Protokoll der Sitzung vom 11.12.2008

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Frau Krause-Behrens möchte antworten. Sie haben eine Redezeit von anderthalb Minuten. Bitte!

Herr Kollege Bode, ich glaube, Sie haben eine selektive Wahrnehmung.

(Zustimmung von Patrick-Marc Hum- ke-Focks [LINKE])

Wir müssen feststellen, dass das Thema Neuorientierung der Stiftungslandschaft weder im zuständigen Fachausschuss noch in den Gremien der Stiftung, noch ausreichend mit den Kulturakteuren besprochen worden ist.

(Wolfgang Jüttner [SPD]: Noch im letzten Monat im Plenum beantwortet worden ist!)

Wir haben im September den Minister im zuständigen Fachausschuss explizit gefragt, was er hinsichtlich der Neuordnung der Kulturstiftung vorhabe. Was hat er geantwortet? - Er hat gesagt, darin sei er gar nicht involviert, dies mache die Staatskanzlei. So viel dazu, wie sich der Minister zu diesem Thema äußert!

(Beifall bei der SPD - Kreszentia Flauger [LINKE]: Das ist aber gar nicht demokratisch!)

Die nächste Rednerin ist Frau Heinen-Kljajić von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Bitte schön!

(David McAllister [CDU]: Wir machen das gut! Sauber strukturiert! Drei Säu- len! - Wolfgang Jüttner [SPD]: Herr Wulff hat geantwortet „Da müsst ihr zur FDP gehen, ich habe damit nichts zu tun“! - Weitere Zurufe)

- Moment, Frau Heinen-Kljajić! - Ist das geklärt? - Dann können wir anfangen. Bitte, Frau HeinenKljajić!

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Haushalt im Bereich Wissenschaft und Kultur ist unspektakulär, und genau das macht ihn angreifbar. Würde man den Verlautbarungen, Ihren Sonntagsreden und Pressemitteilungen glauben, dann könnte man meinen, Sie haben im letzten Jahr wirklich eine bildungspolitische Anstrengung nach der anderen gestemmt.

(Zustimmung bei der CDU)

- Vorsicht! Langsam! - Da jagt ein Bildungsgipfel den nächsten. Da werden Qualitätsoffensiven gestartet. Da wird „Vorfahrt für Bildung“ ausgerufen. Aber bei einer Betrachtung der Wirklichkeit stellt man schnell fest: „Stillstand bei Bildung“ wäre die treffendere Beschreibung.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Dabei sind die Anforderungen besonders im Hochschulbereich enorm. Die demografische Entwicklung gibt uns die Chance, in den nächsten Jahren mehr Studierende an unsere Hochschulen zu holen. Das wird aber nur gelingen, wenn wir mehr Studienplätze schaffen, ohne dass dabei die Qualität des Studiums leidet.

Wie wenig der Haushalt den Herausforderungen im kommenden Jahr gewachsen ist, macht ein ganz einfacher Zahlenvergleich deutlich: Im Hochschulbereich werden die Ausgaben nach dem Willen von CDU und FDP im kommenden Jahr um 1,16 % steigen. Allein die anstehenden Tarifsteigerungen, die die Hochschulen vermutlich werden mittragen müssen - im Zukunftsvertrag sind 0,8 % festgelegt -, würden davon schon die Hälfte auffressen. Selbst im Vergleich zum Aufwuchs des Gesamthaushaltes um fast 4 % kommt der Hochschuletat - da werden Sie wohl kaum widersprechen können - recht bescheiden daher. Wie immer ist der Zweikampf Wissenschaftsminister gegen Finanzminister zugunsten des seit sechs Jahren ungeschlagenen Titelverteidigers Möllring ausgegangen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Die Kräfteverhältnisse im Kabinett Wulff mag dieses Ergebnis realistisch abbilden, die Bedarfe an den Hochschulen aber sicherlich nicht. Während die Mittel faktisch stagnieren, wird alleine die Zahl der studierfähigen jungen Menschen nach den Prognosen der KMK in 2009 um knapp 4 % steigen. Das heißt unter dem Strich: Bei nahezu unveränderten Einnahmen müssen die Hochschulen mehr Kosten und mehr an Leistung stemmen. Schon dieser simple Zahlenvergleich, der so etwas wie Sanierungsstau oder sonstige Sonderausgaben gar nicht erst berücksichtigt, macht klar: Vorfahrt für Bildung sieht anders aus.

