Protokoll der Sitzung vom 14.12.2009

Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, ich wünsche Ihnen einen guten Morgen und heiße Sie namens des gesamten Präsidiums zu unserer heutigen Sitzung herzlich willkommen.

Ich eröffne die 54. Sitzung im 19. Tagungsabschnitt des Niedersächsischen Landtages der 16. Wahlperiode.

Ich stelle die Beschlussfähigkeit des Hauses fest.

Mitteilungen des Präsidenten

Zur Tagesordnung: Die Einladung und die Tagesordnung für diesen Tagungsabschnitt liegen Ihnen gedruckt vor.

Für die heutige Aktuelle Stunde sind fünf Themen benannt worden.

Es liegen im Übrigen vier Dringliche Anfragen vor, die morgen früh ab 9 Uhr beantwortet werden.

Im Mittelpunkt unseres Tagungsabschnitts steht die Beratung des Haushalts für das Jahr 2010. Wie üblich ist die Debatte über ausgewählte Haushaltsschwerpunkte wieder in Blöcken zusammengefasst.

Der Bericht des Vorsitzenden des Haushaltsausschusses und die anschließende allgemeinpolitische Debatte, in der in grundsätzlicher Weise über die Regierungs- und Haushaltspolitik gesprochen werden soll, sind für heute Nachmittag vorgesehen.

Abgeschlossen werden die Haushaltsberatungen am Donnerstagvormittag mit den notwendigen Abstimmungen, die nach der vorgegebenen Haushaltsgliederung und weitgehend gebündelt durchgeführt werden sollen.

Auf der Grundlage der im Ältestenrat für die Beratung einzelner Punkte vereinbarten Redezeiten und des im Ältestenrat vereinbarten Verteilerschlüssels haben die Fraktionen die ihnen jeweils zustehenden Zeitkontingente so verteilt, wie Sie das aus der Ihnen vorliegenden Übersicht ersehen können.

Die für die einzelnen Beratungsblöcke zum Haushalt festgesetzten Redezeiten sind in diese Umverteilung gemäß § 71 Abs. 2 unserer Geschäftsordnung einbezogen worden.

Ich gehe davon aus, dass das Haus mit dem vorgeschlagenen Ablauf und den Redezeiten einverstanden ist. - Widerspruch zeigt sich nicht. Also setze ich Zustimmung voraus. Wir werden demnach wie dargestellt vorgehen.

Wir haben in den vor uns liegenden vier Tagen ein sehr umfangreiches Programm zu erledigen. Gerade angesichts der Vorkommnisse im letzten Tagungsabschnitt - Sie alle wissen, worauf ich anspiele - appelliere ich mit allem Nachdruck an Sie, trotz aller, in einer parlamentarischen Demokratie selbstverständlichen, unterschiedlichen Meinungen die Debatte fair und diszipliniert zu führen - in jedem Fall in einer Weise, die auch mit Blick auf unsere Besucherinnen und Besucher dem Anspruch, das „Hohe Haus“ unseres Landes zu sein, gerecht wird.

Die heutige Sitzung soll gegen 18.50 Uhr enden.

In der Wandelhalle ist die vom Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe konzipierte Ausstellung „Menschen gemeinsam schützen - Bevölkerungsschutz gestern - heute - morgen“ zu sehen.

Ein weiterer Hinweis: Vom 12. bis 30. November 2009 hatte die Landesarbeitsgemeinschaft Soziokultur in Niedersachsen e. V. im Landtag zum Thema „Demografie und kulturelle Orte - Mit Soziokultur den Wandel gestalten“ eine Ausstellung präsentiert. Die LAGS bot während der Eröffnung und zur Plenarsitzung am 24. und 25. November 2009 eine Kunstaktion zum Mitmachen an. Abgeordnete und Besucherinnen und Besucher konnten in der Wandelhalle ihr eigenes „Wertpapier“ schöpfen und aus Buchstaben die Werte zusammensetzen, die für sie besonders wichtig sind. Das Buch, das so entstanden ist, ist vom 14. bis zum 17. Dezember 2009 in der Portikushalle zu sehen. Ich würde mich freuen, wenn Sie ungeachtet der Fülle der von uns zu behandelnden Themen ein wenig Zeit finden könnten, sich die Ausstellung zum Bevölkerungsschutz und das während des letzten Tagungsabschnitts entstandene Buch anzusehen.

Die Initiative „Schulen in Niedersachsen online“ wird während der ersten drei Tage des Tagungsabschnitts wiederum mit einer Online-Radioübertragung live aus dem Landtag berichten. Es han

delt sich um Schülerinnen und Schüler des Gymnasiums am Bötschenberg aus Helmstedt.

Die Abgeordneten Detlef Tanke und Wittich Schobert haben sich dankenswerterweise bereit erklärt, als Paten die Arbeit der jungen Leute nach Kräften zu unterstützen und erste Ansprechpartner der Nachwuchsjournalisten zu sein.

Ich darf Sie herzlich bitten, Ihre Reden bis spätestens morgen Mittag, 12 Uhr, an den Stenografischen Dienst zurückzugeben.

Die mir zugegangenen Entschuldigungen teilt Ihnen nunmehr der Schriftführer mit.

Guten Morgen, meine Damen und Herren! Es haben sich entschuldigt von der Landesregierung der Minister für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr, Herr Bode, die Ministerin für Soziales, Frauen, Familie und Gesundheit, Frau Ross-Luttmann, ab 12 Uhr, von der Fraktion der CDU Frau Bertholdes-Sandrock von 12 Uhr bis 15.30 Uhr, Herr Dr. Matthiesen ab 15.30 Uhr, Herr Oesterhelweg bis zur Mittagspause, von der Fraktion der SPD Herr Brinkmann und Herr Schneck.

