Protokoll der Sitzung vom 28.10.2009

Zeigen Sie, dass Sie mehr können, als dem Schwiegersohnimage gerecht zu werden - das hat sich altersmäßig sowieso irgendwann erledigt; das geht nicht auf die Dauer.

Ich will hier noch einmal ganz klar sagen: Die Linke fordert eine nachhaltige Verbesserung der Steuereinnahmesituation zur Sicherstellung der Handlungsfähigkeit des Staates, und zwar auf Bundes-, Landes- und Kommunalebene. Wir fordern dazu die Wiedererhebung der Vermögensteuer, die Anhebung - nicht sie Senkung - des Spitzensteuersatzes bei der Lohn- und Einkommensteuer - gucken Sie einmal, was da bei Helmut Kohl noch vorkam -, die Einführung einer Börsenumsatzsteuer und einer Großerbensteuer sowie die Wiederbelebung - nicht die Infragestellung - der Gewerbesteuer. Dazu haben wir hier schon verschiedene Anträge eingebracht. Wir werden das auch weiterhin tun. Wir als Linke unterbreiten damit solide Vorschläge zur Verbesserung der Einnahmesituation und zur Vermeidung weiterer Verschuldung. Wir fabrizieren da nicht so eine Luftnummer, wie sie der schwarz-gelbe Koalitionsvertrag hier vorsieht.

(Beifall bei der LINKEN)

Sie werden überhaupt keine Landeshaushalte sanieren können, wenn Sie nicht über die Bundesebene für eine nachhaltige Verbesserung der Einnahmesituation sorgen. Wenn Sie das nicht endlich tun, dann brauchen Sie nicht einmal fünf Finger, um abzuzählen, was dann auf Niedersachsen zukommt, nämlich u. a. massive Streichungen in Bildungsbereich und reihenweise Kommunen, die Pleite gehen. Sie steuern in die Handlungsunfähigkeit von Bund und Land.

(Beifall bei der LINKEN - Zustimmung bei den GRÜNEN)

Jetzt zu dem, was Sie tun, um Krisen zukünftig zu verhindern: vage Absichtserklärungen, irgendwie mal ein bisschen kontrollieren, wenn das denn international geht - der Verweis auf „international“ ist ja immer eine gute Ausrede, damit Sie nicht aktiv werden müssen -, Bankenaufsicht bei der Deutschen Bank konzentrieren. Wissen Sie, da können Sie gleich den Bock zum Gärtner machen.

(Zustimmung bei der LINKEN - Zurufe von der FDP: Bundesbank! - Ulf Thie- le [CDU]: Es gibt einen Unterschied zwischen Deutscher Bank und Deut- scher Bundesbank!)

Zur Krise: Sie haben keine Antworten, weil Sie sich nicht trauen, nach den wahren Ursachen zu fragen. Sie schieben die Ursachen der Krise immer wieder auf ein paar abgedrehte Banker, deren Gehälter zu groß geworden sind, und auf zu große Banken. Damit haben Sie zwar im Prinzip recht, aber mich erinnert das schon an so ein Supertramp-Album, das ich zuhause liegen habe: „Crisis? What Crisis?“ Sie ignorieren diese Krise, Sie machen weiter wie bisher.

Einen Hoffnungsschimmer gibt es allerdings, was die Finanzmarktkontrolle angeht, nachdem Herr Schäuble im Innenministerium einen ausgeprägten Kontrollwahn gezeigt hat: Wenn er den jetzt ins Finanzministerium mitnimmt, dann gibt es vielleicht doch noch eine kleine Chance auf eine wirksame Finanzmarktkontrolle.

