Protokoll der Sitzung vom 18.06.2009

weil diese Menschen keine Lobby haben und es sehr sinnvoll ist, dass bis zuletzt gekämpft wird. Dafür ist auch der Petitionsausschuss meiner Meinung nach sehr gut, weil wir vielen Familien durch die Ausschussberatungen eine Aufenthaltserlaubnis ermöglicht haben.

Warum setzen sich diese Menschen für diese Familien ein? - Sie tun dies, weil sie diese Familien kennen. Es sind Freunde, Gemeindemitglieder, Nachbarn, Schüler oder einfach nur gute und engagierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Frau König hat es kurz erwähnt: Die Familie ist vor 20 Jahren aus dem Kosovo geflüchtet und mit einer kleinen Tochter nach Deutschland eingereist. Sie hat zunächst eine Unterkunft bei einem Onkel hier in Hannover gefunden, der selbst drei Kinder hatte. Er hat sie damals in einer Zweizimmerwohnung aufgenommen. Später wurden zwei weitere Söhne geboren, die in den Kindergarten der Marktkirchengemeinde und später in die Grundschule gegangen sind.

Nachdem die Familie hier angekommen war, wurden die Asylverfahren betrieben - wie zuvor schon bei vielen anderen Menschen hier in Niedersachsen und in Deutschland. Aber erst im Jahr 2002

sind alle Asylanträge rechtskräftig abgelehnt worden. Diese Familie ist ein klassisches Beispiel für all die vielen Menschen, die sich hier im Rahmen einer Kettenduldung aufhalten und über die wir im Zusammenhang mit unserem Antrag zu den Fristen beim Bleiberecht noch sprechen werden.

(Vizepräsident Dieter Möhrmann übernimmt den Vorsitz)

Man kann leider nur erahnen, was diese Familie durchgemacht hat; denn die Akten, die uns zur Verfügung standen, waren nur sehr dünn. Sie enthielten einige Schriftstücke derjenigen Menschen, die sich für die besagte Familie engagiert haben. Deutlich wurde, dass sich damals auch Herr Gansäuer für diese Familie eingesetzt hat. Fakt aber ist: Die Familie musste sehr viel durchmachen. Damals hat im Morgengrauen auch schon eine Abschiebung stattgefunden. Also auch klassisch: Die Beamten sind nachts gekommen, und die Familie hatte nur eine halbe Stunde Zeit, zu packen. Sie wurde nach Düsseldorf gebracht. Aber wie so oft: Die Abschiebung musste abgebrochen werden, weil sie zum Glück als rechtswidrig erkannt wurde. Der Richter hatte ein Veto eingelegt, und die Familie wurde wieder nach Hannover gebracht. Sie müssen sich das einmal vorstellen. Das ist sehr traumatisierend. Auch die Eltern - das wird in einem Schreiben einer Lehrerin deutlich - waren wirklich schockiert.

Kurz vor Weihnachten wurde dann die nächste Abschiebung angedroht. Bei der Ausländerbehörde in Hannover konnte aber durchgesetzt werden, dass die Abschiebung nicht noch vor Weihnachten stattfindet. Der Abschiebetermin wurde daraufhin auf Januar gelegt.

Erschreckend an dieser Petition ist, dass in allen Schreiben seit 2002 deutlich wird: Die rettende Lösung ist der Petitionsausschuss. - Ich kann nur feststellen: Erst letzte Woche ist uns diese Petition bekannt geworden. Sieben Jahre lang hatte sie beim Innenministerium gelegen. Wir wollen hiermit ein Zeichen setzen und beantragen „Berücksichtigung“. Wir wollen nicht, dass das Parlament noch einmal vor vollendete Tatsachen gestellt wird und die parlamentarischen Rechte der Abgeordneten missachtet werden. Wir beantragen deshalb, diese Eingabe der Landesregierung zur Berücksichtigung zu überweisen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, zur gleichen Eingabe hat sich jetzt Frau Lorberg von der CDU-Fraktion gemeldet. Bitte!

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Schade, Frau Polat, dass Sie nur einen kleinen Auszug aus der insgesamt sehr umfangreichen Petitionsakte zitiert und dem Parlament dabei leider wichtige Inhalte vorenthalten haben. Nur gut, dass wir das nachholen können.

Diese Eingabe stammt aus dem Jahr 2002. Im Jahr 2003, nachdem die Asylverfahren gelaufen waren und festgestellt worden war, dass auf die besagte Familie die Bleiberechtsregelung nicht angewendet werden kann, ist dann eine Abschiebung angedroht worden; aber immer unter der Maßgabe der freiwilligen Ausreise. Von dieser Möglichkeit der freiwilligen Ausreise hat die Familie aber keinen Gebrauch gemacht.

