Protokoll der Sitzung vom 12.05.2009

Es sagt wirklich sehr viel aus, dass Sie 70 % der Schüler aus Ihren schulpolitischen Überlegungen einfach ausklammern.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Lassen Sie mich auf einige Argumente eingehen.

Die Integrierte Gesamtschule ist ein wichtiger Teil des vielfältigen differenzierten Schulsystems. 5 % der Schülerinnen und Schüler besuchen diese Schulform. Wir nehmen diese Schulform sehr ernst. Schließlich haben wir auch die Möglichkeit geschaffen, dass neue Integrierte Gesamtschulen eingerichtet werden.

Jetzt wollen wir im Sinne des Gleichheitsgebotes sicherstellen, dass alle allgemeinbildenden Schulen, die das Abitur vergeben, dies in der gleichen Zeit tun. Was kann man dagegen haben, meine Damen und Herren? Was ist gegen die Umsetzung dieses Gleichheitsgebots einzuwenden?

(Ursula Helmhold [GRÜNE]: Das ist doch nur eine rhetorische Frage!)

Wir sagen den Integrierten Gesamtschulen zu - das habe ich heute bei der Einbringung auch schon gesagt -, dass ihre Struktur erhalten bleibt. Ihre pädagogischen Grundsätze und ihre Konzepte können weiter umgesetzt werden.

(Widerspruch von Ina Korter [GRÜ- NE] - Wolfgang Jüttner [SPD]: Das geht doch gar nicht!)

- Frau Korter, Sie können das auch nachlesen. In der Gesetzesbegründung steht das im Detail. Mehr kann man eigentlich nicht tun. Wir werden dies einhalten.

(Zustimmung von der CDU und von der FDP)

Wer in diesem Zusammenhang immer wieder von einer bewussten Zerschlagung redet, argumentiert falsch; ich würde sogar sagen, dass er böswillig argumentiert. Ich wundere mich über die Haltung der SPD an dieser Stelle. Als wir 2003/2004 über das Abitur nach acht Jahren an den Gymnasien geredet haben, hat Ihr Fraktionsvorsitzender Sigmar Gabriel für diese SPD-Fraktion gefordert: Auch an Integrierten Gesamtschulen muss man

das Abitur nach zwölf Jahren machen dürfen; wir wollen nicht, dass Integrierte Gesamtschulen auf kaltem Wege ausgeblutet werden. - So Sigmar Gabriel im Jahr 2004!

Meine Damen und Herren, uns liegen noch viele weitere Aussagen vor. Damit kommt in der Argumentation einiges zusammen. Ich habe hier vier Zitate von Schulleitern von Integrierten Gesamtschulen. Ihre Aussage lautet: Bitte gebt uns das Abitur nach zwölf Jahren; wir wollen nicht von den Gymnasien abgehängt werden.

Meine Damen und Herren, das war 2004. Die Struktur der Integrierten Gesamtschulen war genau dieselbe wie heute. Was damals richtig sein konnte, kann doch heute nicht zu einer Zerschlagung der Integrierten Gesamtschulen führen. Das muss man bei seiner Argumentation auch zur Kenntnis nehmen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Wenn drei Integrierte Gesamtschulen im Lande Niedersachsen bereit sind, nach unserem Modell, also mit einer Fachleistungsdifferenzierung nach drei Anforderungsniveaus, gute Schularbeit zu leisten, kann man diesen drei Schulen doch nicht vorwerfen, dass sie an der Zerschlagung ihrer eigenen Integrierten Gesamtschule arbeiten.

(Wolfgang Jüttner [SPD]: Es gibt schon eine Rechtsgrundlage dafür!)

Das Konzept läuft gut. Die derzeitige Rechtsgrundlage beruht genau auf dem heutigen Erlass.

(Wolfgang Jüttner [SPD]: Das macht keiner! Sie wollen sie zwingen!)

Wir wollen aber etwas anderes. Wir wollen eine verpflichtende Einführung.

Herr Jüttner, Sie treten ja immer als Kenner der europäischen Szene auf. In allen anderen Ländern Europas

(Wolfgang Jüttner [SPD]: … gibt es kein gegliedertes Schulwesen!)

wird an Integrierten Gesamtschulen das Abitur nach zwölf Jahren abgelegt. Was in Finnland möglich ist, ist auch in Deutschland möglich. Ich traue das unseren Integrierten Gesamtschulen zu.

Ein letzter Punkt: Wie absurd der Vorwurf ist, wir wollten Integrierte Gesamtschulen bekämpfen, abschaffen und kaputt machen, erkennen Sie daran, dass es zum 1. August 2009 in Niedersachsen 14 neue Integrierte Gesamtschulen geben wird.

Ihre Argumentation ist falsch. Sie ist peinlich. Hier passt einiges nicht zusammen.

Meine Damen und Herren, zu den Vollen Halbtagsschulen: Ich kenne natürlich die gute Arbeit der Vollen Halbtagsschulen. Aber auch hier stellt sich die Frage des Gleichheitsgebots. 1 676 Grundschulen sind Verlässliche Grundschulen, 126 Grundschulen sind noch Volle Halbtagsschulen. Auch hier muss es eine Anpassung geben, damit nach den gleichen Grundsätzen gearbeitet wird.

(Hans-Henning Adler [LINKE]: Ja, nach unten! Warum nicht einmal nach oben?)

Meine Damen und Herren, ich bitte Sie, einmal in die Berichte, Vergleichsarbeiten und Inspektionsberichte zu gucken: Allen Schulen wird eine gute Arbeit bescheinigt, sowohl den Verlässlichen als auch den anderen. Hier ein GegeneinanderAusspielen zu versuchen, ist nicht seriös und wird niemandem gerecht, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Wenn Sie sich hier als die großen Kämpfer für die Vollen Halbtagsschulen aufspielen, Herr Jüttner, dann sollten Sie Ihr Wahlprogramm lesen und sich an Ihre Aussagen vor der Regierungsübernahme erinnern.

