Protokoll der Sitzung vom 12.05.2009

(Starker Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, von den drei Oppositionsfraktionen liegen mir drei Wünsche für Kurzinterventionen vor. Zunächst Herr Wenzel von den Grünen.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Klare, wir kümmern uns nicht um 30 %, sondern um 100 % der Schülerinnen und Schüler,

(Beifall bei den GRÜNEN, bei der SPD und bei der LINKEN)

insbesondere um die 8 %, Herr Schwarz, die bei Ihrer Bildungspolitik durch den Rost fallen und am Ende ohne Schulabschluss und ohne Lehrstelle dastehen.

(Hans-Werner Schwarz [FDP]: Das sind weniger als früher!)

Das können andere Schulen besser. Das zeigen Schulen, die fast jedes Kind zum Schulabschluss bringen.

In Göttingen finden 350 Eltern keinen Platz für ihr Kind auf einer Gesamtschule, Herr Klare. Das ist keine kleine, sondern eine sehr große Gruppe. Das ist etwa ein Drittel des Jahrgangs. Wir haben nur noch 1,5 % Anmeldungen zur Hauptschule. Insofern ist der Begriff „Restschule“ hier wohl gerechtfertigt, auch wenn es Herrn McAllister arg wurmen mag, wenn wir diesen Begriff verwenden.

Meine Damen und Herren, wir erleben eine Abstimmung mit den Füßen, an der sich auch Teile der CDU beteiligen. Insofern würde ich vorschlagen, dass wir Frau Körtner und Herrn Toepffer vielleicht einmal Redezeit einräumen, um Gelegenheit zu haben, zu hören, was es hier an Kritik aus der CDU heraus gibt.

(Beifall bei den GRÜNEN, bei der SPD und bei der LINKEN - Dr. Man- fred Sohn [LINKE]: Die haben Rede- verbot!)

Es ist ein Trauerspiel, was wir hier für eine Debatte führen. Wer in zehn Jahren diese Protokolle nachliest, wird sich fragen: Worüber haben die damals gesprochen? Ging es tatsächlich um die Kinder? Um was ging es eigentlich?

Herr Kollege, Sie müssen zum Schluss kommen!

Ich komme zum Schluss. - Ich würde mich sehr darüber freuen, wenn die CDU Frau Körtner und Herrn Toepffer einmal Redezeit einräumen würde.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN, bei der SPD und bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren, die nächste Kurzintervention kommt von Herrn Jüttner von der SPDFraktion. Bitte!

(Dr. Gabriele Andretta [SPD]: Gib’ doch eine Minute an Frau Körtner ab!)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Klare, in Europa - Europa ist so wichtig - gibt es 17 Länder, in denen es ein gegliedertes Schulwesen gibt, 16 davon befinden sich in Deutschland, das 17. Land ist Österreich.

Zweite Bemerkung: Sie haben gesagt, einige Gesamtschulen wollten das Abitur nach zwölf Schuljahren. Das ist richtig, einige haben das vor einigen Jahren überlegt. Aber Sie kennen doch die Loccumer Erklärung, in der die Gesamtschulen vor wenigen Wochen erklärt haben, dass sie das nicht wollen. Auch Gesamtschulen dürfen dazulernen. Das sollten Sie einmal zur Kenntnis nehmen.

Dritte Bemerkung, zu den Vollen Halbtagsschulen: Es ist nicht interessant, was wir dazu sagen. Sie sind die Regierung. Wir dachten, wir dürfen Sie an Ihren Ansprüchen messen, die Sie öffentlich erklären. Sie schreiben eine Besitzstandswahrung in das Gesetz. Dann müssen wir doch das zur Messlatte nehmen und nichts anderes.

Vierte Bemerkung: Herr Klare, ich lese Ihnen einmal einen Satz aus der Begründung Ihres Gesetzentwurfs vor:

„Obwohl die Erlasslage seit 2004 die Erlangung der allgemeinen Hochschulreife nach zwölf Jahren ermöglicht,“

- für Gesamtschulen -

„wird von den Integrierten Gesamtschulen hiervon kein Gebrauch gemacht.“

Das alles gibt es also schon. - Weiter heißt es:

„Eine gesetzliche Regelung erscheint daher als geboten.“

Auf gut Deutsch: Die wehren sich bisher. Und jetzt kommen Sie und verordnen ihnen das, meine Damen und Herren. Da merkt doch jeder, wes Geistes Kind diese Regelung ist.

(Beifall bei der SPD, bei den GRÜ- NEN und bei der LINKEN - Ursula Helmhold [GRÜNE]: Und bist du nicht willig, so brauch ich Gewalt! Das ist Politik nach Schiller!)

Ihnen geht es nicht um Flexibilität und nicht um den Elternwillen. Ihnen geht es nur darum, den Integrierten Gesamtschulen das „I“ zu klauen. Nur darum geht es!

