Protokoll der Sitzung vom 26.08.2009

(Filiz Polat [GRÜNE]: Sie haben Fami- lien, Alleinstehende und Kranke dis- kriminiert! - Gegenruf von: Hans- Christian Biallas [CDU]: Ruhe! Das geht einem langsam auf den Rettich hier!)

Sie sind seit vielen Jahren hier, und wir in Niedersachsen haben auch immer Maßnahmen ergriffen, um diejenigen, die arbeitswillig sind, in Arbeit zu bringen. Deshalb ist es meiner Ansicht nach völlig richtig, daran festzuhalten und zu sagen: Wer seinen Lebensunterhalt zu einem überwiegenden Teil sichern kann, der soll hierbleiben, wenn er unter diese Bleiberechtsregelung fällt. Hier eine Ausnahme zu machen, wäre wirklich schlimm; denn diejenigen, die sich bemühen, würden wir damit bestrafen. Das kann meiner Ansicht nach überhaupt nicht das Signal sein.

(Beifall bei der CDU)

Herr Minister, gestatten Sie jetzt die Zwischenfrage?

Sehr gerne.

(Filiz Polat [GRÜNE]: Versuchen Sie einmal, einen Job mit 2 000 Euro net- to zu finden!)

Frau Kollegin, jetzt hat der Kollege Perli das Wort. Bitte!

Vielen Dank, Herr Präsident. - Herr Minister, Sie haben sicherlich mitbekommen, dass der Kreistag Wolfenbüttel fraktionsübergreifend die Wiedereinreise von Frau Gashi und ihren beiden Kleinkindern fordert. Diese Forderung ist auch an Sie herangetragen worden. Ich möchte von Ihnen in diesem Zusammenhang wissen: Was haben Sie auf

diese Forderung des Kreistages Wolfenbüttel hin unternommen - die beiden Fraktionsvorsitzenden von FDP und CDU, Herr Försterling und Herr Oesterhelweg, sitzen ja auch hier im Landtag -, und wie sind Sie in der Sache - Sie sagen, das Bundesamt für Migration ist zuständig - auf das Bundesamt für Migration zugegangen?

(Beifall bei der LINKEN)

Wenn ich richtig informiert bin, ist das keine Angehörige der Volksgruppe der Roma, sondern der Volksgruppe der Aschkali. Ist das richtig? Wir haben den Fall natürlich ganz genau angeschaut, um zu sehen, ob der Landkreis dort nicht richtig gehandelt hat. Wir wissen, dass die Frau ganz klar ausreisepflichtig gewesen ist. Sie hat lange Jahre hier gelebt, ist nicht in der Lage, ihren Lebensunterhalt tatsächlich selber zu bestreiten,

(Victor Perli [LINKE]: Alleinerziehende Mutter!)

und hat die Integration insgesamt nicht geschafft. Hier geht es ja nicht nur um den Arbeitsplatz, sondern es geht auch um das Lernen der Sprache. Man muss schon sehen, ob man auch einen Bildungsabschluss anstrebt oder nicht.

In all diesen Fällen mussten wir leider feststellen, dass eine Integration nicht gelungen oder sogar überhaupt nicht angestrebt worden ist, sodass hier kein Ermessensspielraum für den Landkreis vorliegt. Das heißt, der Landkreis hatte überhaupt keine andere Chance. Die Kriterien waren erfüllt. Deshalb war es richtig, dass der Landkreis entsprechend gehandelt hat. Das kann man dem Landkreis nicht vorwerfen; die Regeln sind so. Über diesen langen Zeitraum hätte die Möglichkeit bestanden, sich zu integrieren. Wenn man über so viele Jahre in Deutschland lebt, die Sprache noch nicht beherrscht und keine Ausbildung und keinen Bildungsabschluss vorweisen kann, muss man irgendwann auch mit den Konsequenzen leben. Da kann man dem Landkreis überhaupt nichts vorwerfen.

(Beifall bei der CDU)

Wollen Sie nicht nur einen Zwischenruf machen, sondern auch noch eine Frage stellen? Dazu will ich auch Ihnen gerne noch die Gelegenheit geben.

(Filiz Polat [GRÜNE]: Ich sage dazu gleich etwas!)

Es gibt keine Fragen mehr. Ich darf mich bedanken und glaube, dass wir in diesem Land sehen müssen, wofür wir wirklich zuständig sind. Ich habe keine Lust, ständig irgendwelche Nackenschläge für etwas zu bekommen, wofür wir überhaupt keine Verantwortung tragen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, wenn ich Frau Polat richtig verstanden habe, bittet sie um zusätzliche Redezeit. Sie haben zwei Minuten.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Minister Schünemann, ein Wort zum Abschiebestopp. Ich möchte aus § 60 a des Aufenthaltsgesetzes zitieren. Das müsste Ihnen bekannt sein:

„Die oberste Landesbehörde kann aus völkerrechtlichen oder humanitären Gründen … anordnen, dass die Abschiebung von Ausländern aus bestimmten Staaten oder von in sonstiger Weise bestimmten Ausländergruppen allgemein oder in bestimmte Staaten für längstens sechs Monate ausgesetzt wird.“

Das ist allein Sache der Länder.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Da müssen Sie sich nicht vorher beim Bundesinnenminister erkundigen, wie die Lage vor Ort ist. Das ist ganz allein Sache der Länder.

