Protokoll der Sitzung vom 28.10.2009

(Beifall bei der LINKEN)

Wir haben hier im Landtag immer wieder Anträge zur Verbesserung der Bildung unserer Kinder gestellt. Auch in diesem Plenarabschnitt, nämlich morgen, werden wir einen Antrag der Linken zur Sicherung qualifizierten Lehrernachwuchses, zum Abbau von Zugangshürden und zur Steigerung der Attraktivität dieses Berufes behandeln. Wir werden auch weiterhin solche Anträge einbringen. Wir haben ja auch schon die Abschaffung der Studiengebühren gefordert, weil diese Menschen von der Aufnahme eines Studiums abhalten, wenn sie nicht aus einem reichen Elternhaus kommen.

(Beifall bei der LINKEN)

Zum Thema sozialer Fortschritt: Jetzt haben Sie die Kopfpauschale in der Pflege- und Gesundheitsversicherung von 2005 wieder ausgebuddelt. Sie können aber niemandem erklären, weshalb es sozial gerecht sein soll, wenn eine Friseurin genauso viel einzahlen muss wie ein Bankmanager mit Millionengehalt.

(Christian Grascha [FDP]: Wo steht das denn?)

Das ist soziale Kälte, völlig unverblümt.

(Beifall bei der LINKEN)

Genau dieser Blüm hat Sie da ja schon heftig kritisiert und Ihre Ideen zu diesem Thema als Schlag gegen die Gerechtigkeit korrekt diagnostiziert.

Aber auch der stellvertretende CDA-Vorsitzende Gerald Weiß nennt es nicht akzeptabel, wenn Kos

tensteigerungen im Gesundheitswesen einseitig den Arbeitnehmern aufgebürdet werden. Wie man lesen kann, hat sich der Jubel auf dem Kleinen Parteitag der CDU ja auch deutlich in Grenzen gehalten. Es war ja wohl nicht so mit der Begeisterung. Sie doktern am Gesundheitswesen herum.

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

Sie operieren da eine soziale Kälte hinein, die kaum zu überbieten ist. Eine solche Gesundheitspolitik ist krank.

(Beifall bei der LINKEN - Zustimmung von Ursula Helmhold [GRÜNE])

Sie wollen eine Zweiklassenmedizin. Die Folge wird sein, dass man künftig noch mehr als bisher an der Brille und an den Zähnen eines Menschen ablesen kann, wie viel monatliches Einkommen er hat. Gesundheit für die, die es sich leisten können - das ist Ihre Politik!

(Beifall bei der LINKEN)

Die Gewinner sind private Versicherungsunternehmen. Von dort haben Sie auch Applaus bekommen, ebenso von der Pharmaindustrie sowie von Ärzten und Apothekern. Geliefert wie bestellt! Sie haben eben enge Beziehungen zu dieser Klientel. Auftrag ausgeführt!

Sie wollen bei der Pflegeversicherung den Einstieg in ein kapitalgedecktes System. Eigentlich müssten Sie von anderen Ländern und aus der Wirtschaftskrise gelernt haben, wie anfällig solche Systeme sind. Da Sie auf uns ja nicht hören, zitiere ich das CDU-Bundesvorstandsmitglied Regina Görner:

„Was soll das, dass wir in die Pflegeversicherung Elemente der Kapitalversicherung einbringen wollen?“

Sie vergleicht das mit Zuständen in den USA.

„Wer weiß, was das bedeutet,“

- sagt sie -

„der muss unbedingt festhalten an der Umlagefinanzierung.“

Das sollten Sie sich zu Herzen nehmen.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Linke fordert eine solidarische Bürgerinnen- und Bürgerversicherung, in die alle - und zwar ausdrücklich für alle Einkommensarten - einzahlen und die bei Angestellten paritätisch finanziert wird: hälftig von Arbeitgebern und Arbeitnehmern. Das

stellt die Kranken- und Pflegeversicherung dauerhaft auf eine stabile Grundlage.

Hier in Niedersachsen haben wir Sie mit unserem Antrag „Der Deckel muss weg“ aufgefordert, die Krankenhausfinanzierung zu sichern. Wir werden hier demnächst auch einen Antrag zur flächendeckenden ärztlichen Versorgung auf dem Land einbringen, weil es da in Niedersachsen deutliche Probleme gibt.

Ich komme jetzt zum Thema Kinder und Familie. Herr Wulff hat ausgeführt, dass alles Tolle, was bisher für Kinder und Familien gemacht wurde, von der CDU mit auf den Weg gebracht wurde. Herr Dürr hat gesagt, es geht in diesem Vertrag vor allem um eine Entlastung von Familien.

(Jörg Bode [FDP]: Genau so ist es!)

Das, was Sie da gemacht haben, bedeutet, dass Kinder von Hartz-IV-Empfängern nichts dazubekommen, weil die Kindergelderhöhung, die Sie machen, bei den Bezügen gegengerechnet wird. Die Normalverdiener erhalten 20 Euro Kindergeld mehr, und die gut und noch besser Verdienenden erhalten 40 Euro und mehr, weil sie entsprechende Freibeträge von der Steuer absetzen können. Das finden Sie sozial? Das finden Sie gerecht? Das finden Sie familienfördernd und kinderfreundlich? Was wollen Sie damit eigentlich erreichen?

