Protokoll der Sitzung vom 13.11.2008

Sie haben sich zwar entschuldigt, ich wollte es aber trotzdem noch einmal ansprechen. Das war nicht gut.

Zu den Zitaten, die den Anschein erwecken sollten, unsere Parteien hätten sich früher gegen das Frauenwahlrecht gestellt: Das ist absoluter Quatsch. Alle haben dafür gekämpft. Natürlich gab es auch Gegner, aber nicht nur in der SPD haben sich ganz viele dafür eingesetzt. Weil die SPD viele Frauen unter ihren Mitgliedern hatte, war sie zwar Vorreiter, aber auch andere Parteien haben sich für das Frauenwahlrecht eingesetzt.

Wir wissen alle - das hat auch Frau Vockert heute Morgen in ihrer sehr beachtenswerten Rede gesagt -, dass die volle Gleichberechtigung noch nicht erreicht ist, und deswegen müssen wir alle

weiter dafür kämpfen, nicht nur die 30 % Frauen hier im Saal, sondern auch die Männer, die in der Regel eine Frau oder Töchter oder Freundinnen haben und deswegen auch daran interessiert sind. Wir müssen alle etwas dafür tun.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Jetzt so zu tun, als ginge es nur um die eine Seite dieses Landtages, ist auch absoluter Unsinn. Sie haben darauf hingewiesen, dass es in der Wirtschaft gerade in Toppositionen noch viel zu wenig Frauen gibt. Das ist richtig. Ich frage mich: Sprechen Sie denn der SPD jede Beteiligung an der Wirtschaft und an irgendwelchen Entscheidungen ab? Das würde mich schon wundern. Soweit ich weiß, sind die Parteien überall in der Wirtschaft gleichermaßen mit vertreten.

Die Benachteiligung von Frauen, die Frau Vockert und auch Frau Pieper schon angesprochen haben, will ich noch einmal benennen. Sie ist uns durchaus bewusst. Frauen bekommen immer noch keinen gleichen Lohn für gleiche Arbeit. Das muss natürlich dringend geändert werden. Das ist aber nicht nur in Deutschland so, wo Frauen im Schnitt nur 75 % des Einkommens von Männern erzielen, sondern das ist auch in anderen europäischen Ländern so. In Frankreich erhalten Frauen zwar immerhin 89 %, der Unterschied beträgt also nur 11 %, aber auch das ist natürlich falsch.

Auch in der Wissenschaft haben wir im EuropaVergleich nicht gerade viele Frauen in Toppositionen. Das wissen wir. Andere Länder sind da schon viel weiter. Beispielsweise beträgt der Frauenanteil an Topprofessuren in der Türkei 25 % gegenüber 9 % bei uns bzw. 15 % insgesamt, wenn man alle Professorinnen bundesweit rechnet.

(Zustimmung von Helge Limburg [GRÜNE])

Das ist natürlich nicht in Ordnung. Das müssen wir ändern. Wir kennen das Problem und bemühen uns darum. Gestern berichtete z. B. die HAZ über ein Treffen von Universitätspräsidenten in Hannover, bei dem es u. a. auch um Frauenförderung ging. „Headhunter für Frauenprofessuren“ lautete die Überschrift. Wenn man weiß, dass in den nächsten Jahren ungefähr ein Drittel der Professorenstellen aus Altersgründen frei wird, ist das die Chance, um Frauen nach vorne zu bringen. Wir sollten alle gemeinsam entsprechende Anstrengungen unternehmen.