„Für einen Zeitraum von länger als sechs Monaten gilt § 23 Abs. 1.“

Nach § 23 Abs. 1 bedarf es des Einvernehmens mit dem Bundesinnenministerium.

(Hans-Christian Biallas [CDU]: Das hat der Minister gerade gesagt, Frau Polat!)

Unbedingt wichtig ist, dass wir über den 31. Dezember hinweg kommen.

Herr Oetjen, die Härtefallkommission ist im Übrigen jetzt schon mit Anträgen belastet, die das Ergebnis der nicht erfolgreichen Bleiberechtsregelung sind, wie schon gesagt. Die Härtefallkommission wurde nicht für 4 000 Roma eingerichtet. Wir brauchen eine grundsätzliche Regelung. Von daher bitte ich darum, dass wir uns im Ausschuss,

wie Herr Oetjen gesagt hat, wirklich ein Bild von der Situation im Kosovo machen und daraus Folgerungen ableiten, was das für die Familien und insbesondere die vielen Kinder, die hier geboren sind, bedeuten könnte. Dann können wir immer noch sagen: Wollen Sie einen Abschiebestopp oder nicht, oder brauchen wir eine grundsätzlich andere Aufenthaltsrechtsregelung?

(Zustimmung von Helge Limburg [GRÜNE])

Was Innenminister Schünemann zu der Bleiberechtsregelung gesagt hat, werden wir dann noch sehen. Aber die Zahlen, die Sie hier genannt haben, waren aus einer Stichprobe, die wirklich nicht repräsentativ ist.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren, der Minister möchte antworten. Bitte schön, Herr Minister!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Polat, ich freue mich sehr, dass Sie meine Aussage bestätigt und das Ausländerrecht zitiert haben. Ich habe gesagt, dass man nur für einen kurzen Zeitraum - nämlich sechs Monate - die Möglichkeit hat, zu reagieren, wenn in dem Land eine besondere Situation eingetreten ist. In den letzten Wochen ist keine besondere Situation eingetreten, sodass das für uns jetzt überhaupt nicht möglich ist. Ich kenne, ehrlich gesagt, nicht ein einziges Bundesland und nicht einen einzigen Landesinnenminister, das oder der in dieser Frage jetzt von dieser Regelung Gebrauch machen will. Er kann es auch nicht.

Die Einschätzung des Auswärtigen Amtes ist eindeutig. Ich bedanke mich wirklich dafür, dass Sie meine Rechtsauffassung noch einmal dargelegt haben und dass wir darin insofern einig sind.

Ich muss wirklich sagen, das wundert mich sehr. Ich kann mich daran erinnern, dass mir, wenn wir über die Härtefallkommission gesprochen haben, immer vorgeworfen wurde, diese Härtefallkommission funktioniere überhaupt nicht, weil es nicht genügend Anträge gebe. Jetzt haben wir einmal 20 oder 40 zusätzliche Anträge bekommen, und es heißt: Diese Härtefallkommission ist überhaupt nicht dafür da, solche Fälle - 30 bis 60 Fälle - zu

bearbeiten. Sie müssen sich schon entscheiden, worum es geht.

(Filiz Polat [GRÜNE]: Wir haben über 4 000 Roma gesprochen, Herr Schü- nemann!)

Es geht nicht darum, dass morgen 4 000 Roma abgeschoben werden. Darum geht es nicht. Die Voraussetzungen, die dann gelten, müssen erst abgearbeitet werden. Man muss sehen, wie es sich hinsichtlich Lebensunterhalt und Integration verhält. All das wird jetzt in Gang gesetzt. Jetzt der Öffentlichkeit zu sagen, morgen bis zum 31. Dezember würden 4 000 Roma abgeschoben, ist schlicht Panikmache und hat damit nichts zu tun.

Also: Sie müssen sich entscheiden. Ich freue mich, dass Sie das Ausländerrecht jetzt gelesen haben und wissen, dass wir nicht zuständig sind. Ich freue mich auch, dass sich die Härtefallkommission mit diesen Anträgen befassen kann. Diese Härtefallkommission ist auf einem sehr guten Weg. Dafür möchte ich mich bei all denjenigen bedanken, die in dieser Härtefallkommission tätig sind.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor.

Wir kommen zur Ausschussüberweisung.

Der Antrag unter Punkt 10 soll an den Ausschuss für Inneres, Sport und Integration überwiesen werden. Der Antrag unter Punkt 11 soll federführend an den gleichen Ausschuss überwiesen werden und mitberatend an die Kommission zu Fragen der Integration von Menschen mit Migrationshintergrund.

Wer so beschließen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Gibt es Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Dann ist so beschlossen.

Meine Damen und Herren, wir sind am Ende der heutigen Tagesordnung. Wir sehen uns morgen früh um 9 Uhr wieder. Ich wünsche einen schönen Feierabend bzw. einen guten Parlamentarischen Abend.

Schluss der Sitzung: 18.43 Uhr.