Protokoll der Sitzung vom 20.02.2009

Osnabrück ist noch heute von seiner Aura als gesamteuropäische Friedensstadt geprägt. Es ist sicherlich kein Zufall, dass sich im Osnabrücker Raum so herausragende Persönlichkeiten wie Professor Dr. Pöttering entwickeln konnten. Professor Pöttering ist der wahre Staatsmann Europas. Unser Ministerpräsident Christian Wulff ist ganz objektiv der europäischste aller Ministerpräsidenten in Deutschland.

(Beifall bei der CDU - Zurufe von der LINKEN: Helau!)

Meine Damen und Herren, Niedersachsen hat eine breit gefächerte Forschungs- und Bildungslandschaft mit Ausstrahlung in viele Nachbarländer. Ich nenne hier nur die Universitäten in Göttingen und Braunschweig, die Tierärztliche Hochschule und die Medizinische Hochschule in Hannover. Auch im Bereich der Agrarforschung sind wir auf vielen Sektoren führend. Deshalb ist gerade für Niedersachsen eine Fortsetzung der Forschungsförderung durch Brüssel so eminent wichtig. Letztendlich profitiert ganz Europa davon.

Meine Damen und Herren, wir sind wichtig für unsere Nachbarländer als Wirtschafts- und Messestandort, als Energiedrehscheibe im Norden, als der europaweit größte Standort für die Automobilindustrie mit Spitzenprodukten, die auch in Krisenzeiten gefragt sind, als Standort für die Luft- und Raumfahrtindustrie, u. a. mit dem CFK-Valley in Stade und dem EU-Satellitennavigationssystem Galileo in Braunschweig. Wir sind wichtig als Standort für die rasant wachsende maritime Wirtschaft mit Ausstrahlung nach ganz Nordeuropa - Stichwort „Neue Hanse“. Wir sind wichtig als Transitland. Deshalb ist für unsere Nachbarn der Ausbau weiterer Verkehrsmagistralen so wichtig, beispielsweise die Erstellung der A 22 mit der Elbquerung.

(Zustimmung bei der CDU)

Ich sage hier in Richtung Grüne, die sich ja am liebsten wieder Zustände wie in der Romantik und im Biedermeier wünschen, was die Verkehrspolitik

anbelangt: Bei Thomas Mann können Sie nachlesen, wie lange der junge Buddenbrook brauchte, um mit Pferd und Wagen von Lübeck nach Amsterdam zu fahren, um seine Braut heimzuholen, nämlich über eine Woche. Solche Zustände können Sie doch nicht wieder wollen, meine Damen und Herren!

(Zustimmung bei der CDU)

Zusammengefasst: Über 60 % unserer Exporte gehen in die Länder der Europäischen Union. Größter Wirtschaftspartner sind die Niederlande. Allein schon diese wenigen Beispiele zeigen: Unser Land ist untrennbar mit der gesamteuropäischen Entwicklung verbunden. Wir als Niedersachsen sind in besonderer Weise europäisch.

Meine Damen und Herren, in vielen Bereichen der Wissenschaft und der Produktion sind Institutionen und Unternehmen aus Niedersachsen spitze in Europa, zum Teil sogar weltweit. Dies ist ein Vorteil auch für unsere Nachbarländer, für die gesamte Europäische Union. Um unsere Chancen auch in Zukunft optimal zu nutzen, brauchen wir wichtige und richtige Rahmenbedingungen, gerade auch aus Brüssel. Deshalb ist es wichtig, dass wir unsere Anregungen, Erwartungen und Wünsche, die wir in unserem umfangreichen Antrag konkret definiert haben, den neu gewählten EU-Parlamentariern näherbringen.

Meine Damen und Herren, ich füge hinzu: Wir sollten die Inhalte durch ansprechende, schöne Bilder aus allen Regionen Niedersachsens und auch durch ein schönes Bild unseres sympathischen Ministerpräsidenten ergänzen.

(Starker Beifall bei der CDU - Karl- Heinrich Langspecht [CDU]: Jawohl!)