Was die SPD angeht, ist festzustellen, dass sie durchaus nicht nur auf rühmliche Dinge zurückbli

cken kann, sondern auch auf unrühmliche. Das gilt übrigens auch für die Grünen, soweit sie Verantwortung trugen. Sonst hätten wir ja immer dann, wenn Schwarz-Gelb an der Regierung war, einen Wahnsinnseinbruch beim Frauenanteil haben müssen, und bei roten oder rot-grünen Regierungen hätten immer besonders viele Frauen in Toppositionen sein müssen. Das war aber nicht so. Es gab auch dort immer Benachteiligungen von Frauen. Dieser Prozess muss eben wachsen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, Sie können sich in Berlin dafür einsetzen, die Ungleichgewichte beim Elterngeld abzubauen, damit eine Frau mit Steuerklasse V nicht benachteiligt wird, wenn sie Mutter wird. Das Elterngeld müsste nach Bruttoeinkommen bemessen werden. Ebenso dürfen Unternehmerinnen nicht dafür bestraft werden, dass sie selbstständig sind, sondern auch sie müssten beim Elterngeld berücksichtigt und nicht mit weniger als 300 Euro abgespeist werden. Das ist wirklich ein Hohn.

(Beifall bei der FDP)

Man kann also sagen: Frauenpolitisch ist auch hier noch viel zu tun.

Zum Bereich Wirtschaft ist zu sagen: Wir können der Wirtschaft keine Vorschriften machen. Das haben wir auch nicht getan; im NGG sind solche Vorschriften nicht enthalten. Wir wollen mit dem NGG ein Vorbild für die Wirtschaft sein. Das ist richtig. Aber auch ohne Vorgaben weiß man in der Wirtschaft teilweise schon, wohin der Hase läuft. McKinsey hat z. B. in einer Studie herausgefunden, dass in den großen Unternehmen, in denen mindestens drei Frauen im Vorstand sind, die Eigenkapitalrendite um durchschnittlich 53 % steigt. Viele Unternehmen haben bereits gemerkt, dass es sich lohnt, Frauen zu beschäftigen. Der Anteil von Frauen in den Führungsetagen steigt in vielen Unternehmen. Er beträgt z. B. bei Microsoft Deutschland, einem führenden Unternehmen in Deutschland, bereits 40 %. Es ist bekannt, dass Frauen ein Garant für ein besseres Betriebsklima und für kürzere Sitzungen sind und Firmen mit hohem Frauenanteil insgesamt größere Erfolge erzielen.

Neben vielen guten Ansätzen läuft in der Wirtschaft aber vieles noch schief. Das gebe ich zu. Wir müssen deshalb die guten Ansätze weiter verbreiten als Best Practice. Wir müssen überall davon erzählen und versuchen, die Verantwortlichen in der Wirtschaft zu motivieren, es den Vorreiterunternehmen nachzumachen, weil es sich für

die Unternehmen lohnt, weil es gut für die Frauen ist und weil es auch volkswirtschaftlich und arbeitsmarktpolitisch wichtig ist, mehr gut qualifizierte Frauen einzubeziehen. Das wissen wir doch alle, wir müssen es nur machen. Jeder muss versuchen, diese Forderungen umzusetzen.

(Beifall bei der FDP und Zustimmung von Helge Limburg [GRÜNE])

Natürlich gibt es immer noch Benachteiligungen von Frauen. Das wissen wir. Natürlich ist es für die Männer schwierig, von den Positionen, die heute noch mehrheitlich von ihnen besetzt sind, einige an Frauen abzugeben. Das ist menschlich, das ist verständlich. Deswegen möchte ich ausdrücklich noch einmal Herrn Landtagspräsident Dinkla danken, der bei der Ausstellungseröffnung gesagt hat: Frauen haben heute gleich gute Qualifikationen für Toppositionen, sie haben jedes Recht, sich dafür zu bewerben. Und er hat angemerkt: Es gibt aber Netzwerke von Männern, die das erschweren. - Diese Netzwerke gibt es, weil die Männer ihr Terrain verteidigen, und deshalb müssen wir darüber reden, wie wir gemeinsam Verbesserungen erreichen können.

