Protokoll der Sitzung vom 30.10.2009

(Beifall bei der SPD, bei den GRÜ- NEN und bei der LINKEN)

die das Kabinett Wulff leider abgeschafft hat. Man kann falsche Entscheidungen korrigieren, Herr Ministerpräsident.

(Beifall bei der SPD, bei den GRÜ- NEN und bei der LINKEN)

Er ist leider nicht da.

(Björn Thümler [CDU]: Er ist bei der Ministerpräsidentenkonferenz!)

Nun zu dem Änderungsantrag der Linken: Der Antrag beschreibt in einem ausführlichen Vorspann die Entwicklung bis zum Fall der Mauer aus ihrer Sicht und kritisiert den ihrer Meinung nach überhasteten Einigungsprozess. Sie, meine Damen und Herren von der Linken, kommen zu Einschätzungen, die wir nicht teilen, über die wir aber gern im Ausschuss diskutieren wollen. Durchaus positiv bewerten wir dagegen Ihre Anregung, das Georg-Eckert-Institut für internationale Schulbuchforschung einzubeziehen.

Meine Damen und Herren, das Thema Aufarbeitung der DDR-Geschichte und deren Vermittlung im Unterricht bietet nach 20 Jahren Anlass für eine Bestandsaufnahme. Ich freue mich auf die Diskussionen im Ausschuss.

(Starker, anhaltender Beifall bei der SPD - Beifall bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

Danke schön. - Nächste Rednerin ist Frau Kollegin Korter von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Bitte schön!

(Bernhard Busemann [CDU]: Wer bei diesem Thema Beifall von der Links- partei erhält, hat das Thema verfehlt! - Detlef Tanke [SPD]: Etwas Nachdenk- lichkeit wäre durchaus angemessen! - Weitere Zurufe von der SPD)

- Jetzt ist keine Nachdenklichkeit, sondern insbesondere Zuhören angesagt, Herr Kollege Tanke. Frau Korter hat das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir sind uns sicherlich in der Freude einig, dass es 1989 der Bürgerbewegung in der ehemaligen DDR gelungen ist, das dortige Unterdrückungssystem zu Fall zu bringen.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD sowie Zustimmung von Christa Reichwaldt [LINKE])

Wir sind uns auch einig in der Freude, dass die Mauer in Berlin gefallen ist und die Schießanlagen an der innerdeutschen Grenze verschwunden sind.

(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung von Wolfgang Jüttner [SPD])

Aber, meine Damen und Herren, wozu jetzt, 20 Jahre nach dem Mauerfall, diese beiden Anträge zur Behandlung der DDR in der Schule?

Die Existenz der DDR war eine wichtige Epoche in unserer Geschichte, über die Schülerinnen und Schüler Bescheid wissen müssen und mit der sie sich auseinandersetzen müssen.

Wenn Sie in die Kerncurricula unserer Schule schauen, dann werden Sie sehen, dass dies dort vorgesehen ist.

So wird beispielsweise im Kerncurriculum für den Geschichtsunterricht im Gymnasium ausdrücklich verlangt, sich mit der Gründung beider deutscher Staaten 1949, mit dem Volksaufstand am 17. Juni 1953, mit dem Mauerbau 1961 und dem Fall der Mauer 1989 zu beschäftigen und sich u. a. unter dem Stichwort „Stasi“ mit den unterschiedlichen Formen gesellschaftlichen Lebens in beiden deutschen Staaten auseinanderzusetzen.

Noch selbstverständlicher ist, dass die Grundwerte von Freiheit, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit im Schulunterricht vermittelt werden müssen. Das kann in der Auseinandersetzung mit der DDR geschehen, das muss aber immer auch in der Auseinandersetzung mit der NS-Vergangenheit unseres

Landes erfolgen. Beides ist in dem Kerncurriculum vorgesehen.

(Zustimmung von Miriam Staudte [GRÜNE])

Meine Damen und Herren von CDU und FDP, Sie beklagen in Ihrem Antrag einen bedenklichen Trend zur Verklärung des DDR-Unrechtregimes. Dass Jugendliche sich Stasi oder Schießbefehl zurückwünschen, habe ich allerdings noch nicht gehört.

Niedersachsen hatte einmal damit begonnen, den Schulen mehr Eigenverantwortung zu geben. Dazu gehört auch die Abkehr von detaillierten Rahmenrichtlinien, die bis ins Kleinste vorschreiben, was in den Schulen wann wie behandelt werden soll. Kerncurricula sollen stattdessen vor allem beschreiben, welche wesentlichen Kompetenzen, basierend auf der Kenntnis grundlegender Daten, Begriffe und Namen, erworben werden sollen. Sie geben keine detaillierten Stoffkataloge mehr vor. Ich habe vorhin beschrieben, dass dies im Kerncurriculum Geschichte bereits mit Blick auf die zentralen Daten, Begriffe und Namen sowie Kompetenzen vorgesehen ist.

