Meine lieben Kolleginnen und Kollegen von der SPD, wenn Sie jetzt mit Ihrer ja nicht unberechtigten Kritik um die Ecke kommen, ist das aus meiner Sicht schlicht ein Jahr zu spät. Sie können doch nicht ernsthaft in einer Verordnung die Dinge regeln wollen, nämlich Strukturen in der beruflichen Bildung, die ins Gesetz gehört hätten, oder die sogar noch im Widerspruch zum jetzt geltenden Gesetz stehen. Dann hätten Sie letztes Jahr oder jetzt einen Antrag zum Schulgesetz vorlegen müssen. Und Sie hätten in Ihrem Änderungsantrag zur Verordnung für die berufsbildenden Schulen detaillierte und konkrete Forderungen dazu vorlegen müssen, was Sie eigentlich wollen. Ein Jahr verschieben - das ist alles, was darin steht. Das reicht nicht aus.
Meine Damen und Herren, die Kritik an der Verordnung kam ja vor allem aus dem Bereich der höheren Handelschulen. Dieser Kritik kann ich allerdings nur zum Teil folgen. Eine stärkere Berufsfeldorientierung, die die höheren Handelsschulen ablehnen, ist aus meiner Sicht richtig. Wenn der Besuch der höheren Handelsschule auf die Berufsausbildung anerkannt werden soll, dann muss auch in der Schule bei den Unterrichtsinhalten eine adäquate Berufsausbildung vermittelt werden. Sonst erkennt niemand diese freiwillig an. Die Freiwilligkeit der Anerkennung ist aber nun einmal im Berufbildungsgesetz vorgeschrieben. Es geht nur freiwillig.
Ich bin froh, dass die Regelung, die meine Fraktion im letzten Jahr in ihrem Änderungsantrag vorgeschlagen hat, jetzt tatsächlich in die Berufsbildungsverordnung aufgenommen worden ist.
Wir wollten, dass mit dem Umbau der Warteschleifen begonnen wird und diese stärker anrechnungsfähig sind. Wir wollten auch eine stärkere Modularisierung der beruflichen Bildung. Die Regierungsfraktionen haben das damals als Teufelszeug abgelehnt. Jetzt ist es in der Verordnung drin. Wunderbar! Ich freue mich, dass Sie dazugelernt haben.
Meine Damen und Herren, auch ein höherer Praxisanteil, den Herr Poppe eben so angegriffen hat, ist aus meiner Sicht richtig, auch wenn er erst einmal schwer zu organisieren ist. Wir brauchen eine stärkere Vernetzung zwischen betrieblicher und vollzeitschulischer Ausbildung. Meine Damen und Herren von der SPD, liebe Kolleginnen und Kollegen, da verstehe ich Sie wirklich nicht. In der letzten Legislaturperiode haben Sie genau das gefordert. Das haben Sie im Wahlkampf als Ihr Ausbildungskonzept gehabt: viel vollzeitschulische Ausbildung mit großem Praxisanteil. - Jetzt ist das auf einmal falsch. Dass Sie das in diesem Antrag nun auch noch mit dem Super-Modellprojekt „Regionale Kompetenzzentren“ vermischen, kann ich nun gar nicht mehr nachvollziehen. Das ist keine Bereicherung, im Gegenteil.
Meine Fraktion, die Grüne-Fraktion, wird deshalb diesen Antrag ablehnen. Das heißt nicht, dass wir mit den Änderungen bei der beruflichen Bildung einverstanden sind. Aber mit der Verschiebung der Verordnung löst man kein Problem, damit schafft man nur neue Probleme.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lieber Herr Poppe, ich schätze sonst Ihre Ausführungen teilweise sehr, aber heute finde ich nur Kritik, nicht einen einzigen Alternativvorschlag. Nur verschieben und die Sache schlechtreden - so kommen wir in der Schulpolitik und insbesondere im berufsbildenden Bereich überhaupt nicht weiter.
Die SPD schreibt in ihrem Antrag, sie befürchte die Zerstörung der beruflichen Bildung durch die Änderung der Verordnung über berufsbildende Schulen.
Wenn behauptet wird, durch die geplanten Änderungen würden die Reformvorschläge des Abschlussberichts ProReKo - hier geht es um die Kooperationszentren - massiv gefährdet und die Spielräume der berufsbildenden Schulen eingeschränkt, so ist zu sagen, dass - ganz im Gegenteil - schon heute hier sehr viel Flexibilität möglich ist. Handlungsspielräume bei der Organisation und Gestaltung von geregelten Pflichtbildungsangeboten werden eingeräumt und erweitert.
