Protokoll der Sitzung vom 15.01.2009

- Letzter Satz, Frau Präsidentin! - Der Niedersächsische Städtetag sagt dazu: Mit diesem Gesetzentwurf wird Aktivität nur vorgetäuscht. - Er hat recht mit dieser Aussage. Dieses Gesetz hilft nicht den Kindern. Es beruhigt vielleicht Ihr Gewissen, aber es bringt uns keinen Millimeter weiter. Nach dreieinhalb Jahren hätten unsere Kinder in diesem Land mehr verdient, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD)

Danke schön, Herr Schwarz. - Für die FDPFraktion spricht Frau Kollegin Meißner. Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Schwarz, was Sie eben gesagt haben, klang so, als wäre das, was wir machen wollen, der völlig falsche Weg. Ich erinnere mich allerdings daran, dass die SPD-Fraktion vor über drei Jahren sogar eine verpflichtende Teilnahme an den U-Untersuchungen gefordert hatte,

(Professor Dr. Dr. Roland Zielke [FDP]: Aha!)

dass sie nach einer Fachtagung aber davon abgerückt ist, weil sie gemerkt hatte, dass die Beteiligten, also u. a. die Ärzte, das für den falschen Weg halten und dass ein verbindliches Einladungswesen sehr wohl dazu beitragen kann, etwas Positives zu bewirken.

Jetzt tun Sie so, als wäre das ausschließlich auf unserem Mist gewachsen. Wir machen uns schon seit langer Zeit interfraktionell Gedanken darüber, was man tun kann, um den Kindern zu einer besseren Gesundheit zu verhelfen. Die Wichtigkeit der

Kindergesundheit ist für uns unbestritten. Wir wissen, dass es für die Entwicklungschancen und auch für die Teilhabechancen jedes Kindes erforderlich ist, gesund aufzuwachsen.

Die meisten Eltern schicken ihre Kinder ja auch zu den Vorsorgeuntersuchungen. Darum ist das verpflichtende Einladungswesen überflüssig. Wenn die meisten Eltern mit ihren Kindern dorthin gehen, muss man sie dazu nicht auch noch verdonnern. Da man aber nicht 100 % der Eltern erreicht und nicht 100 % der Kinder zu den Untersuchungen gehen, muss man versuchen, die Kinder, die dem Kinderarzt nicht vorgestellt werden, zu erreichen, weil es für ihr Aufwachsen sehr wichtig ist, untersucht zu werden.

Wir haben hier im Plenum mehrfach darüber diskutiert, dass das verbindliche Einladungswesen der richtige Weg sein kann.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Es gestaltet sich wie folgt: Sämtliche Eltern werden eingeladen. Es gibt datenschutzrechtlich anonymisierte Karten, die man in der Arztpraxis abstempeln lassen kann, aus denen aber nicht zu ersehen ist, wo das Kind wohnt. Das alles ist anonymisiert; dem Datenschutz ist in dieser Hinsicht also umfassend Rechnung getragen.

Bei den Kindern, die untersucht worden sind, erfolgt eine Rückmeldung. Die Kinder, die nicht untersucht worden sind, werden erneut eingeladen. Wenn ein Kind auch der zweiten Einladung nicht nachkommt oder wenn die Eltern nicht wollen, dass dies gemeldet wird - was ja auch möglich ist -, erfolgt ein Hinweis. Dieser Hinweis bedeutet aber nicht, dass die Eltern ihr Kind vernachlässigen.

Das wäre eine Möglichkeit, die Teilnahmequote zu erhöhen. Wir wissen natürlich jetzt noch nicht, inwieweit das gelingt, weil dieses Verfahren neu ist. Andere Bundesländer haben es zwar schon eingeführt. Es gibt aber noch keine Evaluation. Das Verfahren ist aber eine Chance, die wir auf jeden Fall nutzen sollten.

