Protokoll der Sitzung vom 11.12.2008

Welche Effekte wurden durch die Einführung des beitragsfreien letzten Kindergartenjahres vor der Einschulung erreicht?

Seit August 2007 haben alle Kinder im letzten Jahr vor der Einschulung einen Anspruch auf einen beitragsfreien Platz in einer Tageseinrichtung für Kinder. Um zu erkennen, welche Effekte dieses beitragsfreie Jahr hatte oder ob es sich lediglich um eine finanzielle Entlastung der Eltern handelt, ist eine Evaluation des neuen Gesetzes dringend notwendig. Aufgrund von Rückmeldungen von Elterninitiativen, die diese Landesförderung nicht erhalten, da sie nicht in die Bedarfsplanung der jeweiligen Kommunen aufgenommen worden sind, stellt sich die Frage, ob es durch das Gesetz unbeabsichtigt auch zu Wettbewerbsverzerrungen im Betreuungsbereich gekommen ist.

Ich frage die Landesregierung:

1. Findet eine Evaluation des Landes statt, die z. B. die Frage klärt, ob durch das kostenlose letzte Kindergartenjahr die Besuchsquote erhöht werden konnte? Wenn ja, in welchem Umfang?

2. In welchem Umfang wurden mehr Kinder mit Migrationshintergrund erreicht?

3. Wie viele Betreuungseinrichtungen sind dem Land bekannt, die nicht in die Bedarfsplanung der Kommunen aufgenommen worden sind, und daher die 120 bzw. 160 Euro des Landes nicht weitergereicht bekommen?

Die Landesregierung verbindet mit einem elternbeitragsfreien Kindergartenjahr die Erwartung, dass alle Kinder dieses wichtige Bildungsangebot wahrnehmen und die notwendige Verzahnung zwischen Schule und Kindertagesstätte noch weiter verbessert wird. Sie leistet damit einen entscheidenden Beitrag zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf und zur Entlastung von Familien. Frühe Bildung sichert aber auch die Zukunftschancen der Kinder. Eine gut geführte Kindertagesstätte ist neben der Familie der ideale Ort für frühe Teilhabe an Bildung.

Die Elternbeitragsfreiheit gilt für das Kindergartenjahr, das der Schulpflicht unmittelbar vorausgeht. Die Elternbeitragsfreiheit gilt auch für die Kinder, die aufgrund einer Zurückstellung vom Schulbesuch ein weiteres Jahr eine Kindertagesstätte besuchen und als nachträgliche Erstattung auch für die sogenannten Kannkinder, die vorzeitig eingeschult werden.

Das Land gewährt den örtlichen Trägern der Jugendhilfe und den Gemeinden, die die Aufgaben der Kinderbetreuung wahrnehmen, zum Ausgleich für die entfallenden Elternbeiträge eine pauschalierte besondere Finanzhilfe pro Kind. Diese wird entsprechend der Betreuungszeit in zwei gestaffelten Pauschalen gezahlt. Für eine vierstündige Halbtagsbetreuung in einer Vormittagsgruppe oder Nachmittagsgruppe bzw. für eine dreistündige Betreuung in einem Kinderspielkreis bis hin zu einer Betreuung unter acht Stunden beträgt die Pauschale 120 Euro monatlich. Für eine Ganztagsbetreuung von mindestens je acht Stunden an fünf Tagen beträgt sie 160 Euro monatlich pro Kind. Die Kosten für Verpflegung bleiben dabei unberücksichtigt.

Die Höhen der vorgesehenen Pauschalen sind so bemessen, dass sie im Regelfall den wegfallenden Elternbeitrag ausgleichen. Da die Kommunen auch die Finanzhilfe für die Kinder bekommen, für die

sie die sogenannte wirtschaftliche Jugendhilfe zu entrichten haben, sind die Mittel des Landes, die zur Verfügung gestellt werden, insgesamt als angemessen und auskömmlich zu betrachten.