Die Weiterentwicklung der ProReKo-Schulen, um dieses Modell landesweit auf den Weg zu bringen, hat mit diesem Thema direkt eigentlich gar nichts zu tun. Aber verlassen Sie sich darauf: Dies wird in Ruhe und ohne Zeitdruck in den nächsten Jahren auf den Weg gebracht werden.
Die Änderung der BbS-VO um ein Jahr zu verschieben, wie es die SPD in ihrem Antrag fordert - Frau Korter ist schon darauf eingegangen -, ist überhaupt nicht möglich. Die Abschaffung des BGJ auf Bundesebene hat auch bei uns eine Neuordnung der BbS-VO nötig gemacht. Das Thema ist übrigens nicht kurzfristig vom Himmel gefallen, sondern seit vier Jahren im Gespräch.
Mir ist bei dieser ganzen Diskussion wichtig, dass bei der Neuordnung der beruflichen Bildung der dualen Ausbildung absoluter Vorrang eingeräumt wird.
Möglichst viele Schülerinnen und Schüler sollen eine Ausbildung erfolgreich absolvieren. Dafür sind individuelle Hilfen und passgenaue Schulangebote für die jungen Menschen wichtig.
Bisher gibt es das BGJ. Wie Sie wissen, werden dort Förderschüler, Hauptschüler und manchmal Realschüler gemeinsam unterrichtet. Dass dies manchmal nicht optimal war und es deshalb schwierig war, auf die individuellen Stärken und Schwächen einzugehen, wissen wir alle.
In Zukunft wird es die Berufseinstiegsschule mit Berufsvorbereitungsjahr und Berufseinstiegsklasse geben. Das BVJ kann Schülerinnen und Schüler,
die auf eine besondere individuelle Förderung zur Stabilisierung ihrer Persönlichkeit angewiesen sind, auf die Aufnahme einer Berufsausbildung oder einer Berufstätigkeit sehr gut vorbereiten. Das BVJ kennen wir ja schon. Zusätzlich gibt es jetzt die Berufseinstiegsklasse. Sie ist gedacht für Schüler mit einem schwachen Hauptschulabschluss oder ohne Hauptschulabschluss. Es handelt sich hierbei nicht um eine Warteschleife, wie immer wieder behauptet wird, sondern um eine passgenaue Förderung. Der Fachpraxisunterricht wird genau auf die einzelnen Berufsfelder abgestimmt. Er vermittelt Teilqualifikationen, die sich auf konkrete Ausbildungsberufe beziehen. Sie orientieren sich an der beruflichen Praxis, bieten Einblick in die Strukturen der Betriebe und machen den jungen Leuten klar, welches Anforderungsprofil an sie gestellt wird. Mit dieser Berufseinstiegsklasse wird eben keine Warteschleife absolviert. Man kann den Hauptschulabschluss erzielen, und danach geht es weiter in die einjährige Berufsfachschule, die in aller Regel als erstes Jahr der Berufsausbildung gilt.
Meine Damen und Herren, die berufsbildenden Schulen haben sich längst auf den Weg gemacht. Die Veränderungen werden flexibel angepackt. Die Handwerkskammern - wir haben in den letzten Tagen ja auch Zeitung gelesen - haben sich längst mit den berufsbildenden Schulen zusammengesetzt und appellieren für die Anerkennung der einjährigen Berufsfachschule als erstes Ausbildungsjahr.
Zu Ihrer Befürchtung und Ihrer Frage, ob jetzt ganze Berufsfelder in den Schulen wegfallen müssen, ist ganz zu klar zu sagen: In Berufsfeldern, für die es, z. B. im ländlichen Raum, zu wenig Schülerinnen und Schüler gibt, kann flexibel gemeinsam mit ähnlichen Berufsfeldern unterrichtet werden.
Insbesondere im kaufmännischen Bereich können Berufe gebündelt werden. Ich habe in den letzten Tagen von Überlegungen gehört, dass man sich in Sachsen darauf einigen will, für insgesamt 45 Berufsfelder aus dem kaufmännischen Bereich gemeinsam die berufliche Grundbildung auf den Weg zu bringen.