Für noch problematischer halte ich es, wenn Sie den Schulen nicht nur vorschreiben wollen, was sie zu behandeln haben, sondern auch, wie historischpolitische Ereignisse zu sehen sind. „Geschichtsunterricht vermittelt kein geschlossenes Weltbild“, heißt es im Kerncurriculum Geschichte. Weiter:

„Wenn Schülerinnen und Schülern klar wird, dass Geschichtsdarstellungen immer auch gegenwärtigen Interessen und Bedürfnissen in unserer Gesellschaft dienen, werden sie sensibilisiert für aktuelle Debatten, in denen Geschichte als Argument zur Stützung politischer Standpunkte herangezogen wird.“

Das ist deutlich genug, meine ich.

Schule und beispielsweise der Geschichtsunterricht sollen unter der Zielsetzung der Demokratieerziehung Schülerinnen und Schüler befähigen, sich selbst auf der Grundlage basierten Wissens ein Urteil zu bilden.

Meine Damen und Herren, wir können uns hier im Landtag über Vieles streiten. Wir können auch prüfen, ob alles richtig ist, was in den Curricula steht, und ob Wesentliches in ihnen steht. Aber es ist nicht Aufgabe des Landtages, den Schulen

detailliert vorzuschreiben, wie die richtige Interpretation von Geschichte aussehen soll.

Deshalb halte ich beide Anträge für überflüssig.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Danke schön. - Für die Fraktion DIE LINKE hat Herr Adler das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ihnen wird aufgefallen sein, dass sich unser Änderungsantrag vom Ursprungsantrag der Fraktionen von CDU und FDP wohl im Einleitungsteil unterscheidet, weil unterschiedliche Bewertungen historischer Vorgänge vorliegen, weniger aber im zweiten Teil, in dem es um die Schlussfolgerungen geht. Dort ist in beiden Anträgen z. B. vorgesehen, dass in den Lehrplänen genügend Zeit für Ursachen und Folgen der deutschen Teilung zur Verfügung stehen muss. Ihnen muss doch klar sein: Je mehr Zeit zur Verfügung steht, desto mehr wird es misslingen, den Unterricht für einseitige Geschichtsdarstellungen zu missbrauchen.

So wird sich beispielsweise thematisieren lassen, wie Konrad Adenauer seit 1949 die Spaltung Deutschlands mit verursacht hat,

(David McAllister [CDU]: Was?)

weil er Chancen auf staatliche Einheit einschließlich freier Wahlen ausgeschlagen hatte, da er auf die Zugehörigkeit Westdeutschlands zur NATO nicht verzichten wollte. Die bekannte Stalin-Note wurde sofort ausgeschlagen. Sie wurde nicht einmal geprüft.

(Zuruf von Wilhelm Hogrefe [CDU])

Ich darf daran erinnern, dass der Nachfolgestaat des „Großdeutschen Reiches“ Österreich nicht gespalten wurde. Und auch dieser Staat hatte eine sowjetische Besatzungszone.

(Klaus Krumfuß [CDU]: Das hat Ihnen doch Harry Tisch aufgeschrieben!)

Je mehr Zeit man diesen Themen widmet, desto gründlicher werden sie behandelt. Das ist gut so. Wir wollen keine ideologisch geprägten geschichtlichen Deutungen. In beiden Anträgen wird dazu aufgerufen, durch Zeitzeugen das Alltagsleben in der DDR zu thematisieren und so einen Einblick in die Wirtschafts- und Sozialgeschichte zu geben. Gut so! Ich hoffe sehr, dass Sie bei der Auswahl

der Zeitzeugen nicht nach politischen Kriterien sortieren. Das Bild, das Zeitzeugen vermitteln, wird nach allen Erfahrungen sehr differenziert sein. Damit wir uns nicht missverstehen: Wir sind dafür, dass Menschen, die in ihrem Leben von der Staatssicherheit drangsaliert wurden, darüber authentisch berichten. Über Unrecht soll ungeschminkt geredet werden.

(Jens Nacke [CDU]: Das ist mal was Neues!)

Um es allgemeiner zu sagen: Es soll auch darüber gesprochen werden, dass eine höhere Zivilisationsstufe der menschlichen Gesellschaft - und das ist vom Anspruch her Sozialismus -

(Lachen bei der CDU und bei der FDP)

nicht entstehen kann, wenn ein dafür geschaffener Staat hinter das zurückfällt, was unter kapitalistischen Bedingungen mit der bürgerlichen Demokratie schon erreicht worden ist.

(Beifall bei der LINKEN - Frank Oesterhelweg [CDU]: Jetzt wird der Bock zum Gärtner! - Weitere Zurufe von der CDU und der FDP)

- Sie müssen einfach einmal zuhören. - Wir wissen auch, dass die DDR kein Rechtsstaat war. Sie werden aber der Realität nicht gerecht, wenn Sie den Kampfbegriff „Unrechtsstaat“ verwenden.

(Zurufe von der CDU: Wie denn sonst!)

- Sie müssen einfach einmal zuhören. Wir konnten das bei Herrn McAllister doch auch.

(Ernst-August Hoppenbrock [CDU]: Das tut mehr weh als bei Herrn McAl- lister! - Weitere Zurufe von der CDU: Das können Sie doch nicht verglei- chen! Das war auch eine gute Rede!)