Sie haben verschiedentlich erwähnt, was in den Beratungen gesagt wurde. Sie haben aber nicht erwähnt, dass die kommunalen Spitzenverbände es für völlig ausreichend halten, wenn, wie es in Baden-Württemberg gemacht wird, z. B. bei der Anmeldung zum Besuch des Kindergartens die Vorlage des Untersuchungsheftes verlangt würde; denn daraus könnte man ersehen, ob das Kind bei der Untersuchung gewesen ist.

Ich halte diesen Weg für nicht so gut wie unseren Weg, weil dieser Zeitpunkt zu spät wäre. Unter Umständen geschieht das bei diesem Verfahren im Alter von drei Jahren. Wir dagegen fangen bei der U 5, also im Alter von einem halben Jahr, an. Es ist entscheidend, rechtzeitig zu beginnen, um eventuelle Fehlentwicklungen zu erkennen.

Gestatten Sie mir, weil es hier um Kinderschutz geht, noch eine Richtigstellung. Herr Humke-Focks und Herr Schwarz haben behauptet, wir würden uns weigern, die Kinderrechte in die Verfassung aufzunehmen. Das ist nun wirklich unzutreffend. Wir hatten Vorstöße unternommen. Herr Schwarz, Sie wissen ganz genau, dass es vor allem an der Unbeweglichkeit der SPD-Fraktion lag, dass wir uns nicht geeinigt und keine Zweidrittelmehrheit zustande bekommen haben.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Natürlich haben wir dazu unterschiedliche Positionen. Man muss dann aber versuchen, sich aufeinander zu zu bewegen, und darf nicht sagen: Wenn die Maximalforderung nicht erfüllt wird, läuft gar nichts. An uns liegt es also nicht, wenn wir hier keine Formulierungen finden.

Letzter Punkt: Wir müssen feststellen, was wirklich erforderlich ist, um Kinder vor Misshandlungen zu schützen und um sie gesund aufwachsen zu lassen. In diesem Zusammenhang besteht sicherlich nicht nur eine Möglichkeit, sondern es gibt ein Bündel von Wegen, die man beschreiten muss. Dies tun wir ja.

Im Landkreis Hildesheim gibt es - ich habe schon oft darauf hingewiesen - ein vorbildliches Modellprojekt, nämlich PiAF in Alfeld, bei dem man merkt, dass im Zusammenwirken aller Beteiligten gerade Kindern in prekären Situationen optimal geholfen werden kann. Dies wird noch erprobt. Wir müssen dann entscheiden - dies haben Modellprojekte ja immer an sich -, ob wir das weiter ausdehnen sollten.

Lassen Sie uns dieses Einladewesen jetzt als eine Möglichkeit einführen, Kindern zu mehr gesundem Aufwachsen zu verhelfen!

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Danke schön, Frau Meißner. - Zu einer Kurzintervention hat Herr Kollege Schwarz für 1:30 Minuten das Wort!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Frau Meißner, ich möchte nur richtigstellen, was die SPD gefordert hat. Die SPD hat - dazu stehe ich - nie verbindliche Einladungen bei den U-Untersuchungen gefordert, sondern die SPD hat immer verbindliche Einladungen über den öffentlichen Gesundheitsdienst gefordert, und zwar um genau den folgenden Eindruck nicht zu bekommen: Da kommt ein Amt und übt Druck auf die Eltern aus. - Vielmehr gibt es Ärzte vor Ort, die den Kindern in Kooperation mit den niedergelassenen Kinderärzten helfen.

Verbindliche Untersuchungen nach dem SGB V, also U-Untersuchungen, hat der CDU-Bundesparteitag 2007 in Münster gefordert.

(Ministerpräsident Christian Wulff: In Münster hatten wir noch nie einen Bundesparteitag!)

- 2007; ich kann den Beschluss heraussuchen.

(David McAllister [CDU]: Aber doch nicht in Münster!)