(Beifall bei der LINKEN)

Zum Thema Arbeit: Sie wollen keine gesetzlichen Mindestlöhne. Die wenigen, die es jetzt branchenbezogen gibt, wollen Sie auf den Prüfstand stellen. Das kann ja wohl nur heißen, dass Sie die gegebenenfalls wieder abschaffen wollen. Zu dem Mindestlohnniveau, das Sie sich vorstellen, ist eben schon etwas gesagt worden. „4,50 Euro“, sagt Peter Müller. Ich zitiere dazu aus der Bild am

Sonntag vom 18. Oktober. Er ist nämlich zu der von ihm genannten Lohnuntergrenze von 4,50 Euro gefragt worden, ob das ein verdeckter Mindestlohn sei. Er hat geantwortet:

„Nein, der Mindestlohn, wie ihn sich die Gewerkschaften vorstellen, soll dafür sorgen können, dass jeder von seiner Arbeit ein auskömmliches Leben führen kann. Die Lohnuntergrenze“

- seine 4,50 Euro -

„soll verhindern, dass sittenwidrige Löhne in diesem Land gezahlt werden dürfen.“

Wissen Sie, dass ist eine klare Aussage: Es geht Ihnen gar nicht darum, Löhne zu schaffen, von denen Menschen auch auskömmlich leben können. Sie wollen das nicht. Sie fordern Unternehmen auf, ihre Unternehmenskonzepte auf Dumpinglöhnen aufzubauen. Sie sagen: Den Rest sollen sich die Leute beim Amt holen. - Das ist in sich sittenwidrig! Das ist auch bei 4,50 Euro sittenwidrig, und erst Recht bei dem, was darunter liegt. Herr Thümler, Sie sollen mir einmal bitte erzählen, wenn Sie sagen, dass sich Leistung wieder lohnen muss: Finden Sie wirklich, dass 3 Euro und irgendwas ein leistungsgerechtes Entgelt für eine Friseurin in Ostdeutschland ist?

(Beifall bei der LINKEN und bei den GRÜNEN - Zustimmung bei der SPD)

Wir brauchen endlich einen Einstieg in einen öffentlich geförderten Beschäftigungssektor. Die Linke hat diesen im März 2009 hier im Landtag von Niedersachsen gefordert. Basierend auf den Erfahrungen des rot-roten Senats in Berlin wollen wir damit Arbeitsplätze für Menschen schaffen, die langzeitarbeitslos und schwer vermittelbar sind. Auch das wird zum Aufschwung beitragen.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir brauchen endlich einen flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn, auch zur Stärkung der Binnenkaufkraft und zur Stärkung der Nachfrage. Die Linke hat auch hierzu schon zum Anfang der Legislaturperiode einen entsprechenden Antrag vorgelegt und dieses Thema auch danach immer wieder eingebracht.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Ich komme zum Thema Umwelt und Energie. Das zentrale Projekt der schwarz-gelben Energiepolitik

ist der Ausstieg aus dem Ausstieg aus der Atomenergie. Nun ist eines klar - das kann ich Ihnen von SPD und Grünen an der Stelle nicht ersparen -: Hätte es unter Rot-Grün schon einen echten Einstieg in den Ausstieg gegeben und nicht nur einen Konsens über einen jahre- und jahrzehntelangen Weiterbetrieb von Atomkraftwerken, hätten Sie damals begonnen, Atomkraftwerke abzuschalten, dann könnten CDU und FDP die jetzt nicht wieder einschalten.

(Ursula Helmhold [GRÜNE]: Das sind die Verträge! Das wissen auch Sie!)

Das muss man auch festhalten.

(Beifall bei der LINKEN)

Was hier jetzt von Schwarz-Gelb angeführt wird, Atomenergie als Brückentechnologie, ist schlicht Blödsinn, und das wissen Sie auch.

(Beifall bei der LINKEN - Heinz Rolfes [CDU]: Was? „Blödsinn“ ist unparla- mentarisch!)

Mit den Laufzeitverlängerungen blockieren Sie den Wechsel zu erneuerbaren Energien. Wir haben hier im Landtag u. a. mit einem Antrag zum Thema Repowering aufgezeigt, wie nachhaltige Energiepolitik aussieht. Aber Ihre Atomlobbypolitik und Ihre Entschlossenheit, Niedersachsen zum Atomklo der Republik zu machen, wird immerhin die Anti-Atombewegung beleben, stärken und weiter mobilisieren. Sie wird Ihnen ordentlich Druck machen auf Ihrem kohlebeheizten veralteten Dampfkessel.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir werden als Linke jedenfalls dabei sein. Ich hoffe, dass die Grünen und die SPD ebenfalls dabei sind.

