Allerdings sind Ihre Akten immer noch nicht vollständig, und die Gorleben-Akten, die Sie gestern nach langem Hin und Her großzügigerweise freigegeben haben, sind so fragmentarisch, dass wir den Rest auch noch anfordern werden.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der schwarz-gelbe Lack ist ab - der schwarz-gelbe Lack von den abgekippten, geplatzten, verrosteten Atommüllfässern in der Asse. Ja, es wurde verharmlost, vertuscht und viel vergessen, und zuständig war eigentlich keiner.
Die 50-jährige Geschichte der Atomkraft war alles andere als friedlich. Gegen den fundierten Rat des Oberbergamts wurde das schlechteste aller Salzbergwerke in Deutschland ausgesucht, weil es billig war. Unter dem Mäntelchen der Forschung wurde an Atommüll hineingeworfen, was man hatte, giftigster Sondermüll gleich dazu. Es wurde das Gegenteil von Entsorgung.
Im Pingpongstil entschieden die politisch Verantwortlichen diesseits und jenseits der innerdeutschen Grenze, Endlager zu bauen: erst Asse, dann Morsleben. Dann wurde Gorleben politisch geboren, überstürzt, ohne fachlichen Background, wie wir wissen.
Die angeblich sichersten Atomkraftwerke der Welt, die deutschen, geraten ins Gerede. Pannen häufen sich: kein Terrorschutz, Sumpfsiebverstopfung - ein neuer Begriff macht die Runde, obwohl seit 1992 bekannt.
Atomtransporte fahren heimlich durchs Land. Die Menschen sollen nicht wissen, wann, wo und mit welcher radioaktiven Fracht.
Aber plötzlich, meine Damen und Herren, dreht sich der Wind. Fakten, die Bürgerinitiativen seit Jahrzehnten ans Licht brachten, bekommen höchste Relevanz. Der saubere, billige Ökostrom aus Atom erweist sich als lange gepflegte Lüge.
Tödlich, nicht sauber - das beweisen Zigtausende Lungenkrebskranke aus dem Uranabbau und die Kinderkrebsstudie, die eine verdoppelte Leukämierate bei Kindern in der Umgebung von Atomkraftwerken ergründete. - Das kann nicht sein, sagte im letzten Jahr der Bundesumweltminister, dann müssten die Strahlenwerte tausendfach höher sein. - Ja, oder eben deren Gefährlichkeit tausendfach unterschätzt, Herr Minister.
Wir als Linksfraktion haben eine Studie zu Gorleben fertigen lassen. Nachgewiesen sind laut Gutachter oberflächennahe Sände, die über 400 m tief nach unten gespült wurden, wie Karies in den leicht wasserlöslichen Carnallitschichten. Der Standort ist noch schlechter als Asse; denn das Grundwasser steht schon auf dem Salz. Alte Permafrostschichten im Salz reichen bis mindestens zu einer Tiefe von 700 m. Dann bliebe über den Einlagerungskammern lediglich eine Restfirste von 140 m. Das, Frau Bertholdes-Sandrock, ist dann keine sichere Lagerung in tiefen geologischen Formationen. Hydraulisch gesehen, ist das knapp unter der Oberfläche.
Innerhalb des Horizonts für die Langzeitsicherheit von 1 Million Jahren werden ca. zehn Eiszeiten über diesen Salzstock hobeln. Die Hitze des Atommülls hebt den Salzstock um 4 m an, lässt Störungszonen aufbrechen. Trotzdem eignungshöffig? Für wie dumm halten Sie uns Wendländer eigentlich?
Die Standsicherheit des Lügengebäudes Atomenergie ist bei null. Die Bevölkerung will deswegen raus. Nur Sie von CDU und FDP wollen Laufzeiten verlängern, träumen von der vierten, fünften Generation AKWs, störungsfrei - ein schönes Märchen. An Gefahrlosigkeit glaubt aber nur, wer wie Sie die Wunschzettel der Atomlobby unters Kopfkissen schiebt.
Sie murmeln das Mantra „Atomkraft ist sicher“ gebetsmühlenartig vor sich hin. Aber ich sage Ihnen: Sie können sich einen politischen Wolf laufen, wie Sie wollen. Das glauben nicht einmal mehr Ihre eigenen Wähler.
Deshalb schwimmen Ihnen die Atomfelle weg. Zwar lassen Sie die baden-württembergische Umweltministerin, Tanja Gönner, von anderen Standorten flüstern, und der schleswig-holsteinische CDU-Kollege gibt sich offen. Entscheidend aber sind die Hardliner und allen voran die Kanzlerin, die keine Lust hat, mehr Geld für Erkundung auszugeben. Das allerdings sagte sie, als nicht jeden
Die Sprecherin der CDU/CSU-Bundestagsfraktion in Atomfragen, Frau Reiche - sie war einmal Familienministerin -, will klar Gorleben, so wie Markus Söder, der glaubt, die Castoren stehen schon im Salz.
Aber jetzt geht auch noch der CDU-Oberbürgermeister von Cuxhaven von der Fahne und will keine Transporte über seinen Hafen.