- Dann war es woanders. Sie werden ja dort gewesen sein. - Die CDU hat 2007 verbindliche Untersuchungen gefordert. Wenn Sie sich an Ihre eigenen Beschlüsse erinnern und diese umsetzen würden, wären wir uns sofort einig; denn das ist der richtige Weg, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD)

Frau Meißner möchte antworten. Auch Sie haben 1:30 Minuten Redezeit. Bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Schwarz, es nützt doch gar nichts, jetzt herausfinden zu wollen, wer zuerst ein verbindliches Einladewesen oder verpflichtende Untersuchungen gefordert hat.

(Uwe Schwarz [SPD]: Sie haben das falsch dargestellt!)

Wir alle machen uns Gedanken darüber, wie man etwas zur Kindergesundheit beitragen kann, um das Ganze zu verbessern.

Ich habe nur gesagt, dass die SPD-Fraktion als Erste gesagt hat - dies haben Sie mittels eines Entschließungsantrages getan -: Wir brauchen

verpflichtende Untersuchungen, egal wer sie durchführt.

(Uwe Schwarz [SPD]: Soll ich es Ih- nen noch einmal sagen?)

Nach einer Anhörung haben Sie dann gemerkt - es ist ja gut, dass Sie eine Anhörung dazu durchgeführt haben -, dass das der falsche Weg ist und dass verbindliches Einladungswesen besser sein kann. Das ist wirklich so gewesen. Nichts anderes habe ich gesagt.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Danke schön, Frau Meißner. - Jetzt hat sich für die CDU-Fraktion Frau Kollegin Mundlos zu Wort gemeldet. Bitte schön!

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Werter Herr Schwarz, ich möchte nur in Stichworten auf das eingehen, was Sie vorangestellt haben:

Erstens. Kindernottelefon. Die Ministerin und auch wir haben Ihnen mehrfach erklärt, warum es so gelaufen ist, wie es gelaufen ist. Da Sie das offensichtlich nicht nachvollziehen können, werde ich mich jetzt nicht weiter dazu äußern. Dafür ist mir die Zeit zu schade.

Zweitens. Kinderrechte. Wir haben uns zu keinem Zeitpunkt zurückgelehnt und das Ziel, Kinderrechte in die Verfassung zu schreiben, auch nur nachlässig bearbeitet. Wir werden dieses Thema sehr gerne auf die Tagesordnung setzen, im Ausschuss erneut mit Ihnen beraten und die ersehnte Vorlage vom GBD wohl erhalten.

Drittens. Spielplatzgesetz. Ich habe das gestern mit Ihnen diskutiert. Die Kommunen sind vorbildlich. Kinder werden nicht schlechter gestellt. Wir werden den Kommunen bei ihrer Arbeit Unterstützung gewähren - nicht mehr und nicht weniger.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Viertens. Ich glaube, dass Sie ab und an vielleicht einmal in den Spiegel schauen sollten. Bei den Haushaltsberatungen 2006 haben Sie 30 Millionen Euro für Kinder und Kinderschutz gefordert. 2008 waren es für 2009 nur noch 20 Millionen Euro. Dies alles wollten Sie aus Mitteln des Programms „Familien mit Zukunft“ finanzieren. Wenn das kein blanker Populismus ist - rechte Tasche, linke Tasche - und Familien und Kinder dadurch nicht ge

geneinander ausgespielt werden, dann weiß ich es nicht.

Der Gesetzentwurf, der heute vorliegt, ist ein Element, vorhandene Möglichkeiten vorbildlich zu ergänzen und Kinderschutz entscheidend zu verbessern.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Kinder haben ein Recht auf Gesundheit und behütetes Aufwachsen. Dabei obliegt das Recht zur praktischen Ausgestaltung dieser Ansprüche, also Pflege, Betreuung und Erziehung von Kindern, primär den Eltern. Ich möchte an dieser Stelle ausdrücklich festhalten: Zum weit überwiegenden Teil bieten die Eltern in unserem Land ihren Kindern ein positives Umfeld und werden ihrem Elternauftrag mehr als gerecht.