Zum Schluss will ich noch auf das Thema Quoten eingehen, das Sie angesprochen haben. Es ist richtig, dass unserer Fraktion im Landtag zurzeit nicht viele Frauen angehören. In der letzten Legislaturperiode hatten wir mehr Frauen in unserer Fraktion. Wir haben keine Quote. Trotzdem sind zurzeit 50 % unserer niedersächsischen Abgeordneten im Bundestag Frauen. In unserem Bundespräsidium haben wir 40 % Frauen, ohne Quote, und wir gehen sowohl auf Bundesebene als auch in Niedersachsen mit Frauen als Spitzenkandidatinnen in den Europawahlkampf. Es geht also vieles auch ohne Quote.

(Dr. Philipp Rösler [FDP]: Hervorra- gende Kandidatinnen! Beide!)

Ich will gar nicht sagen, dass ich immer mit allem, was in meiner Partei läuft, zufrieden bin. Ich bin Frauenpolitikerin und beschwere mich natürlich auch.

(Unruhe)

Frau Meißner, ich möchte Sie noch einmal unterbrechen. Ich stelle eine gewisse grundsätzliche Unruhe hier im Plenarsaal fest und bitte um etwas mehr Aufmerksamkeit für die Rednerin.

Noch einmal zu dem Antrag, in dem von der SPD behauptet wird, dass wir hier alles falsch machen. Als Beispiel wird die NGO angeführt. Ich finde es bedauerlich, dass nur 39 % der Hauptverwaltungsbeamten Gleichstellungsberichte abgegeben haben. Wir hatten uns davon etwas Gutes versprochen und damit gerechnet, dass mehr ins Boot kommen, wenn wir die Verantwortung höher ansiedeln. Aber auch da kann ich sagen: Sorgen Sie alle doch auf kommunalpolitischer Ebene dafür, dass solche Berichte eingefordert werden.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Wenn es alle tun, kommen wir nämlich auf 100 %. Das ist auch eine Möglichkeit, mehr Akzeptanz dafür zu erreichen.

Noch eine Anmerkung zum NGG: Das Thema „sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz“ gehört nicht ins NGG, weil es bereits im AGG enthalten ist. Wir brauchen keine Dopplung in Gesetzen.

Die von Ihnen immer wieder angesprochene Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist jetzt im Gesetz ebenso als Förderziel enthalten wie die Beseitigung der Unterrepräsentanz von Frauen: Gerade das ist doch wichtig; denn nachweislich kommt es für junge Mütter und zunehmend auch für junge Väter zum Karriereknick, wenn sie sich um die Kinderbetreuung kümmern. Deshalb müssen wir etwas tun, um für Mütter, die es vor allen Dingen betrifft, aber auch für junge Väter eine Gleichstellung zu ermöglichen.

(Zustimmung bei der FDP und bei der CDU)

Zuletzt noch ein ausdrücklicher Dank an Astrid Vockert für ihre sehr ausgewogene Rede. Ich möchte mich vor allen Dingen ihrem Appell anschließen, dass die Frauen zusammenhalten müssen, um etwas zu erreichen, dass sie aber auch mit den Männern zusammen und nicht gegen sie arbeiten müssen, weil wir eher etwas schaffen, wenn wir alle in die gleiche Richtung gehen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU und Zustimmung von Helge Limburg [GRÜNE])

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich möchte nur den Hinweis geben, dass wir insgesamt eine Stunde hinter dem Zeitplan zurückliegen. Es wäre sinnvoll, wenn sich die Parlamentari

schen Geschäftsführer einmal darüber unterhalten würden.

Jetzt kommt Frau Ministerin Ross-Luttmann zu Wort. Bitte schön!

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zunächst drei Vorbemerkungen:

Erstens. Der Festakt vorgestern und die Rede von Astrid Vockert heute Morgen zum Frauenwahlrecht haben sehr eindrucksvoll die Bedeutung des Frauenwahlrechts für die Gleichberechtigung herausgestellt.