Beinahe weinerlich versucht Angela Merkel die Atomenergie im Plausch mit Frank-Walter auf eine Brückentechnologie zu reduzieren. Sie will ebenso wie Niedersachsens liberaler Atomminister Krümmel wohl abgeschaltet lassen - mit Betonung auf „wohl“.
Mit politischer Wertberichtigung ist das nicht zu heilen. Wir sind hier nicht auf dem Basar oder auf dem Hamburger Fischmarkt, wo man wie AalHeinz schnell noch einen drauflegt. Die Atomenergie muss unverzüglich und unumkehrbar beendet werden.
Herr Kollege, ich darf Sie kurz unterbrechen. Wir im Präsidium bemühen uns um Neutralität. Ich muss Sie deshalb auffordern, Ihre Ausführungen wesentlich freier vorzutragen. Ihr Vortrag entspricht nicht der Geschäftsordnung.
Ich gebe zu, es ist ein fachlich komplexes und sicher auch schwieriges Thema. Aber ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie sich bemühen würden, etwas freier zu reden.
Damit habe ich überhaupt kein Problem. Aber ich habe hier schon ganz andere voll ablesen sehen. Aber okay.
die vielleicht wichtigste: Atomenergie ist friedlich. - Wie oft habe ich schon gehört: Der Strom kommt doch aus der Steckdose! - Stimmt, eine triviale Wahrheit. Aber bevor er aus der Steckdose kommt, wird die Wahrheit verbogen, die Öffentlichkeit getäuscht, das Gewissen endgelagert, und es werden Verbrechen begangen,
z. B. durch die Festlegung von Grenzwerten für Strahlung nach dem sogenannten gesellschaftlichen Nettonutzen. Soundso viele Tote werden billigend in Kauf genommen, obwohl die wissenschaftlichen Erkenntnisse auch der ICRU längst viel weiter sind, z. B. durch Tausende von Toten im Uranabbau, auch in Deutschland, z. B. durch das Ignorieren von Studien wie der Kinderkrebsstudie oder durch das Ignorieren der Leukämiehäufung in der Elbmarsch. Wer trägt die Verantwortung dafür?
Eine der für mich wichtigsten Erkenntnisse aus dem Parlamentarischen Untersuchungsausschuss, PUA, sind Aussagen wie: Ich hatte mit der Asse überhaupt nichts zu tun. Ich war nicht zuständig. Ich habe davon nichts mitgekriegt. Ich kann mich nicht erinnern, ich kann es aber auch nicht ausschließen. - PUA steht für mich bisher für „Parteien unterbinden Aufklärung“ oder „politisch umgesetzte Amnesie“.
Es gab aber auch kritische Wissenschaftler. Wer überhörte sie? Wer suchte die passende Sorte aus? - Es waren auch Politiker. Aber CDU und FDP verhindern mit ihrer Mehrheit im PUA, dass wir sie hören können - pure Angst!
Nun zu Gorleben. Über die fachfremde Festlegung 1977 ist vieles gesagt worden. Aber was geschah dann? - Innenminister Baum, FDP, ließ ein Gutachten fertigen, das zu dem Schluss kam, dass man ein vorgelagertes Planfeststellungsverfahren bräuchte. Also nahm man schnell einen neuen Gutachter, der dann das Gegenteil herausbekam, und auf den stützte man sich. Man teufte den Schacht ab, wohlgemerkt für ein Bergwerk zur Aufsuchung von Bodenschätzen. Forschungsminister Riesenhuber sagte damals dazu: Auch ein Loch im Boden kann ein Bodenschatz sein. Wirklich witzig, aber nicht für die Bewohner des Wendlands!
Vorher wurde noch Duphorn beauftragt, die geologische Tauglichkeit zu prüfen. Als er zu kritischen Ansichten kam, wurde er von Riesenhuber aus dem Verkehr gezogen. Von der Manipulation des PTB-Gutachtens 1983 wissen wir alle. Angereiste Ministeriale und Weisungsfaxe bogen die Wahrheit schlicht um.
Meine Damen und Herren, daran wird deutlich, dass wir mehr brauchen als einen PUA Asse auf Landesebene. Wir brauchen einen Untersuchungsausschuss auf Bundesebene, und zwar nicht nur zur Asse und zu Gorleben, sondern zur Endlagerung insgesamt. Im Prinzip gehört die gesamte Atomenergie auf den Prüfstand.
Wer beim Treck nach Berlin mitgefahren ist, hat die neue Kraft der Menschen und die Power der Bauern gespürt. Der Treck fuhr alle wunden Punkte ab: das Null-Barrieren-Endlager Asse, den Schacht Konrad - mitten auf dem Werksgelände -, Merkels Vermächtnis Morsleben, wo sie sich als Umweltministerin ihre ersten Atomsporen verdiente und per Weisung das Salzbergwerk mit Atommüll vollstopfen ließ, obwohl es im Prinzip keinen Deut besser ist als die Asse.
Überall wurde der Treck von Einwohnern winkend und Fahnen schwenkend begrüßt, von einem Waldkindergarten singend. Da lachte mein Herz wieder, und ich wusste, wofür ich das auch hier mache.