Protokoll der Sitzung vom 19.01.2010

(Zustimmung von Dr. Max Matthiesen [CDU])

Daher möchte ich nochmals wie auch in den Ausschussberatungen darauf hinweisen: Ich finde es nicht in Ordnung - Frau Staudte, Sie haben es in Ihrer Rede wiederholt -, dass die Kindertagespflege als minderwertig oder gar als Billiglösung bezeichnet wird.

(Beifall bei der CDU -Norbert Böhlke [CDU]: Sehr richtig!)

Wenn Sie in Ihrem Antrag formulieren „wenn sie“ - die Tagespflege - „mehr als die Billiglösung des Krippenausbaus sein soll“, dann meinen Sie doch nichts anderes, als dass das Tagespflegemodell eine Billiglösung ist. Aber warum haben sich dann

in den letzten zwei Jahren so viele Eltern für dieses Modell entschieden? - Das bleibt für Ihre Seite und auch für die Seite der Linken wohl ein Rätsel. Aber vielleicht liegt der Fehler in Ihrer Vorstellung, dass nur der Staat wisse, was für Kinder gut ist. Das ist und bleibt ein Irrglaube, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU und Zustimmung von Björn Försterling [FDP])

Die Annahme ist falsch, durch staatliche Reglementierung und Bevormundung könne man Qualität vorschreiben. Diese Reglementierung zieht sich aber durch Ihren gesamten Antrag. Sie trauen den Eltern nicht zu, dass sie sich die Tagespflegepersonen für ihre Kinder selber aussuchen können. Durch Ihre Vorschläge würgen Sie die tolle Entwicklung in diesem Bereich ab. Ich glaube, dass durch Ihre Vorschläge mehr Menschen mit der Kontrolle beschäftigt wären als mit der Betreuung der Kinder selbst. Das wollen wir nicht.

(Beifall bei der CDU)

Herr Kollege Focke, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Helmhold?

Nein, danke. - Den Kommunen geben Sie gleich noch eins mit. Der Kollege Klein hat auf die Konnexität hingewiesen. Sie sagen, die Ausbildung sei mangelhaft, die Tagesmütter würden zu wenig verdienen, Aus- und Fortbildung finde nicht statt. Also holen Sie den Knüppel heraus und wollen 40 Fortbildungsstunden pro Jahr auf Kosten der Kommunen staatlich verordnen. Meine Damen und Herren, so darf man mit den örtlichen Jugendhilfeträgern nicht umgehen!

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Lassen Sie mich auch noch auf den von Ihnen geforderten Mindestlohn eingehen. Eine Höhe legen Sie in Ihrem Antrag nicht fest. Lediglich in Ihrer Begründung nennen Sie Zahlen zwischen 2 Euro und 4,50 Euro pro Kind und Stunde. Der genaue Richtwert soll aber erst noch in einer Kommission ermittelt werden. Meine Damen und Herren, wenn ich nicht weiter weiß, bilde ich einen Arbeitskreis. Wie sollen denn Verhandlungen mit den Kommunen aussehen, wenn diese ihren Antrag lesen und von Ihnen nur gesagt bekommen, was sie nicht oder schlecht tun? -Erklären Sie mir

einmal, wie da eine Verhandlung mit den kommunalen Spitzenverbänden zustande kommen soll.

Mir kommt es immer mehr so vor, als wollten Sie diese Art der Betreuung überhaupt nicht haben. Da sich jedoch immer mehr Eltern für genau diese Betreuungsform entscheiden und Sie sich nicht gegen die wachsende Elternschaft stellen wollen, wählen Sie den Weg, das Erfolgsmodell Kindertagesstätten durch Betonklötze von Bürokratie zu versenken.

(Zustimmung bei der CDU)

Durch die Neuregelung im Kinderförderungsgesetz ist die steuerliche Behandlung der Einkünfte aus Kindertagespflege verbessert worden. Es kommt nicht zu einer Belastung von Tagespflegepersonen, sondern im Gegenteil, dem Tagespflegepersonal wird ein Sozialversicherungsschutz zugesichert. Mit den gesetzlichen Vorgaben zur leistungsgerechten Ausgestaltung der Vergütungsstruktur in der Kindertagespflege hat das Bundesfamilienministerium noch unter Führung von Ursula von der Leyen die entscheidenden Weichen dafür gestellt, dass sich die Kindertagespflege mittelfristig zu einem anerkannten Berufsbild weiterentwickeln kann und so auch ohne Verwerfungen in die gängige Struktur des Steuer- und Sozialversicherungsrechts eingebettet werden kann.