(Starker Beifall bei der SPD, bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren, jetzt kommt die dritte Kurzintervention von Frau Zimmermann von der Fraktion DIE LINKE. Dann kann Herr Klare antworten.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Klare, Sie sind auch auf die Eigenverantwortlichen Schulen eingegangen. Ich möchte dazu Folgendes sagen. Dort kann durchaus auch fachfremdes Personal arbeiten, also Personal ohne Lehrerstudium, ohne Ausbildung in der Hinsicht, wie Kinder ausgebildet werden. Ich weiß das deshalb, weil ich selber während meiner Arbeitslosigkeit an der deutsch-italienischen Schule in Wolfsburg - diese Schule war, wie ich glaube, die allererste als eigenverantwortlich zertifizierte Schule - gearbeitet habe. Ich habe damals als ausgebildete Sozialpädagogin und Sozialarbeiterin erfahren müssen, wie wichtig ein Lehrerstudium ist, wie wichtig die Ausbildung ist und wie wichtig professionelle Beziehungsarbeit ist. Vielleicht können Sie dazu auch einmal etwas sagen. Das ist nämlich das, was dann hinten herunterfällt.

(Beifall bei der LINKEN)

Jetzt kann Herr Klare, wenn er möchte, antworten. Bitte!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zunächst zum Stichwort Schulabschluss. Zu Beginn unserer Regierungszeit haben 10,7 % der Schülerinnen und Schüler die Schule verlassen, ohne einen Abschluss gemacht zu haben.

(Zuruf von der CDU: Das war die Schlussbilanz der SPD-Regierung!)

- Das war Ihre Schlussbilanz. Es hat daraufhin eine Vielzahl von Maßnahmen gegeben. Es wurden auch Strukturentscheidungen getroffen. Es gab Qualitätsverbesserungen. Ich erwähne die Sprachförderung, mehr Unterricht - Sie hatten in diesem Bereich vorher stark gekürzt - und die Stärkung der Grundfertigkeiten. Wir können feststellen, dass wir heute bei einem Anteil von 7,6 % der Schüler ohne Abschluss gelandet sind. Das ist immer noch zu viel. Man kann noch mehr tun. Man muss also über vielfältige weitere Maßnahmen nachdenken.

Ein zweiter Punkt. In Göttingen hat man dem Elternwunsch jetzt entsprochen. Es gibt dort eine weitere Integrierte Gesamtschule. Sie waren daran beteiligt. Das war parteiübergreifend.

Was die Frage der Hauptschulen anbetrifft, so haben Sie recht, dass es in einigen Bereichen ganz wenige Anmeldungen gibt. Reden Sie aber bitte über die Gesamtzahl. 20 % der Schülerinnen und Schüler eines Jahrgangs besuchen heute eine Hauptschule. Über diese gehen wir nicht hinweg, auch wenn der Anteil abgenommen hat oder wenn der Anteil an einzelnen Standorten nur 3 oder 4 % beträgt. Wir reden über einen Anteil von insgesamt 20 %.

(Zuruf von der SPD: 13 %!)

- 13 % bezieht sich auf die Anmeldungen. Insgesamt sind es 20 %, die an einer Hauptschule unterrichtet werden. Genauso wie die 4,7 % der Schülerinnen und Schüler, die an Integrierten Gesamtschulen unterrichtet werden, haben die 20 % der Schülerinnen und Schüler an den Hauptschulen einen Anspruch auf adäquate Förderung.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Herr Jüttner, nun noch kurz zur Frage der Gesamtschulen. Sie können Gesamtschulen nicht per se mit Gesamtschulen vergleichen. Das finnische integrierte System ist völlig anders als das deut

sche IGS-System. Es ist insofern auch überhaupt nicht übertragbar. Das finnische Modell ist zum Teil sehr differenziert. Gemeinsamer Unterricht findet nur für die schwächeren Schülerinnen und Schüler statt. Die stärkeren Schülerinnen und Schüler, die musisch begabten, die mathematisch begabten, die naturwissenschaftlich begabten Schülerinnen und Schüler werden sehr differenziert unterrichtet.

Herr Kollege, ein letzter Satz, bitte!

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Zu diesem Tagesordnungspunkt hat sich jetzt die Frau Ministerin gemeldet. Frau Heister-Neumann, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir wollen in der Tat keine neue grundsätzliche Strukturreform. Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf wird vielmehr ein wichtiges Zeichen für die Weiterentwicklung der niedersächsischen Schulstrukturen gesetzt.

(Wolfgang Jüttner [SPD]: Rückwärts marsch!)

Das gilt sowohl für die inhaltliche Weiterentwicklung als auch für die Entwicklung flexibler Lösungen angesichts des Rückgangs der Schülerzahl, der sehr stark ist. Bis zum Jahre 2020 werden wir 250 000 Schülerinnen und Schüler weniger in Niedersachsen haben.