Protokoll der Sitzung vom 20.02.2009

(Starker Beifall bei der SPD, bei den GRÜNEN und bei der LINKEN - Zuruf von der SPD: Wie hat eigentlich die CDU in Rinteln abgestimmt? - Detlef Tanke [SPD] - zur CDU -: Einstimmig- keit in Rinteln! Kann man das dul- den?)

Herr Tanke! - Ich erteile Herrn Humke-Focks das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich spreche zur Petition 425. Es geht um einen Herrn Dr. Schultze, der Lehrer an einem Gymnasium in Osterode war und aufgrund seines Alters in Niedersachsen nicht mehr verbeamtet wurde. Er ist dann nach Hessen gegangen, wo er aufgrund einer Sonderregelung verbeamtet wurde. Ein kom

petenter Lehrer hat also unser Bundesland verlassen, um in Hessen zu arbeiten.

Die Empfehlung der Fraktionen der CDU und FDP - „Sach- und Rechtslage“ - geht uns nicht weit genug. Wir möchten, dass diese Eingabe der Landesregierung als Material überwiesen wird, damit künftig verhindert wird, dass kompetente und erfahrene Lehrer unser Bundesland verlassen und die Schulen somit geschwächt werden.

Danke.

(Beifall bei der LINKEN - Karl-Heinz Klare [CDU]: Wissen Sie, wie viele Lehrer umgekehrt nach Niedersach- sen kommen? Das ist ein übliches Verfahren! - Gegenruf von Patrick- Marc Humke-Focks [LINKE]: Das ist kein Argument! - Gegenruf von Karl- Heinz Klare [CDU]: Wir machen die Grenzen dicht!)

- Herr Kollege Klare, bitte! - Frau Korter, Sie haben jetzt das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich spreche zur Petition 559, Kerncurriculum Geschichte. Die Petentin beklagt, dass der neue Lehrplan für das Fach Geschichte, das Kerncurriculum für die Jahrgänge 5 bis 10 der Gymnasien, die frauenspezifischen Inhalte vernachlässigt und damit gegen die Vorgabe des Gender Mainstreaming verstößt. Die Petentin bittet gemeinsam mit zahlreichen Expertinnen, darunter Frau Professor Dr. Annette Kuhn, Universität Bonn,

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

und dem Landesfrauenrat Niedersachsen, das Kultusministerium, die Frauengeschichte stärker zu berücksichtigen. Bemängelt wird insbesondere, dass unter dem im neuen Lehrplan namentlich aufgeführten 50 historischen Persönlichkeiten kaum Frauen vorkämen. Das Ministerium erklärt, es sei alles schon berücksichtigt, und es gehe im Kerncurriculum hauptsächlich um Kompetenzen und nicht um Personen.

Das ist nur zum Teil richtig. Es gibt im Curriculum inhaltsbezogene und prozessbezogene Kompetenzbereiche, Fachwissen und Methodenwissen.

(Anhaltende Unruhe)

Frau Korter, wir halten die Uhr an. Sie sprechen bitte erst dann weiter, wenn es ruhig ist. - Danke schön.

Zum großen Kompetenzbereich Fachwissen gehört auch die Kenntnis von Fachbegriffen und von Namen, die aufgeführt sind und als Bausteine in das Überblickswissen der Schülerinnen und Schüler eingehen sollen.

Meine Damen und Herren, Geschichte passiert nicht irgendwie, Geschichte wird von Menschen gemacht, von handelnden Personen. Daran bildet sich die historische Identität von Schülerinnen und Schülern aus: in der Beschäftigung mit solchen Persönlichkeiten - und das müssen auch Frauen sein.

In der Anhörungsfassung des Curriculums war unter 50 historischen Persönlichkeiten nur eine einzige Frau unter dem Sammelbegriff „Geschwister Scholl“ genannt. Auf Veranlassung meiner Petentin wurde schon einmal nachgebessert. Das Ministerium meint, nun sei es genug, jetzt kommen nämlich unter den 50 Namen von bedeutenden Persönlichkeiten immerhin acht Frauen vor, darunter Hera und Athene.

(Heiterkeit)

Vom frühen Mittelalter bis zur Renaissance gibt es nur Hildegard von Bingen, aber diverse männliche Herrscherfiguren. In der bürgerlichen Revolution in Europa und in der industriellen Revolution: keine Frauen. Im Kaiserreich, im Imperialismus, im Ersten Weltkrieg: keine Frauen. Im Nationalsozialismus: nur Sophie Scholl. Wo sind Olympe de Gouges, Verfechterin der Frauenrechte in der französischen Revolution, Luise Otto-Peters, Anita Augspurg, und Clara Zetkin für die Frauenbewegung in Deutschland,

(Beifall bei den GRÜNEN, bei der SPD und bei der LINKEN)

die Pazifistin Bertha von Suttner oder die vier Mütter des Grundgesetzes, Elisabeth Selbert, Frederike Nadig, Helene Weber und Helene Wessel?

(Lebhafter Beifall bei den GRÜNEN, bei der SPD und bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, im Schulunterricht darf nicht der Eindruck entstehen, Geschichte sei nur von Männern gemacht worden. Geschichtsunterricht muss auch

für Mädchen die Möglichkeit der historischen Identitätsbildung bieten. Dazu müssen in allen Epochen exemplarisch auch Frauen behandelt und thematisiert werden.