Meine Damen und Herren von den Regierungsfraktionen, faktisch beschließen Sie mit diesem Haushalt eine weitere Zuspitzung der Unterfinanzierung der Hochschulen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Die durchschnittlichen Finanzmittel pro Studienplatz gehen mit dem Anstieg der Studierendenzahlen weiter zurück. Während die Wissenschaftsverbände eine Verbesserung der Betreuungsrelationen in den neuen Studiengängen fordern, bauen Sie sie ab. Notwendige Infrastrukturanpassungen, wie etwa die Anmietung zusätzlicher Raumkapazitäten für den doppelten Abiturjahrgang, sind in Ihrem Kalkül ebenso wenig eingeplant wie der Bau dringend benötigter zusätzlicher Kapazitäten bei den Studentenwohnheimen.

Meine Damen und Herren, dank Ihrer Hochschulpolitik droht die Chance steigender Studierendenzahlen zum Risiko zu verkommen. Ob wir in Zukunft im Standortwettbewerb um Arbeitsplätze und Steueraufkommen bestehen können, hängt wesentlich von einem Faktor ab: Sind wir in der Lage, möglichst viele hoch qualifizierte junge Menschen in Niedersachsen auszubilden und auch hier zu halten?

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wo setzt man da an, wenn nicht an den Hochschulen, und wie setzt man es um? - Durch die Schaffung attraktiver Studienangebote, durch optimale Studienbedingungen und durch eine Forschungslandschaft, die an gesellschaftlich relevanten Zukunftsfragen arbeitet.

Wenn das aber der einzige Faktor ist, auf den wir in Bezug auf unsere wirtschaftliche Entwicklung immerhin noch selbst Einfluss nehmen können - ich erinnere an die vorlaufende Debatte -, was in diesen Tagen bekanntlich schon etwas heißen will, dann ist es doch nur logisch, auch und gerade im Sinne der Haushaltskonsolidierung hier einen Investitionsschwerpunkt zu legen.

Wir haben in unseren Haushaltsanträgen Vorschläge gemacht, von denen ich Ihnen jetzt einige kurz vorstellen möchte.

Meine Damen und Herren, das soziale Ungleichgewicht an unseren Hochschulen macht deutlich, dass Bildungsentscheidungen sehr stark an Kostenüberlegungen gekoppelt sind. Ich will Sie jetzt gar nicht weiter mit den jeweiligen Umfragen behelligen. Sie alle kennen die Zahlen längst. Doch schon der gesunde Menschenverstand legt eigentlich nahe - ohne dass man sich so etwas wie PISA oder OECD ansieht -, dass man die Kosten des Studiums senken muss, wenn man Kinder aus einkommensschwachen und bildungsfernen Elternhäusern an die Hochschulen holen möchte.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Studiengebühren sind angesichts des absehbaren oder in Teilen schon bestehenden Akademikermangels schlicht und einfach das absolut falsche Steuerungsinstrument. Bereits heute liegt die Studierendenquote in Niedersachsen um ein Fünftel niedriger als im Bundesdurchschnitt.

Dass es ein Standortvorteil sein kann, keine Studiengebühren zu erheben, hat selbst der ansonsten unbelehrbare Herr Koch in Hessen verstanden.

(Kreszentia Flauger [LINKE]: Es geht doch!)

Wir halten deshalb an unserer Forderung fest: Die Studiengebühren gehören abgeschafft! Deren Aufkommen muss durch Landesmittel kompensiert werden!

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

Parallel dazu müssen wir ein attraktives Stipendienangebot aufbauen. Ich bin der Auffassung: Im Wettbewerb um die besten Köpfe werden Stipendien eine immer größere Rolle spielen. Das sind Ihre Worte, Herr Minister Stratmann, bei der Einbringung des Haushalts im Ausschuss gewesen, denen aber leider keine Taten folgen. Ihr Modell ist nur ein Tropfen auf den heißen Stein; denn erstens brauchen wir Vollstipendien, die auch die Lebenshaltungskosten und nicht nur die Studiengebühren umfassen. Zweitens kann es doch nicht angehen, dass Sie als Fachminister vollmundig ausrufen, wir bräuchten mehr Stipendien, dann aber im Wesentlichen Dritte, nämlich die Wirtschaft und vor allen Dingen die Studierenden selbst mit ihrem Gebührenaufkommen, zur Kasse bitten. Das ist, finde ich, ein recht merkwürdiges Verständnis von sozialer Verantwortung des Gesetzgebers.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, die Gegenleistungen für die gezahlten Gebühren sind mitnichten bessere Studienbedingungen. Die Betreuungsschlüssel wurden und werden weiter abgesenkt. Der Mangel an ausreichender Infrastruktur, wie fehlende Räume und Labore, wird spätestens 2011 mit dem doppelten Abiturjahrgang drastisch zunehmen. Um den Qualitätsverlust der Studienbedingungen zumindest zu entschärfen und besonders im Bereich der Lehre eine Verbesserung zu erreichen, fordern wir deshalb, die Hochschuletats um 50 Millionen Euro aufzustocken.

