Mein Eindruck ist, dass sich die Gemüter wieder einigermaßen beruhigt haben. - Herr Minister Rösler, Sie haben das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es wurde schon angedeutet: Im Jahre 2002 hat das Land Niedersachsen beim Bund die Unterweserfahrrinnenanpassung beantragt. Ebenso hat das Land Bremen die Außenweserfahrrinnenanpassung beantragt. Wenn die Grünen jetzt wirklich zu ihrer Position stehen würden, die sie eben vorgetragen haben - das hat Christian Dürr sehr deutlich herausgestellt -, dann müssten sie im rot-grün regierten Senat von Bremen sofort zumindest die Außenweseranpassung stoppen. Das tun sie nicht. Das hat hier nichts mit Glaubwürdigkeit
(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Stefan Wenzel [GRÜNE]: Sagen Sie einmal etwas zu dem Problem, Herr Rösler!)
Auch bei der SPD kann man sich zumindest wundern. Denn der Antrag muss 2002 noch von der sozialdemokratischen Landesregierung gestellt worden sein. Damals war für einen kurzen Moment - man kann sich erinnern - Sigmar Gabriel Ministerpräsident. Immerhin hat der heutige Bundesumweltminister die Fahrrinnenanpassung beantragt. Also müssten Sie eigentlich der Beschlussempfehlung, diesen Antrag abzulehnen, unumwunden zustimmen können.
Es geht hier vor allem - das wurde schon mehrfach gesagt; das wird übrigens auch von der Sozialdemokratie nicht bestritten - um Arbeitsplätze. Es gibt ein Nutzen-Kosten-Verhältnis von 26,4, was außerordentlich hoch ist. Nur zum Vergleich: Das Nutzen-Kosten-Verhältnis der Unterelbefahrrinnenanpassung liegt bei 4,5. Jeder in die Unterweseranpassung investierte Euro bringt der Volkswirtschaft also am Ende 26,40 Euro zurück. Insofern ist es aus wirtschaftlichen Gründen richtig, für diese Fahrrinnenanpassung zu plädieren und entsprechend zu entscheiden.
Es geht - auch das wurde schon deutlich - um die bessere Erreichbarkeit der bisher tideabhängigen Häfen Brake und übrigens auch Bremen. Es geht übrigens - von den Zahlen her - um eine Anpassung zwischen Nordenham und Brake um 90 cm sowie von Brake bis Bremen um 60 cm.
All die Bedenken, die die Sozialdemokraten in ihrem Antrag aufführen, sind richtig. Die muss man prüfen. Aber sie werden natürlich auch geprüft. Im Rahmen eines ordnungsgemäßen Planfeststellungsverfahrens werden all die Punkte, die Sie angesprochen haben, selbstverständlich abgefragt. Das muss am Ende auch bewiesen werden. Wir sind nicht in einem rechtsfreien Raum. Dort geht es zu wie in jedem ordnungsgemäßen Planfeststellungsverfahren. Ihr Antrag hat also eher den Sinn, der Ablehnung des Antrages nicht zustimmen zu müssen. Jedenfalls sind das alles Dinge, die längst in einem Planfeststellungsverfahren enthalten sind.
Diskussionsthema ist in der Tat die Verschiebung der Brackwasserzone. Es wird darüber diskutiert, ob das 500 m sind. Die Untersuchungen im Rahmen des Planfeststellungsverfahrens haben bisher eine Erhöhung des Salzwertes um 0,5 ‰ ergeben. Dafür soll es einen Ausgleich geben. Auch der wird im Planfeststellungsverfahren festgeschrieben.
Unabhängig von dem zugesicherten Ausgleich im Rahmen des Planfeststellungsverfahrens gibt es noch eine Arbeitsgruppe im Landwirtschaftsministerium, die nochmals mit den Betroffenen darüber diskutiert, ob man die Mittel, die der Bund für Ausgleichsmaßnahmen zur Verfügung zu stellen bereit ist, nicht für andere Ausgleichsmaßnahmen verwenden sollte. Gemeinsam mit den Betroffenen sucht man hier nach einer richtigen Lösung.
Alles spricht dafür, dass man diesen Antrag ablehnt. Aus wirtschaftlichen Gründen brauchen wir diese Fahrrinnenanpassung. Die ökologischen Bedenken werden im Rahmen eines Planfeststellungsverfahrens abgeklärt und hoffentlich auch gelöst.
Die auf Ablehnung lautende Beschlussempfehlung ist die weiter gehende Empfehlung. Wir stimmen daher zunächst über diese ab. Nur falls diese abgelehnt wird, stimmen wir anschließend noch über den Änderungsantrag ab.
Wer der Beschlussempfehlung des Ausschusses zustimmen und damit den Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen in der Drs. 16/436 ablehnen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Die Gegenprobe?
Enthaltungen? - Meine Damen und Herren, in der Tat ist nicht auf den ersten Blick zu sehen, ob die Mehrheit erreicht wurde. Deswegen bitte ich jetzt die Schriftführer, die Stimmen auf beiden Seiten zu zählen.
Vorhin bei der Abstimmung war es vielleicht noch knapp, aber nach den Zählungen der beiden Schriftführerinnen muss ich feststellen, dass eine Mehrheit für die Ablehnung des Antrages gestimmt hat. Wenn Sie das jetzt nicht noch anzweifeln, stelle ich fest, dass der Beschlussempfehlung des Ausschusses gefolgt worden ist. - Ich sehe nicht, dass dazu weitere Anträge gestellt werden. Damit ist der Beschlussempfehlung des Ausschusses gefolgt worden. Zugleich ist damit der Änderungsantrag der Fraktion der SPD in der Drs. 16/1685 nach § 39 Abs. 2 Satz 5 in Verbindung mit § 31 Abs. 3 Satz 2 unserer Geschäftsordnung abgelehnt.