Ihr energiepolitisches Konzept ist kein ernsthaftes Bemühen um Klimaschutz. Aber konsequent kommt auch gleich der nächste Abschnitt mit der Lösung - das habe ich registriert -; denn da steht:

„Deutschland braucht klare Ziele in der Raumfahrt. Dafür wird eine eigenständige Raumfahrtstrategie mit klaren Missions- und Technologiezielen innerhalb eines Jahres weiterentwickelt.“

Eines scheint Ihnen immerhin völlig klar zu sein: Solch eine schwarz-gelbe Umweltpolitik, wie Sie sie hier vorlegen, zerstört unsere Umwelt und unseren Planeten. Dann muss man sich eben neuen

Lebensraum im Weltall erschließen. Insofern passt es ja dann wieder zusammen.

(Beifall bei der LINKEN)

In der Verkehrspolitik setzen Sie auf Individualverkehr. Sie steigen in Pilotprojekte für größere Lkw ein und wollen Autobahnen ausbauen. Das ist der völlig falsche Weg! Eine Verstärkung des Schienenverkehrs und des ÖPNV haben Sie offensichtlich nicht vor. Es klingt auch ziemlich gequält, wenn da steht:

„Die Koalition bekennt sich zum öffentlichen Personennahverkehr.“

Das klingt nicht wirklich so, als ob Sie ihn gern ausgebaut sähen.

(Björn Thümler [CDU]: Das haben Sie nicht richtig gelesen! Das müssen Sie einmal richtig lesen!)

Zur Landwirtschaft: Für die Milchbauern bieten Sie ein paar Nothilfen. Diese werden ihnen aber dauerhaft nichts nützen. Sie haben an dieser Stelle kein nachhaltiges Konzept. Es geht eben nicht, gleichzeitig zu sagen „Wir dürfen nicht in den Markt eingreifen“ und „Wir wollen die Milchbauern nicht pleitegehen lassen“.

(Björn Thümler [CDU]: Das geht!)

Wenn Sie nicht in den Markt eingreifen wollen, dann sagen Sie den Bauern ehrlicher, dass es darauf hinausläuft, dass es der Markt regelt und im Wesentlichen kleine Milchbauern pleitegehen.

(Beifall bei der LINKEN)

Das begreifen auch mehr und mehr Bauern. Ausweislich der Zeitschrift top agrar haben bei der Bundestagswahl immerhin schon 9 % der Bauern die Linke gewählt. Die wissen, warum und wer auf ihrer Seite steht.

(Beifall bei der LINKEN)

Zum Thema Gentechnik: Sie schreiben in Ihrem Vertrag, die gentechnisch veränderte Kartoffel Amflora soll angebaut werden. Gentechnisch veränderter Mais soll angebaut werden, wenn das Gerichtsverfahren durch ist. Dann heißt es - das finde ich interessant -, die Länder sollen „flexibel eigenständig Abstände … zwischen Feldern mit genetisch veränderten Pflanzen und solchen mit konventionellem oder ökologischem Anbau“ festlegen. Da habe ich mich wirklich gefragt: Warum? - Das müssen Sie mir noch einmal erklären. Weil es

an der einen Stelle windiger ist als an der anderen, oder wo ist da der Unterschied?

Sie können die Folgen dieser Technologien nicht abschätzen. Sie wissen nicht, was mit gentechnisch veränderten Pflanzen passiert. Das ist unverantwortlich. Das ist auch unnötig. Es ist vor allem gegen den Willen einer ganz überwiegenden Mehrheit der Bevölkerung. Aber das ist Ihnen egal. - So viel zu Ihrem Demokratieverständnis!

Zum Thema Bildung: Die OECD hat festgestellt, dass Deutschland deutlich weniger als die meisten anderen Industriestaaten für Bildung ausgibt. Aber die Finanzminister haben im September versucht, das schönzurechnen, indem sie z. B. das Kindergeld für Volljährige einbezogen und den ermäßigten Umsatzsteuersatz für Bücher zugrunde gelegt und dann gesagt haben: Es sind schon ohne Weiteres über 10 %. - Das ist kein Fortschritt, sondern eine billige und freche statistische Manipulation!

(Beifall bei der LINKEN)