Ich möchte an dieser Stelle noch eines ganz klar sagen: Im Jahr 2003 hatte die damalige SPD-geführte Landesregierung - Herr Bartling, Sie haben seinerzeit völlig richtig und völlig verantwortungsbewusst gehandelt - die Ausreise der Familie für erforderlich gehalten. Entsprechend ist die Familie aufgefordert worden, Deutschland zu verlassen. Dieser Aufforderung ist sie aber nicht nachgekommen, wie hier gerade geschildert worden ist.

Daraufhin ist mit der Ausländerbehörde schließlich aber doch eine freiwillige Ausreise abgesprochen worden. Die freiwillige Ausreise erfolgte dann im März 2003.

Meine Damen und Herren, aufgrund dieser im Jahr 2003 erfolgten freiwilligen Ausreise ist diese Petition nach Absprache mit dem Petitionsausschuss zunächst einmal nicht weiter behandelt worden, weil wir aus Zeitgründen andere, dringende, Petitionen bearbeiten mussten. Die besagte Familie ist ganz eindeutig freiwillig ausgereist. Auf keinen Fall war hier in irgendeiner Weise Gefahr im Verzug.

(Zuruf von Filiz Polat [GRÜNE])

- Nein, das ist so! Sie müssen sich die Fakten einfach einmal durchlesen, Frau Polat.

(Beifall bei der CDU)

Sie können hier nicht immer nur emotional argumentieren und die Fakten völlig außer Acht lassen. Das geht auch in solch einem Fall nicht. Man muss

dem Parlament ganz deutlich erklären, was danach passiert ist:

Diese Familie ist in den Kosovo zurückgegangen und hat dort meiner Meinung nach - das ist das, was wir den Akten entnehmen können - an keinerlei Reintegrationsmaßnahmen teilgenommen. Ganz im Gegenteil. Schon zwei Monate später hat es eine Scheinscheidung gegeben. Das wird durch die Unterlagen belegt. Der Vater ist nach Deutschland gereist, um eine deutsche Frau zu heiraten und um auf diese Weise die Familie wieder hierher zu holen.

Frau Polat, ich finde es sehr bedauerlich, dass Sie die Rechtslage nicht erkennen. Wenn Scheinscheidungen vorgenommen und Scheinehen eingegangen werden, ist damit der Anspruch darauf, hier in Deutschland bleiben zu können, gestorben. Das muss man einmal ganz deutlich sagen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Der Vater ist dann wieder in den Kosovo zurückgekehrt. Von da aus ist die ganze Familie nach Österreich gegangen, wo sie jetzt ein erneutes Asylverfahren betreibt.

Ich könnte an dieser Stelle noch viele andere Einzelheiten vortragen, die in den Jahren 2001 und 2002 passiert sind. Ich möchte aber nur noch auf die Vorlage eines Arbeitsvertrages hinweisen. In diesem Vertrag stand, dass die Frau im Monat nur neun Stunden zu arbeiten habe und dafür 900 Euro bekomme. Frau Polat, erklären Sie mir einmal, wo man als ungelernte Kraft für neun Stunden Arbeit monatlich 900 Euro bekommt. Ich möchte das jetzt nicht weiter ausführen. Dass dieser Vertrag jeglicher Grundlage entbehrte, ist doch wohl klar. Diese Familie hat an vielen Stellen gelogen und betrogen. Das muss man diesem Parlament einmal sagen, damit deutlich wird, dass Ihr Beschlussvorschlag „Berücksichtigung“ völlig absurd ist.

(Kreszentia Flauger [LINKE]: Diese Sozialstaatausbeuter!)

- Liebe Frau Flauger, das ist so. Vielleicht sollten Sie sich damit einmal beschäftigen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meiner Meinung nach ist es völlig richtig, dass wir diesen Fall noch einmal im Petitionsausschuss bearbeitet haben, sodass diese Akte nun zum Abschluss gebracht werden kann. Wir werden „Sach- und Rechtslage“ beschließen, womit dieser Fall erledigt sein wird. Meine Damen und Herren,