Frau Flauger, hat gleich das Wort zu einer Kurzintervention. Sind auch Sie dazu bereit, vom Saalmikrofon aus zu sprechen? Hier vorne wird es nicht möglich sein.

(Kreszentia Flauger [LINKE]: Ja!)

Es gab einen Hinweis von Frau Zimmermann, die der Auffassung ist, dass die Begrifflichkeit „der braune Sumpf“ in einen bestimmten Zusammenhang gebracht worden ist. Das habe ich hier oben so nicht nachvollziehen können. Sie hat darüber aber ihr Missfallen zum Ausdruck gebracht. Das möchte ich hier feststellen.

Frau Flauger, Sie haben jetzt das Wort.

Falls Sie mir ein Zeichen geben, dass das Mikrofon am Rednerpult wieder funktioniert, können wir die Redebeiträge nachher ja wieder von dort aus halten.

Einen Moment, Frau Flauger. Wir bekommen gerade ein Zeichen, dass wir einmal probieren sollten, ob das Mikrofon am Rednerpult wieder funktioniert.

(Ein Mitarbeiter der Landtagsverwal- tung testet die Funktionsfähigkeit des Mikrofons am Rednerpult)

- Nein, es funktioniert noch nicht. - Frau Flauger, sprechen Sie deshalb bitte vom Saalmikrofon aus.

Wir haben hier gerade den Vorwurf gehört, die Linke würde dem Nationalstaat huldigen. Das ist natürlich, mit Verlaub gesagt, Blödsinn. Ich weiß, dass dieser Ausdruck nicht besonders parlamentarisch ist. Die Linke weiß ganz genau, dass die Begriffe Nation und Nationalstaat gerade in Europa angesichts der Völkerwanderungsgeschichte mit den sprachlichen Grenzen, die überhaupt nicht trennscharf zu ziehen sind, an dieser Stelle gar nicht sinnvoll zu verwenden sind. Gestern wurde hier im Parlament gesagt, die ganze Welt baue Atomkraftwerke; in den Ausführungen wurde dann aber jeweils nur auf Europa abgestellt. Das ist typisch für die CDU-Fraktion, die die ganze Welt auf Europa reduziert. Die Linke ist in dieser Hinsicht viel weiter. Wir wissen, was Globalisierung ist. Wir schauen deutlich über den Tellerrand hinaus. Sie sind in dieser Hinsicht noch ein wenig zurück.

Nun zu dem Begriff „brauner Sumpf“. Ich habe diesen Begriff nicht gehört. Falls er genannt worden sein sollte, verweise ich auf unsere Broschüre „Braune Wurzeln“, die sich auf die Vergangenheit ehemaliger CDU- und FDP-Abgeordneter in diesem Landtag bezieht.

(Beifall bei der LINKEN)

Was die Listenaufstellung zur Europawahl angeht, so wird natürlich bei der Linken und, wie ich hoffe, auch bei allen anderen Parteien nach Wahlrecht demokratisch gewählt, wer auf einer Liste auf welcher Position landet. Das wird auch bei SylviaYvonne Kaufmann so sein. Verstöße gegen Partei

tagsbeschlüsse werden sicherlich auch bei Ihnen nicht zur Wiederwahl führen.

(Beifall bei der LINKEN)

Das war die Kurzintervention von Frau Flauger. Herr Hogrefe, möchten Sie darauf antworten? - Das ist nicht der Fall.

Frau Flauger, Sie haben nun zu Ihrem Redebeitrag, zu dem Sie sich gemeldet haben, das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe mir sagen lassen, dass das Thema Europa hier im Parlament in den vergangenen Jahren überwiegend in den Abendstunden behandelt wurde. Es war der Wunsch der Linken, dass dieses Thema heute auf einen prominenten Platz der Tagesordnung kommt. Ich hatte eigentlich gedacht, dass es vielleicht auch im Interesse der Abgeordneten anderer Fraktionen ist, dieses Thema einmal an einer herausgehobenen Stelle und nicht immer nur abends - aus welchen Gründen auch immer - zu behandeln.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich muss feststellen, dass das Interesse an dem Thema sich sehr in Grenzen hält. - Funktioniert das Mikrofon am Rednerpult wieder?