Das Land überprüft erstmalig zum 1. August 2011, ob die Pauschalen den Durchschnittssätzen der Elternbeiträge noch entsprechen. Eine frühere Evaluation ist nicht sinnvoll, da zunächst Daten und Erfahrungen mit dem Gesetz vorliegen müssen.

Aus den oben beschriebenen bildungspolitischen Zielen werden die Plätze in Tageseinrichtungen gefördert, die ein Mindestmaß an Betreuungszeit zur Erreichung der Förderziele von Kindern gewährleisten. Als untere Grenze gilt hier für Spielkreise eine Betreuungszeit von mindestens 15 Stunden in der Woche am Vormittag.

Der Anspruch auf Beitragsfreiheit im letzten Kindergartenjahr gilt für alle Kinder. Allerdings entscheiden die Kommunen in ihrer Verantwortung als örtliche Träger der Kinder- und Jugendhilfe selbst, ob nur Plätze in Einrichtungen, die auf die örtliche Jugendhilfeplanung angerechnet werden, berücksichtigt werden oder auch Einrichtungen, die nicht in diese Planung aufgenommen sind. Dabei sind die Kommunen aber in jedem Fall verpflichtet, unter Beachtung des Wunsch- und Wahlrechtes der Eltern einen beitragsfreien Kindergartenplatz zur Verfügung zu stellen.

Dies vorausgeschickt, beantworte ich namens der Landesregierung die Fragen im Einzelnen wie folgt:

Zu 1: Ja, eine Evaluation ist für 2011 geplant. Grundlage sind Angaben der Bundesstatistik über die Inanspruchnahme von Kindergartenplätzen. Erhebungsstichtag ist der 15. März eines Jahres.

Zu 2: In der Statistik werden Kinder mit Migrationshintergrund gesondert erfasst. Die Auswertung zum 1. August 2011 bleibt abzuwarten.

Zu 3: Über Einrichtungen der Tagesbetreuung für Kinder, die nicht in der Jugendhilfeplanung des jeweiligen örtlichen Trägers der Jugendhilfe geführt werden, erhebt das Land keine Statistik.

Anlage 29

Antwort

des Ministeriums für Soziales, Frauen, Familie und Gesundheit auf die Frage 32 der Abg. Heidemarie Mundlos (CDU)

Zur Situation junger wohnungsloser Menschen in Niedersachsen

Wohnungslose Personen befinden sich in einer besonders schwierigen Lebenslage. Die ganz überwiegende Zahl dieser Personen bedarf der Hilfen für Menschen mit besonderen sozialen Schwierigkeiten nach § 67 SGB XII. Nach Schätzungen der Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe lag ihre Zahl im Jahr 2006 bei 254 000. Erfreulicherweise hat sich der Rückgang der Wohnungslosigkeit gegenüber 2003 (310 000) weiter fortgesetzt und gegenüber 1998 (530 000) mehr als halbiert. Dieser Rückgang der Wohnungslosigkeit wirkte sich bei Familien stärker aus als bei Alleinstehenden. 2006 hat sich gegenüber den Schätzungen von 2003 die Zahl der wohnungslosen Kinder und Jugendlichen halbiert. Die verstärkte Präventionsarbeit der Kommunen zur Verhinderung von Wohnungsverlust sowie die Integrationsarbeit der Wohnungslosenhilfe zeigen bei dem Rückgang insgesamt ihre Wirkung. Hilfesuchende mit ihren unterschiedlichen Problemlagen benötigen das gesamte vorhandene und gut aufgestellte Angebot der Hilfeanbieter. Nur ein Zusammenwirken der ambulanten Hilfe und der stationären Hilfe in Verbindung mit der nachgehenden Hilfe der Tagestreffs sichert den Hilfebedarf für Menschen mit besonderen sozialen Schwierigkeiten nach § 67 SGB XII ab.

Ich frage die Landesregierung:

1. Wie hat sich die Anzahl der Menschen mit besonderen sozialen Schwierigkeiten in Niedersachsen im Vergleich zum Bundestrend der letzten Jahre entwickelt?