Im Ausschuss wurde gesagt: Man kann im Unterricht ja auch noch etwas Anderes behandeln. Wer weiß, welchen Stoffdruck und welche Stofffülle wir im G8 mit dem Zentralabitur haben, der weiß, dass im Unterricht nur das behandelt wird, was im Kerncurriculum steht. Für anderes ist fast keine Zeit mehr. Der Genderaspekt ist hier nicht berücksichtigt. Deshalb muss hier an diesem Curriculum nachgebessert werden. Wir beantragen deshalb „Berücksichtigung“.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen von CDU und FDP, Sie haben sich im Ausschuss - ich sehe das auch hier wieder - über dieses Thema lieber amüsiert, als dass Sie sich ernsthaft damit befasst hätten. Werden Sie sich eigentlich auch amüsieren, Herr Klare und Herr Althusmann, wenn in ein paar Jahren im Kerncurriculum Geschichte bei Zeitgeschichte die erste Bundeskanzlerin der Bundesrepublik, Frau Merkel, überhaupt nicht vorkommt? Werden Sie sich dann auch noch amüsieren?

(Beifall bei den GRÜNEN, bei der SPD und bei der LINKEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, meine Fraktion hat auch die Petition 480 des Elternrates der IGS Roderbruch und die Petition 577 der Stadt Rinteln strittig gestellt. Wir unterstützen die Forderung des Elternrats der IGS Roderbruch, für die 47 körperbehinderten Kinder die richtigen Förderstunden zur Verfügung zu stellen. Wir sind auch ganz klar dafür, dass in der Schulentwicklungsplanung die Mindestzügigkeit für die Einrichtung neuer Gesamtschulen von fünf abgesenkt wird; denn die Fünfzügigkeit als Minimum verhindert Gesamtschulgründungen. Deshalb beantragen wir auch hier „Berücksichtigung“.

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN, bei der SPD und bei der LINKEN)

Ich rufe Herrn Adler von der Fraktion DIE LINKE auf.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich spreche zu der Petition 516. Hierbei geht es um die Videoüberwachung im öffentlichen Raum, über die sich der Petent beschwert hatte.

Als Vertreter meiner Kollegin Zimmermann hatte ich im Innenausschuss angeregt, die weitere Behandlung dieser Petition zurückzustellen, um im Innenausschuss etwas grundsätzlicher über diese Thema zu reden, bevor über diese Petition entschieden wird. Diesem Antrag ist nicht entsprochen worden. Deshalb beantrage ich, diese Petition der Landesregierung zur Erwägung zu überweisen.

Der Hintergrund: Wir müssen schon einmal in geeigneter Weise grundsätzlich darüber reden, wie die Videoüberwachung sowohl durch Private als auch durch öffentliche Institutionen im öffentlichen Raum begrenzt werden kann und wie auch sichergestellt werden kann, dass das Recht des Einzelnen am eigenen Bild, was auch im Kunsturheberrechtsgesetz geregelt ist, angemessen geschützt wird. Es stellt sich z. B. die Frage, nach welchen Fristen diese Videoaufzeichnungen gelöscht werden. Diese Fragen sind noch unbeantwortet. Deshalb wäre hier eine ausführliche Erörterung im Innenausschuss eigentlich sinnvoll gewesen.

Danke schön.

(Beifall bei der LINKEN)

Frau Reichwaldt von der Fraktion DIE LINKE, bitte!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auch ich spreche zu der Petition 559. Die Petentin moniert, wie gesagt, dass Frauen innerhalb des Kerncurriculums Geschichte nicht angemessen berücksichtigt sind. Meine Damen und Herren, sie hat recht. Ich sage noch einmal, was Frau Korter schon vorgetragen hat: Das ist wahrhaftig kein Thema, über das man sich lustig machen kann. Aber genau das ist im Ausschuss leider passiert.

(Zurufe)

- Es ist tatsächlich kein Thema, über das man sich lustig machen kann.

Frau Korter hat hier dankenswerterweise schon etwas über die Liste der historischen Persönlichkeiten gesagt und ausgeführt, inwieweit Frauen dort nicht berücksichtigt sind. Ich füge noch ein

Beispiel hinzu. Die Rolle der Frau nur am Beispiel der Amazonen in der Antike zu betrachten, halte ich auch für sehr seltsam. Frauen stellten auch in früheren Zeiten 50 % der Gesellschaft. Ich finde, es ist dringend notwendig, den Genderaspekt mit hineinzunehmen und die Kerncurricula entsprechend zu überarbeiten.

Meine Damen und Herren, kennen Sie eigentlich Minna Faßhauer?

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

Minna Faßhauer, geboren 1875, in ärmlichen Verhältnissen aufgewachsen, 1912 Eintritt in die SPD, dann in die USPD. Sie war die erste Ministerin in Deutschland - das wissen wenige - während der Braunschweiger Räterepublik.

(Beifall bei der LINKEN)

Das ist ein Beispiel dafür, dass Geschichtsschreibung und auch die Kerncurricula bei uns hauptsächlich männlich geprägt sind. Hier empfehle ich dringend „Berücksichtigung“. Diese Curricula müssen überarbeitet werden.

Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN und Zustim- mung bei den GRÜNEN)

Herr Krumfuß von der CDU-Fraktion!