlich. Zumindest Herr Sohn und Herr Adler kennen die DKP und ihre Akteure bestens.

(David McAllister [CDU]: Richtig!)

Die wissen auch, was noch im DKP-Programmentwurf aus dem Jahr 2005 stand. Zitat:

„Die DDR, die sozialistische Alternative zum deutschen Imperialismus, war die größte Errungenschaft in der Geschichte der revolutionären deutschen Arbeiterbewegung.“

Was für eine Verdrehung, was für ein historischer Betrug!

(Beifall bei den GRÜNEN, bei der CDU, bei der SPD und bei der FPD)

Wer die DDR noch vor wenigen Jahren als einen besseren deutschen Staat bezeichnet hat, dessen Krokodilstränen über die Äußerungen von Frau Wegner sind mit „scheinheilig“ noch sehr charmant umschrieben.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der CDU)

Ihre Verdrehung bezieht sich aber nicht nur auf die Vergangenheit. Frau Flauger und Herr Sohn, ich finde, dass Sie schwer überreißen, wenn Sie von sich behaupten, jetzt als frische Kräfte hier in diesem Landtag erstmals der Stimme der Gerechtigkeit Gehör zu verleihen. Wissen Sie: Mindestlohn, Gesamtschulen, Ablehnung der Studiengebühren und Kampf gegen Atomkraft, das sind nun wahrlich nicht Themen, die Sie auf die Agenda gesetzt haben.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Dafür kämpfen die Grünen in Regierungen und in der Opposition schon seit den Zeiten, als die meisten von Ihnen noch im Wesentlichen mit sozialistischer Traumdeuterei befasst waren.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Sie träumen von einer Welt ohne Globalisierung, von einer Rückkehr in nationale Grenzen. Sie trauen sich aber nicht, den Menschen ehrlich zu sagen, wohin Sie wollen. Stattdessen verstecken Sie sich hinter einfachen Parolen und Forderungen, deren Erfüllung oft nicht bezahlbar ist.

Im Osten fordert die Linke mehr Subventionen für neue Braunkohlekraftwerke. Hier schreiben Sie aus unserem Programm ab, um sich ein kleines grünes Mäntelchen umzuhängen. Das werden Ihnen die Leute nicht abkaufen.

(Beifall bei den GRÜNEN)