Meine Damen und Herren, ich rufe den letzten Punkt für heute auf, nämlich den Tagesordnungspunkt 23:
Erste Beratung: Zukunft der Pflege in Niedersachsen sichern und sozial gestalten - Antrag der Fraktion DIE LINKE - Drs. 16/1631
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Unser Antrag ist das Ergebnis vieler Gespräche mit unterschiedlichen Akteuren wie den Gewerkschaften, Betriebs- und Personalräten sowie Trägern von Pflegeeinrichtungen und auch das Ergebnis von Gesprächen mit Vertretern vieler Kommunen.
Herr Humke-Focks, vielleicht warten Sie einen Moment! - Meine Damen und Herren, ich kann die Aufregung, die entstanden ist, nachvollziehen. Aber es wäre schön - - -
Ich sage es noch einmal extra für Sie auf der rechten Seite, damit auch Sie es wirklich verstehen: Unser Antrag ist das Ergebnis vieler Gespräche mit den unterschiedlichen Akteuren, die sich mit dem Bereich der Pflege in Niedersachsen auseinandersetzen. Er ist auch das Ergebnis von Gesprächen mit Vertretern verschiedener Kommunen in Niedersachsen.
Es ist sehr ernüchternd, festzustellen, dass genau diese Akteure zu dem Ergebnis kommen, dass die Pflege in Niedersachsen aus dem letzten Loch pfeift und dass gerade bei dieser verantwortungsvollen Arbeit erhebliche Qualitätsverluste drohen. Das darf nicht unwidersprochen hingenommen werden.
Gerade für die Mehrheit der Pflegebedürftigen hat das weitreichende Konsequenzen. Wir haben in Niedersachsen die niedrigsten Pflegesätze in Westdeutschland. Sie liegen sogar noch 20 % unter dem Bundesdurchschnitt. In Hamburg und Nordrhein-Westfalen stehen für einen Pflegeplatz in der Pflegestufe III monatlich ganze 500 bzw. 600 Euro mehr zur Verfügung. Um es gleich vorwegzunehmen: Auch in diesen Ländern sind Pflegeeinrichtungen keine Unterkünfte von Luxusformat.
Es wird immer augenfälliger, welche Konsequenzen diese niedrigen Sätze für die Pflege in Niedersachsen haben. Konsequenzen haben diese Sätze besonders für diejenigen Pflegeträger, die ihre Beschäftigten nach Tarif bezahlen. Das sind zum einen die kommunalen Träger und zum anderen die Träger der freien Wohlfahrtspflege. Gerade diese beiden Trägergruppen wurden mit der Privatisierungswelle in einen Konkurrenzkampf gezwungen, der existenzielle Gefahren beinhaltet.
Dieser Konkurrenzkampf hat fatale Auswirkungen auf alle Beteiligten in der Pflege. Er verursacht einen massiven Druck auf den Personalschlüssel und auf ganze Tarifverträge. Die nicht tarifgebundenen privaten Pflegeträger können die zunehmend seltener werdenden Leitungskräfte mit übertariflicher Entlohnung abwerben. Finanziert wird dies durch die untertarifliche Bezahlung der anderen Kräfte, insbesondere der Pflegehilfskräfte, was dazu geführt hat, dass selbst die verantwortungsvollen Träger ihre Pflegehilfskräfte mit nur noch ca. 1 200 Euro brutto für eine Vollzeitstelle entlohnen müssen. Das ist ein gesellschaftlicher Skandal.
Von vielen Vertretern der freien Wohlfahrtspflege ist daher ein Mindestlohn in der Pflege in der Höhe eines armutsfreien Einkommens gefordert worden. Das entspricht einem Bruttogehalt von etwa 1 800 Euro bei einem Stundenlohn von mindestens 10,50 Euro. Das ist wahrlich alles andere als zuviel für diese belastende und verantwortungsvolle Arbeit. Im April wurde die Pflege ins Entsendegesetz aufgenommen, doch leider ist noch kein Ende der Verhandlungen der hierfür eingesetzten Kommission in Sicht.
Ich will Ihnen ein Beispiel für die Folgen des genannten Konkurrenzkampfes nennen: In Hannover sind in diesem Jahr fünf Einrichtungen der Caritas in Insolvenz gegangen. Ihr Verkauf an das Evangelische Johannesstift war mit 30-prozentigen Lohneinbußen für die Beschäftigten verbunden. 30 % von einem Einkommen, welches ohnehin schon sehr gering ist - das ist ein Preis für den Erhalt von Arbeitsplätzen, der eigentlich als inakzeptabel bezeichnet werden muss.
Das war nur ein Beispiel. Nicht nur die Caritas leidet darunter, sondern das gilt auch für andere Träger. Dieser Konkurrenzdruck in der Pflege ist ein Prozess, der auch den Pflegealltag geändert hat. Waschen, anziehen, abfüttern, dazwischen Medikamente reichen, Pflegeberichte schreiben usw. Bitte stellen Sie sich das alles unter den Bedingungen eines bis zum Äußersten abgespeckten Personalschlüssels vor. Dass hierbei die menschliche Ansprache zwischen den Pflegenden und den Pflegebedürftigen leidet, ist klar. Für beide Seiten ist das ein massives Problem.