(Ein Mitarbeiter der Landtagsverwal- tung testet erneut die Funktionsfähig- keit des Mikrofons am Rednerpult)

Herzlichen Glückwunsch! Das hat gut geklappt. Frau Flauger, jetzt können Sie Ihre Rede hier vorn am Rednerpult fortsetzen.

(Reinhold Coenen [CDU]: Aber nicht hineinbeißen!)

Manchmal gäbe es Grund hineinzubeißen. Das ist allerdings wahr. Es schmeckt aber wahrscheinlich nicht.

Ich stelle fest, dass sich das Interesse an dem Thema leider in Grenzen hält.

Ich komme zunächst auf den Antrag der CDU und der FDP mit dem Titel „Eine Region stellt sich vor“ zu sprechen. Ziemlich zu Anfang dieses Antrags lesen wir ungefähr eine halbe Seite lang etwas darüber, was für ein schönes Land Niedersachsen

ist. Diesem Teil Ihres Antrags hätten wir zustimmen können. Ich hätte Ihnen dazu noch zwei Seiten mehr schreiben können. Allerdings geht es in dem Antrag dann gleich mit etwas weiter, was ich so nicht stehen lassen kann. Ich zitiere aus Ihrem Antrag:

„Der Vertrag von Lissabon stärkt mit seinen sozialpolitischen Akzentsetzungen wie zum Beispiel der rechtsverbindlichen Aufnahme sozialer Grundrechte die soziale Dimension Europas.“

Hier schätzen Sie den Lissabon-Vertrag falsch ein.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich will Sie auch gern aufklären. Die Grundrechtecharta, die in diesem Zusammenhang immer wieder bemüht wird, konnte in den Vertrag noch nicht einmal aufgenommen werden. Darauf konnte man sich nicht einigen. Es musste bei einem Verweis bleiben. Das geht natürlich zulasten der politischen Autorität dieser Charta, zumal es so etwas wie eine Verfassungsbeschwerde oder eine Grundrechtsbeschwerde, wie in Deutschland an dieser Stelle für den Einzelnen nicht gibt. Dafür gibt es aber ein Protokoll zum Lissabon-Vertrag, wonach - ich zitiere - zur EU ein System gehört, das den Wettbewerb vor Verfälschungen schützt.

Der Lissabon-Vertrag enthält an mehreren Stellen Passagen, die deutlich machen, was wirklich Priorität hat. So geht es z. B. darum, dass - ich zitiere wieder - offene Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb gewährleistet werden soll. Was das mit sozialer Marktwirtschaft zu tun hat, erschließt sich nicht.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich könnte Ihnen weitere ähnliche Zitate vorlesen, aber dafür steht mir nicht genügend Zeit zur Verfügung. Es nützt auch nichts, dass im LissabonVertrag etwas von sozialer Marktwirtschaft steht. Das ist, mit Verlaub gesagt, Verfassungslyrik und ohne juristische Substanz.

(Beifall bei der LINKEN)

Auch mit dem Lissabon-Vertrag wird es bezüglich sozialer Grundrechte so bleiben, wie es ist. Wie es ist, will ich Ihnen hier beispielhaft gern noch einmal erläutern. Das Streikrecht ist nicht nur in Deutschland aus guten Gründen ein Grundrecht. Im Rahmen der Rechtsordnung der Europäischen Union werden Grundrechte aber den wirtschaftlichen Freiheiten unterworfen. So wird z. B. in den hier von mir schon einmal zitierten Urteilen betreffend

Viking und Laval die Wahrnehmung des Streikrechtes als unzulässige Einschränkung der Dienstleistungsfreiheit oder anderer wirtschaftlicher Freiheiten gewertet. In der Europäischen Union gelten die Grundrechte nur so lange und so weit, wie sie wirtschaftliche Interessen nicht einschränken. Das ist das Problem.

(Beifall bei der LINKEN)

Das stellt die Hierarchie von Grundrechten und anderen Rechten auf den Kopf. Weil auch der Lissabon-Vertrag das nicht ändert, lehnen wir ihn ab.

(Beifall bei der LINKEN)