(Dörthe Weddige-Degenhard [SPD]: Sie sollten vor allen Dingen Ihr Wahl- programm lesen!)

Sie sind nämlich die großen Kämpfer für die Verlässlichen Grundschulen gewesen. Sie haben die Umwandlung eines Großteils der Vollen Halbtagsschulen in Verlässliche Grundschulen auf den Weg gebracht. Das ist die Wahrheit! An dieser Stelle die Geschichte zu verklittern, ist nicht in Ordnung. Sie favorisieren die Verlässliche Grundschule, so stand es in Ihrem Wahlprogramm. Wir setzen das jetzt aus anderen Gründen um, nämlich weil wir auch hier das Gleichheitsgebot anwenden wollen.

Meine Damen und Herren, selbstverständlich wird der Unterricht an Verlässlichen Grundschulen von Lehrkräften erteilt, damit da nicht immer falsche Behauptungen gemacht werden. Selbstverständlich wird der Förderunterricht an Verlässlichen Grundschulen von Lehrkräften erteilt. Es geht aber um die Betreuung. Die Betreuung wird von pädagogischen Mitarbeitern gestaltet. Ich sage es noch einmal: Wenn Sie gute pädagogische Mitarbeiter finden - ich bin sicher, unsere Schulleiter finden

gute pädagogische Mitarbeiter -, dann kann das ein Gewinn sein.

Meine Damen und Herren, auch in anderen Ländern heißt es: Schule soll nicht nur durch Lehrer gemacht werden. - Andere, neben den Lehrern, können genauso gut hervorragende pädagogische Arbeit machen. Dies ist von allen politischen Parteien bis jetzt immer gewünscht worden. Außerschulische und andere Personen, Psychologen, Musikpädagogen sowie Sozialpädagogen können pädagogische Mitarbeiter sein. Ich kann nur sagen: Die eine oder andere Schule wird dadurch bereichert. Ich sage damit nichts gegen Volle Halbtagsschulen. Sie haben gute Arbeit geleistet. Aber ich mache den Leuten keine Angst, meine Damen und Herren. Wir müssen sie auf dem Weg mitnehmen; das ist unser Gebot.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Der letzte Punkt, den ich gerne ansprechen möchte: In Bezug auf die neuen Bildungsaufträge von Haupt- und Realschulen geht es uns um Schüler, die besser gefördert und besser gefordert werden können. Hier geht es im Detail um maßgeschneiderte schulische Wege für jeden Einzelnen. Es geht um eine noch bessere, noch speziellere Vorbereitung auf den späteren schulischen und beruflichen Weg. Hier gilt der Satz: kein Abschluss ohne Anschluss.

Durch die enge Verzahnung von allgemeiner und berufsbildender Schule werden wir für Haupt- und Realschüler Möglichkeiten schaffen, alle Bildungswege auf direktem Wege zu gehen, nach 13 Jahren, von mir aus bis zum Abitur. Sie wissen, dass heute über 40 % unserer Studierenden über andere Wege als über das klassische Abitur an die Universität kommen. Wir bereiten diese anderen Wege, zeigen neue Wege auf und bringen damit Leute, die über die Haupt- und Realschulen kommen, zum Abitur oder zum Fachabitur, wenn sie dies möchten.

Meine Damen und Herren, Haupt- und Realschulen - dies habe ich vorhin gesagt - können noch mehr zusammenarbeiten. Das wird eine neue Form der Zusammenarbeit. Sie können in allen Fächern gemeinsamen Unterricht anbieten - darüber wird bei Ihnen kaum noch geredet -, außer in Deutsch, Mathe und Englisch.

(Dörthe Weddige-Degenhard [SPD]: Aha! - Weitere Zurufe von der SPD)

Wollen Sie das wirklich aufweichen? Meinen Sie das ernst mit Ihrem Zwischenruf, dass das nicht mehr passieren soll?

(Ina Korter [GRÜNE]: Das ist ja pein- lich!)

Eine gewisse Differenzierung muss sein, damit wir begabungsgerecht unterrichten können. Das ist unser Anspruch.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, mit dieser erweiterten Zusammenarbeit - das ist der zweite Punkt - geben wir den Schulträgern die Möglichkeit, ihre schulischen Maßanzüge in der Region zu gestalten. Darüber hinaus geben wir ihnen die Möglichkeit, Schulstandorte durch diese gemeinsame Arbeit zu erhalten. Das ist in Zeiten von Schülerrückgang ein ganz wichtiges Signal. Ich weiß, dass unsere kommunalen Vertreter dies zu schätzen wissen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, Schulpolitik, vor allen Dingen Schulgesetzdebatten sollten immer im Interesse unserer Kinder sein.

(Heiner Bartling [SPD]: Ach, du lieber Gott! Das von Klare!)

Leider haben wir heute von der Opposition erlebt, dass sie diesen Grundsatz verlassen hat. Ich sage Ihnen: Sie führen keine Debatte im Interesse einer sachorientierten Politik, sondern Sie wollen Ängste schüren, meine Damen und Herren. Sie wollen durch Halbwahrheiten und Unwahrheiten Ängste schüren.

(Heiner Bartling [SPD]: Das hören wir schon 20 Jahre lang! Setzen Sie sich hin, und seien Sie ruhig!)

Ich hoffe, dass die Eltern dies begreifen. So macht man keine Schulpolitik, meine Damen und Herren! So macht man Parteipolitik! Das passt nicht in diese Diskussion!

(Starker Beifall bei der CDU und bei der FDP)