Protokoll der Sitzung vom 23.09.2009

Das vom Deutschen Reich und wenige Tage später in der Folge des geheimen Hitler-Stalin-Paktes auch von der Sowjetunion überfallene Polen hat auf das Schwerste unter Krieg und Besatzung gelitten. Allein über 1 Million Polen wurden von Deutschen deportiert und vertrieben, 5 bis 6 Millionen polnische Bürger kamen unter der deutschen Besatzung ums Leben, davon wiederum allein 3 Millionen Juden.

Auch nach 70 Jahren bleibt die Fassungslosigkeit vor diesem Geschehen und auch die Ratlosigkeit angesichts der Frage, wie all dies geschehen konnte.

Konrad Adenauer hat in einer großen Rede an der Universität Köln im Jahre 1946 hierzu ausgeführt:

„Der Nationalsozialismus hätte in Deutschland nicht zur Macht kommen können, wenn er nicht in breiten Schichten der Bevölkerung vorbereitetes Land für seine Giftsaat gefunden hätte.“

Wenn wir heute gemeinsam an den Kriegsausbruch durch den Überfall auf Polen erinnern, so geht es mir auch darum, aus der Geschichte Lehren für unsere Zukunft zu ziehen. Wir Deutschen stehen nach der Wiedervereinigung als wieder in vollem Umfang souveräner Staat auch in voller Verantwortung vor der Weltgemeinschaft für Frieden und Freiheit. Wir stehen unverändert in besonderer Weise in der Verantwortung, die Versöhnung mit unseren europäischen Nachbarn zu fördern.

Da das erste Überfallopfer Polen so schwer unter den Folgen von Krieg und Besatzung zu leiden hatte, sind die Worte umso bemerkenswerter, welche der Botschafter Polens, Dr. Andrzej Byrt, am 27. April 2005 hier im Niedersächsischen Landtag anlässlich einer Veranstaltung zum 60-jährigen Ende des Krieges gefunden hat. Er sagte:

„Wir kommen heute zusammen in einem vereinigten Europa. Nicht deswegen kommen wir zusammen, um alte Wunden aus der Vergangenheit aufzureißen, sondern schlicht um zu gedenken.

Und während wir der Vergangenheit gemeinsam gedenken, wollen wir uns

an die aus der Vergangenheit resultierende Botschaft erinnern, die uns lehrt und ermahnt, wie wichtig es ist, zum friedlichen Dialog und zur partnerschaftlichen Zusammenarbeit zu finden, Demokratie zu achten und zu pflegen - hier in Europa und überall auf der Welt, damit die Geschichte nicht rückfällig wird.“

Viele positive Signale sind seitdem ausgesendet worden: Das deutsch-polnische Jahr hat mit beeindruckenden Veranstaltungen sowohl in Deutschland als auch in Polen gezeigt, wie viele Beziehungen und welch intensiven Austausch es zwischen unseren beiden Ländern gibt. Auch das deutsch-polnische Jugendwerk trägt zu einem gegenseitigen Verständnis der jüngeren Generation in einer besonderen Weise bei. Die OderBrücke zwischen Frankfurt und Slubice, die inzwischen Friedensbrücke genannt wird, drückt den Wunsch der beiden Völker aus, als Partner und Freunde miteinander verbunden zu sein.

Vor diesem Hintergrund kann man es durchaus ein Wunder nennen, dass wir in diesem Jahr nicht nur an die Abgründe europäischer Geschichte vor 70 Jahren denken müssen, sondern auch auf das blicken können, was gerade Deutschland und Polen seit dem Ende des Krieges und dem Fall des Eisernen Vorhangs gemeinsam erreicht haben.

Wer hätte vor 70 Jahren oder nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges die Vision zu träumen gewagt, dass wir Europäer heute gemeinsam in Freiheit und Frieden leben können und dass es heute eine enge, vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Polen mit vielfältigen freundschaftlichen Verbindungen zwischen beiden Ländern gibt?

Die europäische Einigung ist unter dem Strich der bedeutendste Friedensschritt, den dieser Kontinent jemals erlebt hat. Lassen Sie uns deshalb gerade heute, 70 Jahre nach dem Kriegsbeginn, bekräftigen, dass wir gemeinsam dafür arbeiten wollen, dass Polen, Deutsche, alle Europäer am Ende des nächsten Jahrhunderts sagen können: Das 21. Jahrhundert war ein Jahrhundert des Friedens in Europa.