Meine Damen und Herren, die Bilanz im Hochschulbereich fällt negativ aus. Wo eigentlich ideenreiche Zukunftspolitik für ein wissensbasiertes 21. Jahrhundert gemacht werden müsste, herrschen Mutlosigkeit und Lethargie. Wenn in der Hochschulpolitik überhaupt ein Profil erkennbar ist, dann ist es allenfalls eine Spur von Pleiten, Pech und Pannen, die sich durch die Wirkungsstätten des Ministers zieht. Das Thema NTH werden wir gleich im Anschluss diskutieren. Das muss ich an dieser Stelle gar nicht aufgreifen.

Herr Minister, auch im Kulturbereich waren Sie nicht in der Lage, lenkend und gegensteuernd in einen Prozess einzugreifen, der von Anbeginn an aus dem Ruder lief. Sie werden es ahnen: Ich meine den Museumsstreit. Ihre Debatte einer Neukonzeption der Landesmuseen mag im Grundsatz völlig richtig gewesen sein. Die Umsetzung - tut mir leid! - war dilettantisch.

Obwohl Sie hochsensible Einschnitte in die bevorstehenden Strukturen angekündigt hatten, hatten Sie nur eine grobe Idee davon, wie die neuen Strukturen aussehen sollen. Den Rest sollte dann ein einzukaufender Fachmann für Sie erledigen. Bei so vielen Unwägbarkeiten musste die Debatte zwangsläufig zum Nährboden wildester Spekulationen werden. Über Wochen hinweg bestimmten lokalpolitische Verschwörungstheorien die Debatte. Der zwischenzeitlich gefundene Fachmann suchte dann schnell das Weite, als er den Braten roch und merkte, in welchen Scherbenhaufen Sie ihn setzen wollten. Bis heute sind Sie konkrete Umsetzungsvorschläge an dieser Stelle schuldig geblieben.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Diese Geschichte mag für viele Zeitungsleser einen Unterhaltungswert gehabt haben; eine der Dimension des Vorschlags würdige Debatte war das sicherlich nicht. Als PR-Gag zur Bewerbung des zuweilen angestaubten Images von Landesmuseen war es vielleicht ein echter Coup, Herr Minister, als Leistung des zuständigen Ressortministers war es ein Flop.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ansonsten bildet der Kulturhaushalt immerhin den Einstieg in das Programm „Wir machen Musik“ ab, was wir durchaus begrüßen. Aus unserer Sicht fehlt allerdings eine Mittelaufstockung bei der Soziokultur, die der Fachminister befürwortet hat, die die Fraktionen aber leider nicht mitgetragen haben.

(Karl-Heinz Klare [CDU]: Was? Kann ich mir nicht vorstellen!)

Wir setzen daher im Bereich der Projektförderung zur Steigerung der breiten Teilhabe an Kultur und Kunst und zur Integration von Migranten insgesamt zusätzlich 2 Millionen Euro ein. Was die freien Träger aber mehr als die fehlende Aufstockung der Mittel beunruhigt, ist die Neustrukturierung der Stiftungslandschaft. Indem der Lotto-Stiftung der Bereich Kulturförderung entzogen wird, fehlt der freien Kunst- und Kulturszene künftig ein bewährter Partner bei der Realisierung kleiner und innovativer Projekte jenseits des massenkompatiblen Mainstreams. Nur um die Wirkungsstätte eines Parteifreundes der FDP zu vergolden und direkten Zugriff auf mehr Stiftungsmittel zu erhalten, wird unter Anführung von Rationalisierungseffekten, die ein Gutachten des Niedersächsischen Instituts für Wirtschaftsforschung in allen Punkten widerlegt hat, eine bewährte Struktur zerschlagen.

Meine Damen und Herren, meine Redezeit ist jetzt leider abgelaufen. Ich hätte sonst eigentlich, passend zur Adventszeit, noch etwas Versöhnliches sagen können, weil es im Bereich „Lebenslanges Lernen“ durchaus Punkte gibt, bei denen Überschneidungen zwischen Ihrer Programmatik und grüner Programmatik zu finden sind. Dazu fehlt jetzt leider die Zeit. Als Bilanz bleibt festzuhalten: Der Bereich Wissenschaft und Kultur hat zwar im Jahr 2008 die meisten Schlagzeilen gemacht; Großes geleistet hat er nicht.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Der gute Wille wird zur Kenntnis genommen, Frau Heinen-Kljajić. - Herr Victor Perli von der Fraktion DIE LINKE, bitte!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich hatte neulich einen Traum: Die Landesregierung stellte quasi über Nacht zusätzliche 3,5 Milliarden Euro für Bildung und Wissenschaft bereit.