Die Verhältnisse von Jugendträgern, Eltern und Tagespflegepersonal sind sehr vielfältig. Das Tagespflegepersonal kann im Angestelltenverhältnis oder selbstständig tätig sein. Es kann durch steuerfreie Beihilfe oder durch wirtschaftliche Gewinne, die ausgewiesen werden, finanziert werden. Es ist zu einfach, nur einen Mindestlohn zu fordern. Aber wenn es einfach wäre, würden ja auch Sie regieren, meine Damen und Herren.

(Zustimmung bei der CDU - Ursula Helmhold [GRÜNE]: Der hat auch schon einen Bart!)

Meine Damen und Herren, auf den Antrag kommt es an. Wir wollen die erfolgreiche Entwicklung der Kindertagespflege in Niedersachsen begleiten. Wir wollen die flexiblen Strukturen, die von den Eltern sehr geschätzt werden, weiter fördern und den Eltern eine echte Wahlfreiheit geben. Sie sollen sich frei zwischen den verschiedenen Betreuungsformen entscheiden können. All das finden wir in Ihrem Antrag nicht wieder. Deswegen lehnen wir ihn ab.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Danke schön, Herr Kollege Focke. Zu einer Kurzintervention auf Herrn Kollegen Focke hat Frau Kollegin Staudte von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen für anderthalb Minuten das Wort. Bitte schön!

Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Focke, wenn es tatsächlich so ist, dass wir die Tagespflege schlecht machen und sie in Wirklichkeit abschaffen wollen: Wie erklären Sie mir denn dann, dass alle Tagesmütter, die sich bei uns gemeldet haben, von unserem Antrag total begeistert waren? - Das passt von der Logik her doch nicht zusammen.

(Roland Riese [FDP]: Weil Sie denen nicht alles erzählen, was Sie tun!)

Sie haben behauptet, Sie wollten Wahlfreiheit herstellen. Wir wollen die Wahlfreiheit herstellen. Bislang ist es so, dass bis zu einem Drittel der Betreuungsverhältnisse frühzeitig abgebrochen wird. Die Eltern sind nämlich nicht zufrieden mit dem, was sie an Leistung erfahren. Die Tagesmütter werden nicht unterstützt. Sie werden nicht angeleitet, Elternarbeit zu leisten. Insofern weise ich Ihren Vorwurf zurück, wir wollten diese Betreuungsform schlecht machen. Wir wollen sie unterstützen und aufwerten.

Zum Thema Mindestlohn. Ich glaube, es ist eine sinnvolle Forderung, hierfür eine Kommission einzurichten. Bislang ist es so, dass sich die Kommunen untereinander absprechen und versuchen, auf einen Nenner zu kommen. Das Land würde ihnen wirklich einen Gefallen tun, wenn es den Kommunen diese Arbeit abnehmen würde. Sie propagieren mit dem Ausbau der Tagespflege Masse statt Klasse. Das wird sich herumsprechen. Insofern glaube ich, wenn sich an den Voraussetzungen nichts ändert, wird die Nachfrage nach diesen Betreuungsplätzen sehr schnell zurückgehen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Danke schön, Frau Kollegin Staudte. Herr Kollege Focke möchte antworten. Auch für Sie anderthalb Minuten.

Liebe Frau Kollegin Staudte, wenn man mit Beteiligten spricht, so freuen sie sich natürlich über jede Forderung. Wenn man aber Politik macht, dann

muss man schon eine etwas differenziertere Betrachtungsweise vornehmen. Man muss die Situation von oben her betrachten, um herauszufinden, was das Beste ist, damit die Eltern wirklich frei entscheiden können.

Wissen Sie, was ich so entlarvend an dieser Diskussion finde? - Ich finde es entlarvend, dass Sie sagen, Sie wären für Tagespflege und dafür, dass sich Eltern frei entscheiden können. Mit Pressemitteilungen wie „Herdprämie stoppen“ sagen Sie jedoch bewusst, dass es Eltern, die sich für ihre Familie entscheiden, die sagen: „Ich Mama, ich Papa will zu Hause bleiben“, nicht wert sind, vom Staat gefördert zu werden. Auch dieser Diskussion müssen Sie sich einmal stellen.

(Ursula Helmhold [GRÜNE]: Das sagt Frau von der Leyen!)

Das ist entlarvend. Sie diskreditieren damit Elterngenerationen, die das in Zukunft machen wollen. Ich sage Ihnen noch etwas: Meine Mutter hat 25 Jahre lang vier Kinder großgezogen. Sie schmälern die Lebensleistung solcher Mütter und Väter, wenn Sie so etwas fordern.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Ursula Helmhold [GRÜNE]: Oh nein!)

