- Es ist so, aber korrekt wäre Ihre Äußerung gewesen, wenn Sie gesagt hätten, sie lägen auch in diesem Widerstand. Damit hätte ich sofort leben können.
So wie diese Äußerung gefallen ist, ist sie gewagt. Es gebührt der Fraktion der Linken Anerkennung dafür, dass sie einige Fakten zu dieser These zusammengestellt hat. Das, was dabei herausgekommen ist, spricht erst einmal für sich und relativiert die eben genannte Äußerung doch.
Nicht wenige Abgeordnete der CDU waren bereits vor 1933 Mitglied der NSDAP. Dies ist ein deutliches Zeichen dafür, dass es sich tatsächlich um Gesinnungstäter und nicht um Menschen handelte, die durch irgendwelche Umstände gezwungen waren, in diese Partei einzutreten.
Mir ist natürlich in diesem Zusammenhang die Erinnerung an einige sehr prominente CDU-Mitglieder gekommen, deren Vergangenheit sehr
eindeutig vom Nationalsozialismus geprägt war. Ich denke z. B. an Kurt-Georg Kiesinger, den ehemaligen Bundeskanzler, den Beate Klarsfeld auf dem CDU-Parteitag 1968 ohrfeigte, um seine Vergangenheit anzuprangern. Daran kann ich mich noch sehr gut erinnern.
Ich denke auch an den ehemaligen Ministerpräsidenten von Baden-Württemberg, Filbinger, den furchtbaren Marinerichter, der gnadenlos Todesurteile fällte und auch kurz vor Kriegsende noch exekutieren ließ. Wenn man von Filbinger spricht, darf man die unsägliche Trauerrede des derzeitigen Ministerpräsidenten Baden-Württembergs, Günter Oettinger, nicht unerwähnt lassen, der versucht hat, seinen Amtsvorgänger im Nachhinein zum Widerstandskämpfer hochzustilisieren.
Vor diesem Hintergrund glaube ich schon, dass der Versuch der Geschichtsklitterung, der hier unternommen worden ist, zum Scheitern verurteilt war.
Wer anderen beständig die Stasi-Vergangenheit vorhält, muss sich auch der eigenen Vergangenheit stellen. Hier gilt wieder einmal: Wer im Glashaus sitzt, soll nicht mit Steinen werfen.
(Beifall bei den GRÜNEN - Heinz Rol- fes [CDU]: Das ist ja unverschämt! Sagen Sie mal ganz konkret, was Sie damit gemeint haben! - Bernhard Bu- semann [CDU]: Zeigen Sie mir mal mein Glashaus! Was soll das eigent- lich?)
- Sie dürfen eine Zwischenfrage stellen, dann wird die Uhr angehalten. Ansonsten fahre ich jetzt fort.
Meine Damen und Herren, dies gilt aus meiner Sicht aber auch für die Fraktion der Linken. Sie darf sich hier nicht aufs hohe Ross setzen. Wenn Mitglieder der Fraktion DIE LINKE den Mauerfall noch im Oktober 2008 als „unsere Niederlage von 1989“ bezeichnen, zeigt dies ebenfalls eine völlig unzureichende Auseinandersetzung mit den Verbrechen, die in diesem Teil Deutschlands geschehen sind.
Wer so redet, leugnet Bautzen, Selbstschussanlagen und das Einsperren eines ganzen Volkes. - Ich sehe hier auch bei Ihnen erheblichen Nachholbedarf und überhaupt keinen Anlass zur Selbstgerechtigkeit.
Meine Damen und Herren, der Landtagspräsident hat sich bereit erklärt, sich diesen Fragen zu stellen. Allerdings war der Presse zu entnehmen - er hat dies heute schon etwas relativiert -, es gehe auch darum, diejenigen näher zu beleuchten, die sich in den unterschiedlichen Flügeln der KPD engagiert hätten. Dies halte ich für ein bisschen schräg: Hier wird der alte Reflex bedient, immer da, wo man „rechtsextremistisch“ sagt, gleichzeitig auch „linksextremistisch“ sagen zu müssen.