2. Mit welchen Maßnahmen begegnet die Landesregierung den spezifischen Problemlagen von jungen Menschen mit besonderen sozialen Schwierigkeiten unter 25 Jahren?

3. Mit welchen Maßnahmen will die Landesregierung einem eventuellen Wiederanstieg der Fallzahlen von jungen Menschen mit besonderen sozialen Schwierigkeiten entgegenwirken, der im Arbeitsbericht 2007 der Zentralen Beratungsstelle Braunschweig der Wohnungslosenhilfe prognostiziert wird?

Personen mit besonderen Lebensverhältnisse (z. B. fehlende oder nicht ausreichende Wohnung) und sozialen Schwierigkeiten können zur Überwindung ihrer Hilfebedürftigkeit Leistungen nach den §§ 67 bis 69 SGB XII in Anspruch nehmen. Die Leistungen umfassen nach § 68 Abs. 1 SGB XII alle Maßnahmen, die notwendig sind, um die Schwierigkeiten abzuwenden, zu beseitigen oder

zu mildern. Dazu gehören insbesondere Beratung und persönliche Betreuung für die Leistungsberechtigten und ihre Angehörigen, Hilfen zur Ausbildung, Erlangung und Sicherung eines Arbeitsplatzes sowie Maßnahmen bei der Erhaltung und Beschaffung einer Wohnung.

In Deutschland gibt es keine auf Wohnungslosigkeit bezogene bundeseinheitliche statistische Berichterstattung. Auch in Niedersachsen werden keine entsprechenden Erhebungen durch den Landesbetrieb für Statistik und Kommunikationstechnologie Niedersachsen (LSKN) vorgenommen.

Die von Einrichtungen erhobenen Dokumentationen weisen lediglich gestiegene Betreuungstage auf. Ob es sich dabei um intensivere Beratungsfälle oder gestiegene Fallzahlen handelt, ist nicht bekannt.

Die Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe e. V. (BAG) in Bielefeld legt jährlich eine Schätzung zur Zahl der Wohnungslosen vor, die allerdings nicht auf die einzelnen Bundesländer heruntergebrochen wird.

In Niedersachsen bestehen mit Unterstützung des Landes ein flächendeckendes Hilfesystem und ein Netz an Tagesaufenthalten, Beratungsstellen, teilstationären und stationären Einrichtungen, die ein breites Angebot vom Ruhe- und Aufenthaltsraum über Krisenintervention bis zur individuellen Beratung und persönlichen Unterstützung vorhalten.

Die Kosten sind zwischen dem örtlichen und überörtlichen Träger aufgeteilt. Das Land trägt in seiner Zuständigkeit für alle stationären und teilstationären Hilfen sowie für die Nichtsesshaftenhilfe den ganz überwiegenden Teil der Ausgaben.

Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Fragen namens der Landesregierung wie folgt:

Zu 1: Hierzu wird auf die Vorbemerkung verwiesen.

Zu 2 und 3: Leistungen nach §§ 67 bis 69 SGB XII sind nachrangig gegenüber dem SGB VIII, sodass vom Land keine spezifischen, ausschließlich Leistungsberechtigten unter 25 Jahren vorbehaltene Hilfen vergütet werden.

Nach § 41 SGB VIII soll jungen Volljährigen Hilfe für die Persönlichkeitsentwicklung und zu eigenverantwortlicher Lebensführung gewährt werden. Die Hilfe wird in der Regel bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres gewährt; in begründeten Fällen soll sie für einen begrenzten Zeitraum darüber

hinaus fortgesetzt werden (längstens bis zur Vollendung des 27. Lebensjahres). Zuständig für diese Leistungen sind die örtlichen Träger der Jugendhilfe.

Zur Förderung sozial benachteiligter oder individuell beeinträchtigter junger Menschen im Übergang von der Schule in den Beruf hat das Land Niedersachsen jedoch die Förderprogramme Pro-AktivCentren und Jugendwerkstätten aufgelegt. Beide Förderprogramme richten sich an junge Menschen, die aufgrund mehrfacher Problemlagen ohne Unterstützung nicht in der Lage wären, eine Ausbildung zu beginnen. Die Einrichtungen bieten gezielte Unterstützungsleistungen für eine Zielgruppe, die sonst unversorgt bliebe und dauerhaft auf den Bezug von Transferleistungen angewiesen wäre.