wer versucht, den deutschen Staat so hinters Licht zu führen, der hat sich jegliche Möglichkeit genommen, hier leben zu dürfen.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, mir liegen jetzt noch zwei Wortmeldungen zur Eingabe 324 vor. Sie betrifft den Schülertransport in Hildesheim. Zunächst Frau König von der FDP-Fraktion. Bitte!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Watermann, Sie haben hier etwas dargestellt, was den Tatsachen nicht entspricht. Wir haben von vornherein gesagt, dass diese Eingabe mit „Sach- und Rechtslage“ beschieden werden muss. Wir hätten einen solchen Beschluss unterstützt. Gleichzeitig haben wir gesagt, dass diese Eingabe dem Wirtschaftsausschuss als Material überwiesen werden sollte, weil wir bald vor der Notwendigkeit stehen werden, den ÖPNV neu zu bewerten und neu auszurichten. Wir meinen, dass genau dieser Fall in den ÖPNV-Verhandlungen als praktischer Beleg dafür herangezogen werden könnte, dass 5 % der Fälle anders gehandhabt werden als die anderen 95 % der Fälle. Wenn wir dieses praktische Beispiel als Diskussionsgrundlage nehmen und aufzeigen, dass einige Kommunen mit den Mitteln anders umgehen als die meisten Kommunen sonst, dann kann man daraus ersehen, dass beim ÖPNV die eine oder andere noch zu klärende Frage - zumindest bei den Verhandlungen - eine große Rolle spielt. Genau aus diesem Grunde haben wir diese Petition als Material an den Wirtschaftsausschuss weitergeleitet. Wir wollen damit schlicht und ergreifend darauf aufmerksam machen, was mit §-45-a-Mitteln in Zusammenhang mit § 114 des Niedersächsischen Schulgesetzes geschieht. 95 % der Kommunen gehen damit vernünftig um, 5 % setzen diese Mittel zum Teil aber auch für die Zuschneidung von Schulbezirken ein. Außerdem enthalten sie einigen Schülern, die auf andere Schulen gehen, die Transportmittel vor. Genau das ist der Grund, weshalb wir uns für „Material“ entschieden haben. Dies ist für die grundlegende Diskussion vernünftig. Die Verhandlungskriterien sollten wir weder dem Wirtschaftsausschuss noch den ÖPNV-Besprechungen vorenthalten.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Meine Damen und Herren, ich möchte zwar nicht der Oberrichter sein. Aber ich möchte das Haus doch darauf hinweisen, dass die Überweisung nicht an den Landtag, sondern an die Landesregierung erfolgt. Insofern wird sich der Wirtschaftsausschuss nur dann damit beschäftigen können, wenn eine Fraktion tätig wird oder wenn es einen Antrag gibt.

Zu der gleichen Eingabe hat sich noch einmal Herr Krumfuß gemeldet. Sie haben noch eine Redezeit von zwei Minuten, Herr Kollege.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Auch ich spreche zu dieser Eingabe. Frau Kollegin König hat schon viel dazu gesagt. Ein ganz wichtiger Punkt für unsere Arbeit im Petitionsausschuss ist, im Einzelfall drüberzuschauen: Gibt es Ungerechtigkeiten? Warum haben wir die Aufteilung: 95 % machen es so und 5 % anders?

Ich möchte, dass die Petentinnen und Petenten, wenn sie sich an den Ausschuss wenden, ganz sicher sind, dass wir drüberschauen, dass wir das Allgemeinwohl im Auge haben und dass es zu einer Gleichbehandlung kommt. Dies hat auch etwas mit sozialer Gerechtigkeit zu tun.

Deshalb war es uns wichtig, dieses Material als Beratungsgrundlage für die kommenden Verhandlungen im Zusammenhang mit dem ÖPNV-Gesetz zur Verfügung zu stellen. Ich erachte es für wichtig, dass wir so verfahren.

Der von mir sehr geschätzte Kollege Watermann hat vor einem Eingriff in die kommunale Selbstverwaltung gewarnt. Das soll es natürlich überhaupt nicht sein, ganz im Gegenteil: Wir geben ja mit dieser Petition, die wir als Material überweisen wollen, wichtige Beratungsgrundlagen weiter. Ich meine, für das Wohl der Petentinnen und Petenten in Niedersachsen war das eine kluge Entscheidung.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, zu der gleichen Eingabe hat sich jetzt noch einmal Herr Watermann gemeldet. Herr Watermann, Sie haben noch eine Redezeit von drei Minuten.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Genau das ist der kleine Unterschied: Sie überweisen nicht an einen Ausschuss zur Beratung, sondern Sie überweisen als Material an die Landesregierung. Ich sage Ihnen jetzt noch einmal: Denken Sie das, was Sie hier sagen, bitte zu Ende! Sie wollen eine Material-Überweisung machen, indem Sie - dies habe ich Ihnen bereits im Ausschuss gesagt - an einem sehr großen Rad drehen, nämlich in der Frage: Wie funktioniert das vor Ort mit dem Schülerverkehr, und wie soll das geregelt werden?

Ich finde, dann hätten Sie auch das machen können, was Sie hier verbal gesagt haben. Dann hätten Sie nämlich unserem Vorschlag folgen können, die Eingabe an den Ausschuss zur weiteren Beratung zu überweisen. Dann ist es eine politische Beratung.

In diesem Fall ist es so, dass eine Lösung herbeigeführt wird, von der alle Praktiker, die sich auskennen, wissen, dass sie nie kommen wird; denn in der jetzigen Situation wird niemand diesen austarierten Punkt in der Schülerbeförderung anfassen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und bei der LIN- KEN)

Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor.

Ich schließe die Beratung.

Wir stimmen jetzt über diese Eingaben ab.