Meine Damen und Herren, wir haben uns sehr intensiv mit der BbS-VO beschäftigt, obwohl das eigentlich hauptsächlich Sache der Exekutive ist. Auch wir haben von eventuellen Problemen gehört, insbesondere wenn es um die Bereitstellung
von Praktikumsplätzen geht. Wir wissen, dass es hier in Niedersachsen regional sehr große Unterschiede gibt. Wir haben das Emsland und sehr wachstumsstarke Regionen, wo es kein Problem sein wird, Praktikumsplätze zu finden. Es gibt natürlich auch strukturschwächere Regionen, wo es Probleme geben kann. Bei den 160 vorgesehenen Praktikumsstunden geht es aber um eine Sollbestimmung. Die Stunden können alternativ auch an den Schulen abgehalten werden, beispielsweise in Lernbüros, die es fast überall gibt. In den Lernbüros können die Jugendlichen möglichst praxisnah unter authentischen Bedingungen lernen. Der Praxisbezug ist wichtig und kommt bei den Jugendlichen meistens sehr gut an, da sie so eine bessere Vorstellung von ihrer künftigen Ausbildung in den Betrieben bekommen.
In den kaufmännischen Berufen könnte es Probleme geben - auch wir haben natürlich die Stellungnahmen gelesen -, aber man kann nicht sagen, diese einjährige Berufsfachschule werde grundsätzlich nicht als erstes Ausbildungsjahr anerkannt. Das ist nicht richtig. Die Anerkennung ist im Übrigen nicht unsere Sache, sondern sie ist Sache der Vertragspartner, und deswegen sollten wir uns da auch nicht einmischen.
Wichtig ist: Berufsorientierung findet in Zukunft mehr in den allgemeinbildenden Schulen statt. Hier sind wir auf einem guten Wege; Stichwort: Hauptschulprofilierung. Wir werden hier von allen Seiten gelobt.
Meine Damen und Herren, ich komme zum Schluss. Bei allem, was neu ist, kann es Anlaufprobleme geben, aber allen Unkenrufen zum Trotz stelle ich hier abschließend fest: Insgesamt wird die berufliche Bildung auf einen guten Weg gebracht. Vor Ort können ganz nach regionalen Erfordernissen und in Absprache mit der ausbildenden Wirtschaft flexibel die Berufseinstiegsschule und die einjährige Berufsfachschule eingerichtet werden. Deswegen sind wir mit der vorgelegten BbS-VO zufrieden und lehnen den SPD-Antrag ab.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Um es gleich vorweg zu sagen: Dieser Antrag der SPD scheint uns nicht der Weisheit letzter Schluss zu sein.
Eines ist richtig: Weder die Schulgesetznovelle des letzten Sommers noch die neue Verordnung zur beruflichen Bildung werden den Maßnahmendschungel und die Warteschleifen in der beruflichen Bildung auflösen. Die neue BbS-VO ist an manchen Punkten kritikwürdig. Dass die einjährige Berufsfachschule nicht nur für Jugendliche ohne Hauptschulabschluss offen ist, sollte geändert werden. Wenn die Jugendlichen die Abschlussprüfung am Ende des Jahres bestehen, ist damit ihre Qualifikation belegt. Schließlich haben sie dann in einem Jahr bewiesen, was sie zu leisten imstande sind.
Im Entwurf der BbS-VO sind keine weiteren schulischen Qualifizierungsmöglichkeiten für Jugendliche vorgesehen, die in der Berufseinstiegsklasse den Hauptschulabschluss nicht nachholen können. Es gilt dann: kein Abschluss, kein Anschluss.
Keine noch so gut organisierte Warteschleife kann betriebliche Ausbildungsplätze ersetzen. Um den Bedarf zu decken, brauchen wir letztendlich eine Ausbildungsplatzabgabe.
Der vorgelegte Antrag wirbt für die Umsetzung der Ergebnisse des ProReKo-Versuches. Natürlich muss man die Ergebnisse des ProReKo-Modellversuches ernst nehmen und auf ihrer Grundlage diskutieren. Als der Modellversuch vor gut acht Jahren einstimmig in diesem Saal beschlossen wurde, war die Linke noch nicht im Parlament. Wir hätten dem Modellversuch in dieser Variante wahrscheinlich auch nicht zugestimmt.
ProReKo legt den Schwerpunkt auf die Organisation der Schule und die Struktur. Wir müssen uns ständig fragen, wie wir Ausbildung kontinuierlich verbessern können. Diese Frage muss im Zentrum stehen - stand sie aber nicht. Als Folge ist die Zustimmung zum Modellprojekt an den beteiligten Schulen von anfangs über 70 % auf 50 % gesunken. Diesem Befund müssen wir uns stellen. Wir müssen die Transfervorschläge kritisch hinterfragen und nochmals darüber diskutieren, ob wir wirklich die Gesamtkonferenz abschaffen und ein