Vielen Dank. - Ich rufe Tagesordnungspunkt 1 auf:

Aktuelle Stunde

Für diesen Tagesordnungspunkt sind fünf Themen benannt worden, deren Einzelheiten Sie dem Nachtrag zur Tagesordnung entnehmen können.

Ich halte das Haus für damit einverstanden, dass wir die Anträge unter den Buchstaben b und e des Nachtrags zur Tagesordnung gemeinsam beraten.

Zur Klarstellung sei darauf hingewiesen, dass das gemeinsame Aufrufen mehrerer Anträge zur Aktuellen Stunde nicht zu einer Aufhebung der in § 49 Abs. 4 Satz 2 unserer Geschäftsordnung vorgesehenen Einzelredezeit von fünf Minuten führt. Die einzelnen Redebeiträge sollen und dürfen daher höchstens fünf Minuten dauern.

Ungeachtet dessen gehe ich davon aus, dass es bei der Vereinbarung, die genannten Anträge zusammen zu behandeln, bleibt.

Die in unserer Geschäftsordnung für den Ablauf der Aktuellen Stunde geregelten Bestimmungen

setze ich bei allen Beteiligten, auch bei der Landesregierung, als bekannt voraus.

Ich eröffne jetzt die Besprechung zu Tagesordnungspunkt 1 a:

Scheinlösung beim Bleiberecht für Flüchtlinge - Die Schwächsten bleiben auf der Strecke - Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 16/1958

Zur Einbringung erteile ich der Kollegin Polat von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das, was die Innenminister in der vorletzten Woche zum Bleiberecht beschlossen haben, ist für die meisten Flüchtlinge in Niedersachsen und in Deutschland eine Katastrophe.

(Zustimmung bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

Der Beschluss der Innenministerkonferenz stellt eindeutig einen Rückschritt dar. Denn zuvor gab es ein klares Wort des Gesetzgebers. Die gesetzliche Regelung - das wissen Sie - läuft aber am 31. Dezember 2009 ab. Das ist Fakt. Somit gibt es keine Verlängerung der gesetzlichen Bleiberechtsregelung.

Vor diesem Hintergrund, liebe Kolleginnen und Kollegen, können gerade Sie von der FDP, Herr Oetjen, es mir nicht als demokratischen Fortschritt verkaufen, dass eine Galgenfrist beschlossen wird, die im Übrigen nur für diejenigen gilt, die bereits einen Aufenthaltstitel in der Tasche haben. Das wissen viele nicht.

(Zustimmung bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

Selbst das Innenministerium, Herr Schünemann, lässt heute in seiner Anordnung an die Ausländerbehörden erkennen, dass dieser Beschluss der Innenministerkonferenz faktisch keine Relevanz hat. Für mich ist er damit überflüssig.

Es ist nämlich keine Lösung für all diejenigen, die nicht von der gesetzlichen Bleiberechtsregelung profitiert haben oder hätten profitieren können. Es ist keine Lösung für all diejenigen, insbesondere Familien, die aufgrund der Zahl ihrer Kinder, Herr Rolfes, faktisch vom Bleibrecht ausgeschlossen sind. Es ist keine Lösung für ältere Menschen -

dazu zählen alle Personen über 55; das wissen viele nicht. Es ist auch keine Lösung für all diejenigen, die ihren Lebensunterhalt aufgrund von Krankheit und/oder Behinderung nicht eigenständig durch Erwerbstätigkeit sichern können. All diese Menschen, Frau Lorberg, haben und werden nie von diesem Bleiberecht profitieren können. Meine Damen und Herren, das ist eine Scheinlösung. Die Schwächsten bleiben auf der Strecke.

(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung bei der SPD und bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren, von wie vielen betroffenen Menschen sprechen wir in Niedersachsen? - 15 000 Menschen von ursprünglich 22 000 Menschen zu Beginn der gesetzlichen Bleiberechtsregelung bzw. der niedersächsischen Bleiberechtsregelung. 15 000 Menschen leben immer noch in Kettenduldung in Niedersachsen. Daran wird sich auch mit diesem Beschluss nichts ändern. 15 000 Menschen sind tagtäglich von Abschiebung bedroht. 15 000 Menschen! Das Erschreckende dabei ist, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass über die Hälfte Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene sind, Kinder und Jugendliche, die ein Ausbildungsverbot haben - auch das wissen viele nicht -, Kinder und Jugendliche, die aufgrund der Residenzpflicht bei jeder Klassenfahrt, bei einer Fahrt zum Landtag, einen Antrag bei der Ausländerbehörde stellen müssen.

Meine Damen und Herren, Herr Schünemann, Sie sprechen immer von der Zuwanderung in die Sozialsysteme. Sie drängen diese Menschen faktisch in die Isolation, in das Sozialsystem!

(Beifall bei den GRÜNEN, bei der SPD und bei der LINKEN)

Frau Ministerin Ross-Luttmann, Sie haben im Januar 2009 in einer Debatte im Plenum zum Kinderschutz gesagt:

„Kein Kind darf uns verloren gehen. Jedes Kind ist auf unser aller Aufmerksamkeit angewiesen. Ich stehe für eine Kultur des Hinschauens.“

Sie haben des Weiteren in einer anderen Debatte gesagt, Frau Ross-Luttmann:

„Aber wichtig ist mir vor allem, dass wir erkennen, dass die Kinder das Wertvollste in unserer Gesellschaft sind“.

Ich frage Sie hier: Gilt das denn nicht für die Kinder von Flüchtlingsfamilien, für diese Kinder in diesem Land?