Protokoll der Sitzung vom 27.02.2008

Wie zynisch ist eigentlich der Satz, dass jemand das Ressort wechselt, weil er so eine klasse Arbeit gemacht haben soll? - Das ist doch wirklich beeindruckend.

(Beifall bei der SPD)

Not hat mit Elend den Platz wechseln müssen.

(David McAllister [CDU]: Höre doch auf!)

Das war die Konsequenz Ihres Wahlergebnisses, meine Damen und Herren!

(Beifall bei der SPD)

Kommen wir jetzt zu der 42 Seiten umfassenden Koalitionsvereinbarung, die Sie auf den Tisch gelegt haben. Wir haben gelesen, es sei sehr schnell und ohne großen Streit gegangen. Das wundert mich wirklich nicht. Wenn sich zwei wirklich so anspruchslose Partner zusammensetzen, dann werden sie doch schnell ein paar Seiten zusammenschreiben können, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD)

Augenscheinlich hat es selbst auf dem kleinen Landesparteitag der CDU entsprechende Bemerkungen gegeben. Ich habe gelesen, Herr Noack sei sehr unzufrieden gewesen. Er wird zitiert mit dem Satz: Es genügt nicht, dass man nur verwaltet. - Meine Damen und Herren, Verwaltung ist das Oberste dessen, was man dieser Koalitionsvereinbarung zugestehen kann. Mehr ist das bei Gott nicht!

(Beifall bei der SPD)

Das sind 42 Seiten ohne jeden Esprit mit einer Heroisierung der Vergangenheit. Realität wird einfach nicht zur Kenntnis genommen, und die Zukunft wird mit Mehltau begraben, meine Damen und Herren. Mit diesem Anspruch ist Niedersachsen nicht voranzubringen. Dessen können Sie sich sicher sein.

(Beifall bei der SPD)

Ich möchte Ihnen dies anhand einer Reihe von Beispielen verdeutlichen. Wir beanspruchen heute nicht, die Landespolitik vollständig abzubilden. Wir werden in den nächsten Monaten noch genug Zeit haben, um uns mit weiteren Einzelheiten zu befassen.

(Hans-Christian Biallas [CDU]: 100 Minuten!)

Wir haben in den letzten Wochen immer wieder von der wirtschaftlichen Aufholjagd in diesem Lande gehört. Herr Hirche hat das heute Morgen erneut vorgetragen. Ich möchte daran erinnern, dass das Niedersächsische Landesamt für Statistik - eine Einrichtung des Landes, die aufgelöst werden soll, weil sie leider immer wieder die Wahrheit veröffentlicht -

(Zustimmung bei der SPD)

wenige Tage nach der Landtagswahl die neuesten Zahlen aus dem Jahr 2007 zur Entwicklung des Bruttoinlandsprodukts auf den Tisch gelegt hat. Wir stellen fest:

(Heinz Rolfes [CDU]: Er kann es ein- fach nicht!)

- Hier steht es, Herr Rolfes. - Also: Niedersachsen ist Vorletzter!

(David McAllister [CDU]: Hören Sie doch auf, das Land schlechtzureden!)

Was ist das denn für eine Aufholjagd, meine Damen und Herren, wenn sich der Abstand zu den Spitzenländern im Süden Deutschlands doch weiter vergrößert! - Das ist das Gegenteil von Aufholjagd.

(Beifall bei der SPD)

Sie brüsten sich mit Ihrer vorgeblichen Innovationsoffensive. Die Wahrheit ist: Die Haushaltsmittel für die Finanzierung von Innovationen sind zwischen 2003 und 2006 halbiert worden. Seitdem hatten Sie lediglich zwei Ideen dafür, wie man den Eindruck erwecken kann, dass Sie sich um Innovation kümmern würden. Nicht, dass Sie die Mittel auf die alte Höhe aufgestockt haben. Nein, das nicht! Sie setzen stattdessen eine Marketingstrategie ein, mit der ein Produkt vermarktet werden soll, das überhaupt nicht besser geworden ist, meine Damen und Herren. Schein statt Sein - das ist Ihre Innovationsoffensive!