Sie können das gern machen. Aber ich bin davon überzeugt, dass Sie unter den ehemaligen Abgeordneten des Landtages kein KPD-Mitglied und sicherlich auch keinen Sozialdemokraten finden werden, der sich in der NSDAP engagiert hat. Sie waren nämlich entweder im Exil oder im KZ oder so unterdrückt, dass sie sich überhaupt nicht mehr - - -
Die im Antrag der Linken vorgeschlagene besondere Kommission ist nach meinem Dafürhalten nicht nötig. Es geht zunächst einmal darum, weiter zu forschen; dies halten wir für richtig. Das Gremium, das sich damit beschäftigen sollte, haben wir schon: das Landtagspräsidium. Es sollte Wissenschaftler beauftragen, dem Landtag einen Bericht erstatten und auch darüber entscheiden, wie mit den Ergebnissen umzugehen ist. Dass wir das gemeinsam tun und auch unterstützen, sind wir den Opfern des Nationalsozialismus, für die Herr Fürst vorgestern in der Gedenkstunde des Landtags eindrucksvoll gesprochen hat, gemeinsam schuldig.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich zunächst eine Vorbemerkung machen. Ich bin 1982 in den Landtag gewählt worden. Im Jahre 1983 gab es aus Anlass des 50. Jahrestages der Machtübertragung - so sage ich lieber, nicht „Machtergreifung“ -
hier im Landtag eine Debatte über Ursachen und Folgen bis heute. Dieser Antrag wurde hier sehr ernsthaft diskutiert und wurde von den damaligen Regierungsfraktionen so beurteilt, wie das Herr Bode gestern auch für die FDP getan hat. Ich war sehr enttäuscht, meine Damen und Herren von der CDU-Fraktion, dass Sie unseren neuen Antrag zurückgewiesen und gesagt haben: Wir machen alles, wir brauchen darüber nicht weiter zu reden. - Denn ich glaube, dass dieses Thema sehr ernst und sehr wichtig ist und in Anbetracht der jüngsten Vorfälle auch für das Parlament ein Anlass ist, sich zu einer gemeinsamen Position zusammenzufinden. Ich appelliere an Sie, diese Ablehnung, die gestern geäußert worden ist, zu revidieren.
Meine Damen und Herren, eine weitere Bemerkung vorweg. Ich glaube, die Beurteilung des Herrn Präsidenten, die Aufmachung und die Zielrichtung der Broschüre der Fraktion DIE LINKE sei dergestalt, dass sie wohl als politisches Mittel eingesetzt werden solle, und nicht dergestalt, dass sie zur Aufklärung beitrage, ist etwas, worüber wir mit ihnen auch noch einmal reden müssen.
Meine Damen und Herren, ich möchte mit einem Zitat beginnen. Karl Barth hat 1945 in seinem Aufsatz „Zur Genesung des deutschen Wesens“ folgenden Satz formuliert: Nur noch vom Nullpunkt her können wir eine Zukunft leben.
Noch 1947 sprach Karl Jaspers in seiner Schrift „Der philosophische Glaube“: Wir sind heute trotz aller Erschütterungen und Zerstörungen noch immer in der Gefahr zu leben und zu denken, als ob eigentlich nichts geschehen ist.
Beide Zitate, finde ich, beschreiben den Spannungsbogen, den man eigentlich für die etwas einseitig geratene Aufarbeitung von Herrn Dr. Klausch zur nazistischen Vergangenheit ehemaliger niedersächsischer Landtagsabgeordneter von CDU, FDP und DP nach deren selbstverfassten Lebensläufen zugrunde legen müsste.
Meine Damen und Herren, ich glaube, es fehlt auch noch eine dritte Dimension, die man deutlich benennen muss. Da geht es nicht um Verdrängen und Nicht-Wahrhaben-Wollen. Es geht um die Verharmlosung des Schreckens, um die Verachtung der Demokratie, um die Verblendung durch patriotische Phrasen und auch um die Rechtfertigung des Antisemitismus.
Meine Damen und Herren, es stellt sich die Frage, ob die zitierten Biographien eine Beurteilung nach den drei Kriterien wirklich erlauben. Ich bezweifle das. Aber es ist schon zu fragen, warum in den Lebensläufen die NS-Zeit so häufig ausgeblendet wurde.
Meine Damen und Herren, erinnern wir uns: Nach dem Reichstagsbrand 1933 begann die von Hindenburg durch Notverordnung sanktionierte Verfolgung der Kommunisten und missliebigen Sozialdemokraten. Trotz aller Terrormaßnahmen erreichte die NSDAP nur mit Hilfe der DNVP bei den Reichstagswahlen im März die absolute Mehrheit. Die NSDAP profitierte von der im Vergleich zu den vorangegangenen Wahlen deutlich höheren Wahlbeteiligung, die 88,8 % betrug. Dennoch war die Zweidrittelmehrheit für ein Ermächtigungsgesetz nicht erreicht. Dies wurde erst durch die Kapitulation der noch vorhandenen bürgerlichen Kräfte möglich. Nur die SPD verweigerte die Zustimmung. Der KPD waren die Mandate vorher aberkannt worden.