(Zuruf von der LINKEN: Das ist das wahre Gesicht!)

Wollen Sie, dass sich die Kinder aus reicheren Elternhäusern standesgemäß kleiden können und dass man die Kinder aus ärmeren Elternhäusern, die Schmuddelkinder, mit denen sie nicht spielen, gleich am Äußeren erkennt, oder worum geht es Ihnen an dieser Stelle? Um eine klare Trennung von Bevölkerungsschichten, oder worum geht es dabei?

(Beifall bei der LINKEN)

Nun befasst sich ja das Bundesverfassungsgericht mit den Hartz-IV-Sätzen und stellt fest: Es geht nicht nur um das Überleben, sondern es geht um ein soziokulturelles Existenzminimum, also ausdrücklich auch um die Frage gesellschaftlicher Teilhabe, und nicht nur darum, dass man nicht verhungert und nicht auf der Straße schlafen muss. Da sind nun mit dem Konzept, aber auch mit der Festlegung der Regelsätze absolute Fehlentscheidungen aus rot-grüner Regierungszeit eingeleitet worden. Aber - bevor Sie jetzt klatschen, sich freuen oder was auch immer - das ist auch von

Schwarz-Gelb voll mitgetragen worden. Sie haben das alle zusammen verzapft. Ich hoffe, dass das Bundesverfassungsgericht jetzt sehr deutlich wird und Ihnen erklärt, was das Wort „Sozialstaat“ bedeutet. Das wird Milliarden kosten. Die Pauschalierungsansätze, die Sie jetzt machen, werden bei den Hartz-IV-Empfängern zu einer weiteren Unterdeckung führen; denn es wird mehr Hartz-IV-Empfänger geben, aber kaum mehr erschwinglichen Wohnraum an der Stelle. Das lassen Sie aber locker-flockig das Problem der Hartz-IV-Empfänger sein.

(Beifall bei der LINKEN)

Unter dem Block „Sozialer Fortschritt“ haben Sie u. a. das Thema Geschichte untergebracht. Die Zuordnung an dieser Stelle erscheint mir ein bisschen willkürlich. Aber vielleicht sind Ihnen noch mehr Seiten durcheinandergeraten. Ich frage Sie einmal: Besteht Ihr Konzept gegen Rechtsextremismus ganz ernsthaft darin, dass Sie unter dem einleitenden Absatz, Sie wollten der Verklärung der DDR-Diktatur entgegenwirken, Ihr Rechtsextremismusprogramm auf das ausweiten wollen, was Sie Linksextremismus und Islamismus nennen? Ich empfehle Ihnen, einmal den Beschluss durchzulesen, den die Grüne Jugend zum Begriff Extremismus und zur Ablehnung dieses Begriffes gerade einstimmig auf ihrem Bundestreffen verabschiedet hat. Da wird Ihnen klug erklärt, warum die Gleichsetzung, die Sie immer wieder fabrizieren, völlig unzulässig und unverantwortlich ist.

(Beifall bei der LINKEN und bei den GRÜNEN - Helge Limburg [GRÜNE]: Weiter so!)

Ringen Sie sich endlich zu einem NPD-Verbot durch! Greifen Sie unsere Anträge zu diesem Thema auf, auch z. B. zur länderübergreifenden Bekämpfung von Rechtsextremismus! Von mir aus können Sie als Antragsteller auch „CDU“ draufschreiben. Das soll uns egal sein. Uns geht es hierbei um die Sache.

(Beifall bei der LINKEN)

Jetzt noch einmal zum Thema Personalfragen. Irgendwie scheint mir da ein Missverständnis vorzuherrschen, was den Begriff der Beschäftigungssicherung und Arbeitsplatzsicherung angeht. Das war nicht so gemeint, dass ein paar Politikerinnen und Politiker auf irgendwelchen Ministerposten unterzubringen sind.

(Ulf Thiele [CDU]: Ist das schwach! Von Neid zerfressen!)

Offensichtlich war Qualifikation nicht Kriterium. Da ging es wohl mehr nach Proporz, nach Regionen. Außer Frau Merkel haben Sie aus den östlichen Bundesländern trotzdem niemanden drin. Es ging vielleicht nach Partei oder nach Alter. Auf das Können kam es jedenfalls an dieser Stelle nicht an. Sie haben einen Außenminister ernannt, der ohne Dolmetscher nicht einmal in der Weltsprache Englisch kommunizieren kann. Ich frage mich, wie der sich auf internationalem Parkett bewegen soll.

Herr Guttenberg hat seine mediale Schuldigkeit getan; den haben Sie jetzt zur Verteidigung abgeschoben.

(Lachen bei der CDU)

Herrn Schäuble haben Sie zum Finanzminister ernannt.

(Norbert Böhlke [CDU]: Wer hat den ernannt?)

Da frage ich mich: Wie machen Sie das eigentlich? Wenn der einen Waffenhändler trifft und hinterher nicht einmal mehr weiß, ob er von ihm 100 000 DM gekriegt hat,

(Björn Thümler [CDU]: Das ist ja wohl unverschämt!)

dann kann er offensichtlich nicht mit Geld umgehen.

(Beifall bei der LINKEN und bei den GRÜNEN)