Herzlichen Dank. Für die Fraktion DIE LINKE hat Herr Kollege Humke-Focks das Wort. Bitte schön!

(Beifall bei der LINKEN)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich meine, mit Ihrem Ausbruch eben, Herr Focke, der mit dem eigentlichen Antrag nichts zu tun hatte, haben Sie sich entlarvt;

(Beifall bei der LINKEN)

denn wir alle müssen damit zur Kenntnis nehmen, dass das ehrgeizige, aber bei dem Reichtum in diesem Land sicher zu erreichende Ziel einer 35prozentigen Versorgung der unter Dreijährigen mit einem Betreuungsplatz nicht gesichert ist. Das wurde umso deutlicher, als Sie von der 350-prozentigen Steigerung der Betreuungsangebote gesprochen haben. Wenn man sich das Ranking anschaut, dann stellt man fest, dass Steigerungsraten umso höher ausfallen, wenn man vorher nichts hatte. Ich denke, das sollte nicht der Maßstab für unsere Politik sein.

(David McAllister [CDU]: Das ist wie bei Ihren Wahlergebnissen!)

Jedenfalls ist es nicht der Maßstab der Politik der Linken. Sie können versuchen, den Leuten die Augen auf diese Art und Weise zuzukleistern. Auf Dauer wird Ihnen das jedoch nicht gelingen.

(Beifall bei der LINKEN)

30 % der Betreuungsplätze sollen von der Kindertagespflege aufgefangen werden. Dass dies einen wesentlichen Haken hat, liegt auf der Hand. Mit der Gleichstellung der Betreuung von Kindern in Kindertagesstätten und in der Kindertagespflege ist nicht nur nach Auffassung der Linken eine Gleichstellung der Qualität, in allererster Linie hinsichtlich der Qualifikation des Betreuungspersonals, nicht gegeben. In den Kindertagesstätten gibt es gut ausgebildetes Personal, während die Betreuung in der Kindertagespflege von Personen wahrgenommen wird, deren Qualifikation nicht annähernd an die von Erzieherinnen und Erziehern heranreicht. Diese Entwicklung darf nicht zementiert werden. Wir wollen für unsere Kinder eine hinsichtlich Qualität und Ausbildung vergleichbare Betreuung.

(Beifall bei der LINKEN)

Dabei sind wir uns durchaus bewusst, dass die Versorgung des ländlichen Raums mit einer ausreichenden Zahl von Betreuungsplätzen eine besondere Herausforderung darstellt; das ist keine Frage.

Ungelöst ist auch - das hat Frau Staudte zu Recht ausgeführt - das Problem der Bezahlung der Kindertagespflege sowie die Frage der Einführung eines Mindestlohns. Schauen Sie sich nur einmal an, wie unterschiedlich die Kommunen die in der Kindertagespflege Tätigen bezahlen; dann wissen Sie, wie notwendig ein Mindestlohn ist. Es ist beschämend, in welch unverantwortlicher Weise die Landesregierung und die sie tragenden Fraktionen dieses Thema vor sich herschieben, um sich bis zur nächsten Landtagswahl vor einer Lösung zu drücken.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir Linke sehen, wie es die Grünen in ihrem Antrag ausgedrückt haben, Handlungsbedarf hinsichtlich des Betreuungsschlüssels, der Gruppengröße, der Qualität und Qualifikation, des Mindestlohnes, der Verpflichtung zur Fortbildung und deren Qualität; über Letzteres wird auch viel zu wenig gesprochen. Wir wollen, dass ein Rechtsanspruch möglichst vor 2013 und ein vernünftiges Betreu

ungsangebot in allen Regionen unseres Landes geschaffen werden. Zur Schaffung eines Rechtsanspruchs auf einen Betreuungsplatz haben Sie noch keine Vorschläge unterbreitet, und das trotz Hinweisen von uns Linken.

Wie halten Sie es denn z. B. mit der Umsetzung der UN-Konvention für die Rechte von Menschen mit Behinderungen und der Verpflichtung zu einer inklusiven Betreuung? - Ihr Verhalten ist wie ein weiteres Kapitel in der Fortführung Ihrer Politik des Nichtstuns, gerade im sozialen und bildungspolitischen Bereich.

(Beifall bei der LINKEN)

Das ist der eigentliche Skandal zulasten der Menschen in diesem Land.