Zweitens. Frau Groskurt, ich habe sehr begrüßt, dass Sie sich für Ihre Worte bei Frau Mundlos entschuldigt haben.

Drittens. Viele Namen bedeutender Frauen sind heute Morgen schon genannt worden. Allen diesen Frauen, die sich für das Wahlrecht und die Gleichberechtigung stark gemacht haben, gilt unser Dank.

Meine Damen und Herren, ich freue mich über den eigentlich selbstverständlichen Einsatz jeder Frau, aber auch jedes Mannes, für die Gleichstellung von Männern und Frauen.

Gleichstellung und Gleichberechtigung können nur dann gelingen, wenn Frauen und Männer, die Gesellschaft insgesamt, dies gemeinsam als ihre Verantwortung erkennen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Ich muss schon sagen, es war ein sehr langer Weg, überhaupt die rechtlichen Voraussetzungen zu schaffen. Das Frauenwahlrecht von 1918 ist dabei ebenso ein Meilenstein wie das Grundgesetz von 1949. Ein genauso langer Weg ist es, die Gleichstellung, die das Recht uns gibt, in allen Bereichen tatsächlich umzusetzen.

Meine Damen und Herren, wir sollten festhalten, dass in den letzten Jahrzehnten, seit der Einführung des Frauenwahlrechts, seit der Geltung unseres Grundgesetzes, vieles geschehen ist. Deshalb teile ich, sehr geehrte Frau Groskurt, Ihre negative Grundstimmung nicht.

Lassen Sie mich einiges aufzählen: 1949 Einführung einer Witwenrente, 1952 Mutterschutzgesetz, 1957 Verbot von Frauenlohngruppen. 1957 gab es das erste Gleichberechtigungsgesetz und - man

staune; dies ist noch gar nicht so lange her - wurde das Letztentscheidungsrecht des Mannes in Familienangelegenheiten und sein Kündigungsrecht gegenüber dem Arbeitgeber der Frau gestrichen. 1994 war es erforderlich, die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern in Artikel 3 Abs. 2 Satz 2 des Grundgesetzes zu verankern. Die Niedersächsische Verfassung hatte ein Jahr zuvor die Verwirklichung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern als ständige Aufgabe dem Land, den Gemeinden und den Landkreisen übertragen.

Für mich ist eines ganz wichtig: Gleichberechtigung bedeutet Gleichberechtigung in allen Bereichen des täglichen Lebens. Für das, was wir bis heute erreicht haben, möchte ich allen Frauen danken, gleichgültig ob ihre Leistungen in der Familie, im Ehrenamt oder in der Berufswelt gewesen sind. Ihnen allen gebührt Dank und Anerkennung.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, selbstverständlich darf es bei diesem wichtigen Thema keinen Stillstand geben. Wir haben - dies ist heute deutlich geworden, sowohl in der Rede von Frau Vockert als auch auf der Veranstaltung unseres Landtagspräsidenten - noch Nachholbedarf. Frauen im Beruf haben, sowohl was die Entgelthöhe als auch die Aufstiegschancen angeht, nicht überall eine gleichberechtigte Stellung. Wir brauchen Lohngerechtigkeit zwischen Frauen und Männern! Wenn der Bericht der Bundesregierung, die Bilanz zur Chancengleichheit 2007, feststellt, dass vollzeitbeschäftigte Männer durchschnittlich ein Viertel mehr Lohn als Frauen erhalten, dann kann uns das nicht kalt lassen! Wir haben hier Aufholbedarf. Deshalb habe ich am vergangenen Montag im Rahmen der Dialogreihe „Gleichberechtigt - wo stehen wir?“ zum Thema „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ eine interessante Veranstaltung durchgeführt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wenn die Politik gefordert ist, dann sind aber auch die Tarifpartner gefordert; denn auch sie sitzen immer mit am Tisch, wenn es um die Aushandlung von Lohn und Gerechtigkeit geht.