Die besondere Verantwortung für den Frieden schließt allerdings - damit möchte ich schließen - auch die Bereitschaft ein, für Frieden und Freiheit einzutreten, wenn diese Werte mit Gewalt in Frage gestellt werden. Friedensbereitschaft erfordert Mut und auch Zivilcourage. Wenn sich Friedensbereit

schaft in Nachgiebigkeit oder im Wegsehen erschöpft, sind bald auch die Werte bedroht, auf denen unsere Friedensordnung beruht.

Unser Gedenken schließt heute auch jene ein, die sich mutig der Gewalt in all ihren Formen entgegengestellt haben und damit für ihre Friedensüberzeugung ungeachtet persönlicher Nachteile und Gefahren eingetreten sind.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, niemand kann die Gräuel des Zweiten Weltkrieges ungeschehen machen. Aber es bleibt ein immerwährender politischer Auftrag, die Zukunft im Bewusstsein dieser großen Verantwortung zu gestalten und sich stets für Frieden und Freiheit einzusetzen.

Ich danke Ihnen.

(Lebhafter Beifall)

Ich leite nun zur Tagesordnung über.

Die Einladung und die Tagesordnung für diesen Tagesabschnitt liegen Ihnen gedruckt vor.

Ich darf an dieser Stelle meiner Überzeugung Ausdruck verleihen, dass der Niedersächsische Landtag gerade im unmittelbaren Vorfeld der bevorstehenden Bundestagswahl ein besonderes Beispiel für eine sachliche und faire Debattenkultur bieten wird.

Für die Aktuelle Stunde sind fünf Themen benannt worden.

Im Übrigen liegen vier Dringliche Anfragen vor, die morgen früh ab 9 Uhr beantwortet werden.

Auf der Grundlage der im Ältestenrat für die Beratung einzelner Punkte vereinbarten Redezeiten und des im Ältestenrat vereinbarten Verteilerschlüssels haben die Fraktionen die ihnen jeweils zustehenden Zeitkontingente so verteilt, wie Sie das aus der Ihnen vorliegenden Übersicht ersehen können. - Ich stelle das Einverständnis des Hauses mit diesen Redezeiten fest.

Die heutige Sitzung soll gegen 20.05 Uhr enden.

In der unteren Wandelhalle ist die vom Landesverband Niedersachsen des Bundes Deutscher Architekten konzipierte Ausstellung der prämierten Arbeiten zu sehen. Ich würde mich freuen, wenn Sie ungeachtet der Fülle der von uns zu behandelnden Themen ein wenig Zeit finden könnten, sich diese Ausstellung anzusehen.

Die Initiative „Schulen in Niedersachsen online“ wird in den kommenden drei Tagen wiederum mit einer Online-Redaktion live aus dem Landtag be

richten. Es handelt sich um Schülerinnen und Schüler der berufsbildenden Ludwig-ErhardtSchule aus Salzgitter. Frau Ministerin HeisterNeumann hat sich bereit erklärt, als Patin die Arbeit der jungen Leute nach Kräften zu unterstützen und erste Ansprechpartnerin der Nachwuchsjournalisten sein.

Ich weise außerdem darauf hin, dass das „Modellprojekt Landtagsfernsehen“ wieder mit jungen und aufstrebenden Nachwuchsjournalistinnen und -journalisten der Humboldt-Schule Seelze im Laufe der kommenden Tage Sendungen erstellen wird. Die einzelnen Sendungen stehen unmittelbar nach ihrer Produktion im Internet auf der Homepage der Multi-Media Berufsbildenden Schule - www.mmbbs.de - zum Abruf bereit. Sie sollen auch - wie ebenfalls bekannt - über den Regionalsender h1 gesendet werden.

Ich darf Sie herzlich bitten, Ihre Reden bis spätestens morgen Mittag, 12 Uhr, an den Stenografischen Dienst zurückzugeben.

Die mir zugegangenen Entschuldigungen teilt Ihnen nunmehr die Schriftführerin mit.

Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen! Von der CDU-Fraktion hat sich Frau Klopp entschuldigt.

Ich rufe jetzt den Tagesordnungspunkt 1 auf:

Aktuelle Stunde

Für diesen Tagesordnungspunkt sind, wie ich eben bereits bekannt gegeben habe, fünf Themen benannt worden, deren Einzelheiten Sie aus dem Nachtrag zur Tagesordnung entnehmen können. Ich halte das Haus für damit einverstanden, dass wir die beiden Anträge unter b und c des Nachtrags zur Tagesordnung zusammen beraten. Ich stelle den Fraktionen auch anheim, abweichend von der üblichen Fünf-Minuten-Regelung, wenn sie wollen, bis zu zehn Minuten zu reden.