Zielgruppe der Pro-Aktiv-Centren sind junge Menschen mit Eingliederungshemmnissen und besonderem Förderbedarf, bei denen eine berufliche Integration ohne entsprechende Hilfen nicht zu erwarten ist. Pro-Aktiv-Centren unterstützen benachteiligte junge Menschen durch individuelle Beratung und Betreuung sowie Vermittlung in Arbeit, Ausbildung oder Qualifizierungsangebote. Unterstützungsbedarf besteht neben der beruflichen Integration insbesondere beim Umgang mit Geld, bei der Suche nach einer Wohnung, gegebenenfalls mit flankierender Wohnbegleitung sowie bei der Bewältigung von Suchtproblemen.

Durch aufsuchende Angebote richten sich die ProAktiv-Centren auch an junge Menschen, die von herkömmlichen Einrichtungen nicht oder nicht mehr erreicht werden und die von allein die vorhandenen Angebote nicht aufgreifen.

Flächendeckend fördert das Land Niedersachsen anteilig 45 Pro-Aktiv-Centren mit Landes- und ESF-Mitteln. Träger sind die Landkreise, kreisfreien Städte sowie die Region Hannover. Jährlich werden rund 27 500 junge Menschen von den ProAktiv-Centren erreicht.

Darüber hinaus werden in Niedersachsen 105 Jugendwerkstätten mit ESF- und Landesmitteln gefördert. Jugendwerkstätten sind Einrichtungen der Jugendhilfe und richten sich an arbeitslose junge Menschen mit Eingliederungshemmnissen und besonderem sozialpädagogischem Unterstützungsbedarf. Das besondere Merkmal von Jugendwerkstätten ist ihr interdisziplinärer Ansatz. Die Verbindung von Qualifizierung, Beschäftigung, Bildung, Beratung und individueller sozialpädagogischer Unterstützung macht die besondere Qualität von Jugendwerkstätten aus und unterscheidet

sie von anderen berufsvorbereitenden und berufsorientierenden Maßnahmen. Jährlich werden dort rund 4 500 arbeitslose junge Menschen beruflich und schulisch qualifiziert sowie persönlich stabilisiert.

Für den Personenkreis der wohnungslosen Leistungsberechtigten, die erwerbsfähig sind, steht vorrangig das breite arbeitsmarktpolitische Instrumentarium des SGB II zur Verfügung. Die Ausgestaltung und Umsetzung von SGB-II-Maßnahmen liegt in der Zuständigkeit der Träger für Grundsicherung (in Niedersachsen 30 Argen, 13 zugelas- sene kommunale Träger und 2 getrennte Träger- schaften). Dabei ist zu berücksichtigen, dass das SGB II den unter 25 Jährigen eine besondere Bedeutung einräumt. Nach § 3 Abs. 2 Satz 1 SGB II sind erwerbsfähige Hilfebedürftige, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, unverzüglich in eine Arbeit, eine Ausbildung oder eine Arbeitsgelegenheit zu vermitteln.

Im Übrigen führt die Landesregierung die Förderung der Maßnahmen zur Qualifizierung von wohnungslosen Menschen in den Jahren 2009 und 2010 fort und stellt jährlich bis zu 800 000 Euro für diese Maßnahmen bereit. Sie zielen darauf ab, den Personenkreis mittel- bis langfristig in das Arbeitsleben zur integrieren. An den Maßnahmen können auch junge wohnungslose Menschen teilnehmen.

Mit diesem Bündel an Instrumenten wird nach Einschätzung der Landesregierung dem Bedarf umfassend Rechnung getragen.

Anlage 30

Antwort

des Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr auf die Frage 33 des Abg. Wilhelm Heidemann (CDU)