(Lebhafter Beifall bei der SPD)

Sie bilden einen Innovationsfonds, der in diesem Jahr vielleicht einmal eben gerade 2 Millionen Euro für konkrete Maßnahmen zur Verfügung stellt. Das ist eine lächerliche Summe im Vergleich zu den Herausforderungen, über die wir hier reden. In der Konsequenz kommt das Niedersächsische Landesamt für Statistik beim letzten NiedersachsenMonitor 2007 zu dem Ergebnis - die Zahl der Patentanmeldungen ist ja ein wichtiger Indikator für die Innovationskraft des Landes und die technologische Leistungsfähigkeit einer Volkswirtschaft - - -

(Zurufe von der CDU)

- Herr McAllister, ich wäre froh, wir hätten für Niedersachsen andere Daten. Das hier aber ist leider die Realität.

(Zuruf von der CDU)

- Ja, ich bin schuld. Klar. - Wir müssen dort lesen - ich zitiere -: Im Jahr 2006 wurden in Niedersachsen nur noch 2 603 Erfindungen zum Patent angemeldet. Das waren 4,9 % weniger als 2005, und gegenüber dem Jahr 2001 war das sogar ein Rückgang um 19,5 %. Der Rückgang war in Niedersachsen deutlich stärker ausgeprägt als bun

desweit. Meine Damen und Herren, das sind Ihre Zahlen hinsichtlich der Innovationsfähigkeit dieses Landes.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Deshalb lassen wir das nicht durchgehen, was Sie an Schönfärberei in die Koalitionsvereinbarung und in die heutige Regierungserklärung hineingegossen haben. Das stimmt vorn und hinten nicht, meine Damen und Herren!

(Beifall bei der SPD)

Ich verdeutliche das an einem weiteren Lieblingsthema von Ihnen, dem Bürokratieabbau. Die Staatskanzlei hat im Jahr 2006 eine fulminante Presseerklärung mit der Überschrift herausgegeben: „Landesregierung schlägt Schneisen in den Vorschriftendschungel“. - In der Koalitionsvereinbarung wird festgehalten: Den Bürokratieabbau werden CDU und FDP fortsetzen.

(Zurufe von der CDU: So ist es!)

Ich lese Ihnen vor, was der Hauptgeschäftsführer des Baugewerbeverbandes Niedersachsen vor etwa zehn Tagen veröffentlicht hat. Ich zitiere:

„Die abgeschafften Vorschriften kennt keiner, weil sie oft keine praktische Relevanz hatten.“

(Heiterkeit bei der SPD)

„Zugleich wächst offenbar die Vorschriftenflut ungebremst weiter. In der letzten Legislaturperiode“

- also in der Zeit von 2003 bis 2008 -

(Zuruf von Heinz Rolfes [CDU])

- nein, nein -

„hat sich der jährliche Umfang des Niedersächsischen Gesetz- und Verordnungsblattes von 476 Seiten auf 785 Seiten verdickt.“

(Oh! bei der SPD - Heinz Rolfes [CDU]: Da steht ja auch alles drin, was abgeschafft wurde!)

- Da steht alles drin, was abgeschafft wurde. Das war als Witz nicht schlecht.

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD)

Es geht noch etwas weiter:

„Das Niedersächsische Ministerialblatt kommt nun zweibändig daher und hat

es von 896 Seiten im Jahr 2005 auf beachtliche 1 784 Seiten im Jahr 2007 geschafft.“

(Beifall bei der SPD)

Hätte ich so eine Aussage gebracht, hätten Sie gesagt, der Jüttner zieht wieder irgendetwas aus der Tasche. Aber das Zitat stammt von einem derjenigen, die in Niedersachsen Verantwortung in der Wirtschaft haben, meine Damen und Herren. Die gucken Ihnen auf die Finger und stellen fest, dass sie von Ihnen von vorn bis hinten veralbert werden. Das ist die Realität.