Die Regelungen unserer Geschäftsordnung für den Ablauf der Aktuellen Stunde setze ich bei allen Beteiligten - auch bei der Landesregierung - als bekannt voraus.

Ich möchte noch einmal ausdrücklich darauf aufmerksam machen, dass nach § 49 Abs. 4 Satz 3 der Geschäftsordnung Erklärungen und Reden nicht verlesen werden dürfen.

Ich eröffne jetzt die Besprechung zu Tagesordnungspunkt 1 a:

IdeenExpo - ein Riesenerfolg für das Zukunftsland Niedersachsen! - Antrag der Fraktion der CDU - Drs. 16/1628

Ich erteile dazu dem Kollegen Karl-Heinz Klare von der CDU-Fraktion das Wort. Bitte schön!

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die IdeenExpo, an der viele von Ihnen teilgenommen haben, war - das kann ich mit Fug und Recht sagen; ich habe viele Informationen bekommen - ein Riesenerfolg zum einen für unser Land Niedersachsen und zum anderen für die vielen jungen Menschen, die daran als Aussteller oder als Besucher teilgenommen haben.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Ich glaube, Sie haben es auch gemerkt. Man konnte sich der Faszination dieses Superevents zwischen den jungen Leuten überhaupt nicht entziehen. Grundlage dieses Erfolges waren die hervorragenden Leistungen und das großartige Engagement von vielen Hundert jungen Menschen. Dafür möchte ich mich bei den jungen Menschen namens der CDU-Fraktion auch von dieser Stelle aus noch einmal ganz herzlich bedanken.

(Beifall bei der CDU)

Ich möchte ihnen meine Anerkennung aussprechen und ihnen weiterhin so viele gute und positive Gedanken wünschen wie bisher, sodass wir sie in zwei Jahren eventuell wiedersehen werden.

(Ursula Helmhold [GRÜNE]: Ich wün- sche denen mehr Lehrer!)

Wir alle wissen: Unser Wohlstand und unsere Lebensqualität hängen davon ab, ob wir künftig noch in der Lage sein werden, die Technik, die wir nutzen, auch selber zu entwickeln, zu produzieren und auch weiterzuentwickeln. Das ist eine der wichtigsten Zukunftsfragen unseres Landes angesichts der Situation, dass wir wenig Rohstoffe haben. Wenn wir in Deutschland keine Ingenieure, Mathematiker und Naturwissenschaftler mehr ha

ben, dann werden Autos, Kommunikationstechnologien, andere Techniken und Maschinen zukünftig nicht mehr bei uns, sondern in China, Japan, Indien oder wo auch immer auf der Welt entwickelt bzw. gebaut. Wir brauchen daher mehr Ingenieure und Techniker, damit die Technik hier in Deutschland und in Niedersachsen weiterentwickelt und produziert werden kann. Genau hier setzt die IdeenExpo an, meine Damen und Herren. Wir haben es gemerkt: Die IdeenExpo will Kinder, Jugendliche und junge Erwachsenen für Naturwissenschaften und Technik begeistern und sie dazu anregen, sich auch mit ihren beruflichen Möglichkeiten und Chancen in diesem Themenfeld zu befassen.

Auf der IdeenExpo gab es Wissen und Technik live zum Anfassen. Es ist gelungen, Event und Forschung zusammenzubringen. Hier fand ganzheitliches Lernen mit allen Sinnen statt. Hier hat Lernen Spaß gemacht - vielleicht haben Sie es auch ausprobiert -, auch für die Erwachsenen. Allein die Mitmachexponate waren so fantastisch, dass man da stehen bleiben musste. Eine automatische Chipsmaschine, ferngesteuerte Rennbesen - ein Highlight nach dem anderen konnte auf der IdeenExpo entdeckt und ausprobiert werden. Der Lernroboter Jacki M. von den Lemfördern hat mich am meisten begeistert.

Meine Damen und Herren, noch wichtiger war aber die Art und Weise der Präsentation. Ich weiß nicht, ob Sie diese jungen Schüler mit den roten Overalls gesehen haben, wie stolz diese ganz jungen Leute durch die Halle gegangen sind und das Wissen, das sie sich angeeignet haben, weitergegeben haben. Aus diesem Wissen erwuchs Überzeugungskraft. Diese Überzeugungskraft konnten sie viel besser als viele andere an die anderen jungen Leute weitergeben. Ich bin ganz sicher, dass da ganz viel hängengeblieben ist und sich bei den fast gleichaltrigen Zuhörern sehr viel niedergeschlagen hat.