Vor dieser Situation und dann nach dem Ende der NS-Zeit gab es Menschen, die sich wieder für diesen Staat einsetzen wollten, die gestalten wollten. Trotzdem hat es in Deutschland - für mich jedenfalls - eigentlich bis zu der großen Rede von Richard von Weizsäcker am 8. Mai 1985 gedauert, bis auch dieser schreckliche Abschnitt der dunklen Geschichte als entdeckte oder verborgen gebliebene Schuld angenommen wurde. Von Weizsäcker sagte zu Recht:
„Es geht nicht darum, Vergangenheit zu bewältigen. Das kann man gar nicht. Sie lässt sich ja auch nicht nachträglich ändern oder ungeschehen machen. Wer aber vor der Vergangenheit die Augen verschließt, wird blind für die Gegenwart. Wer sich der Unmenschlichkeit nicht erinnern will, der wird wieder anfällig für neue Ansteckungsgefahren.“
Meine Damen und Herren, ich weiß deshalb nicht, ob uns der politische Reflex der Fraktion DIE LINKE in dieser Diskussion wirklich weiterführt. Diese dunkle Schicksalsfrage eignet sich wirklich nicht für eine parteipolitisch motivierte Auseinandersetzung mit dem Leitsatz „Wirfst du mir meine ideologische Nähe zur DDR vor, zeige ich dir deine ehemaligen Abgeordneten mit nazistischer Vergangenheit“. Das ist nicht das Niveau, das wir brauchen.
Aber, Herr Dr. Althusmann, wer die geistigen und politischen Wurzeln im christlich motivierten Widerstand gegen den Terror des Nationalsozialismus vollmundig als alleinige Wahrheit für die CDU propagiert, darf sich über die Hinweise und Fragen zur auch vorhandenen NS-Vergangenheit von ehemaligen CDU-Abgeordneten nicht wundern.
Meine Damen und Herren, in meiner ersten öffentlichen repräsentativen Aufgabe als Vizepräsident war ich an der Beisetzung von Peter von Oertzen zugegen. Niemand hier im Hause wird ihm seine antifaschistische Einstellung absprechen. Aber er hat in der von ihm vorgegebenen Rückschau über sein Leben auch seine Verirrungen, Falscheinschätzungen und das Nichterkennen der Banalität des Bösen in den jungen Jahren während des Dritten Reiches zugegeben und aufgearbeitet.
Meine Damen und Herren, ich bin sicher, das gilt nicht nur für Peter von Oertzen. Es muss uns aber auch darum gehen, die anzuerkennen, die aus den Fehlern gelernt und die junge Demokratie mit aufgebaut haben. Meine Damen und Herren, wenn dann so getan wird, als hätte dieses Thema seinerzeit überhaupt keine Rolle gespielt, will ich daran erinnern, dass der damalige Landtagspräsident Horst Milde, der das Handbuch des ersten Niedersächsischen Landtages von 1948 im Jahr 1996 wieder auflegen ließ, in einem Vorwort schreibt:
„Von besonderem Interesse scheinen mir allerdings die Biographien der Abgeordneten des ersten gewählten Landtages zu sein. Hier offenbaren sich Schicksale von Menschen, die sich in schwierigster Zeit zum gemeinsamen Aufbauwerk zusammengefunden haben. Die einen hatten das Konzentrationslager überlebt. Die an
deren - schon zu Zeiten der Weimarer Republik in der Politik aktiv - waren von den Nationalsozialisten aus ihren Ämtern entfernt worden. Bei wieder anderen klingt an, dass sie in der NSZeit schuldig geworden sein mochten, nun aber andere, bessere Wege gehen wollten.“
Meine Damen und Herren, das kann man nicht erkennen, wenn man eine Biographie, wie sie abgedruckt ist, liest. Peter von Oertzen hat übrigens in seiner Biographie für den Landtag diese Zeit auch nicht benannt. Trotzdem ist er sehr bewusst, wie ich das vorhin geschildert habe, mit dieser Vergangenheit umgegangen.