Zu einer Kurzintervention erhält Herr Kollege Bachmann von der SPD-Fraktion für anderthalb Minuten das Wort. Bitte schön!
(Karl-Heinz Klare [CDU]: Herr Bach- mann, warum werden Sie eigentlich nicht SPD-Landesvorsitzender?)
Vielen Dank. - Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Auch ich habe mich mit der Praxis und der Geschichte der DDR auseinandergesetzt, und da wir ja gemeinsam keine Geschichtsklitterung betreiben wollen, Frau Bertholdes-Sandrock möchte ich klarstellen: Es gab dort keinen Zwang für Frauen, arbeiten zu müssen.
Ich will Sie etwas anderes fragen, weil Sie die Zwischenfrage nicht zugelassen haben und weil wir gemeinsam keine Geschichtsklitterung betreiben wollen. Ich teile Ihre Analyse über die gesellschaftliche Situation in der DDR in vielen Punkten, die Sie richtig dargestellt haben, frage Sie aber: Können Sie mir bestätigen, dass für die Situation in der DDR die Nationale Front des Demokratischen Deutschlands, wie sich nannte, verantwortlich war und dass es dort Blockparteien gab, die CDU, LDPD, NDPD und Demokratische Bauernpartei hießen,
dass diese Blockparteien in Gänze Verantwortung für die Situation tragen, die Sie geschildert haben, und dass Sie mit dem Zerfall der DDR diese Blockparteien ohne große kritische Prüfung in Ihre Reihen überführt haben,
in die CDU und in die FDP, während diejenigen, die im wirklichen Widerstand waren, die sozialdemokratische Bewegung aufgebaut haben?
Um hier keine Geschichtsklitterung zu betreiben, bekennen Sie sich in diesem Zusammenhang bitte zur Rolle der früheren CDU in der DDR, und erwähnen Sie deren Verantwortung mit!
(Beifall bei der SPD und bei der LIN- KEN - Heinz Rolfes [CDU]: Bleiben Sie bei der Wahrheit! Wie hieß denn euer Vorsitzender?)
Herr Kollege Bachmann, was den Zwang für Frauen anging, arbeiten zu müssen, haben Sie recht. Es gab keine rechtliche Grundlage, und es war nirgendwo fixiert, dass eine Frau in der DDR arbeiten muss.
Ich habe gesagt, sie musste praktisch arbeiten, und meinte „musste“ nicht im rechtlichen, sondern im realen Sinne.
Dieser Zwang war durch die Einkommen in der DDR gegeben. Betrachten wir einmal die entsprechenden Zahlen aus den 50er-, 60er- und 70erJahren! Das Einkommen eines Ehepartners war grundsätzlich so bemessen, dass die Familie davon nicht hätte leben können.
(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Kreszentia Flauger [LINKE]: Davon haben wir jetzt auch genug! - Weitere Zurufe)
Einen kleinen Moment bitte, Frau Kollegin Bertholdes-Sandrock! Normalerweise haben Sie nur anderthalb Minuten Redezeit, aber ich verlängere die Zeit, wenn es so unruhig ist. Sie haben jetzt immer noch anderthalb Minuten Zeit. Bitte schön!
Ich rede jetzt nicht von dem Vierpfundbrot für 98 Pfennig - ich kenne die Verhältnisse ganz gut; glauben Sie mir das -, sondern beispielsweise von 50 g Kaffee für 8 Mark oder von Seife und von anderen Artikeln, die man zum Teil gar nicht bekam.
und wären gesellschaftlich ausgebootet gewesen in einem Land, dessen Selbstverständnis auf dem Berufsleben beider Ehepartner für den Sozialismus aufbaute.
(Kreszentia Flauger [LINKE]: Wie war das mit der Blockpartei? - Wolfgang Jüttner [SPD]: Blockpartei!)
Zur Nationalen Front: Sie haben recht. Die der SED untergeordneten Parteien und Gruppen haben Bekenntnisse zu dieser Partei abgelegt. Dazu waren sie verpflichtet, und sie haben es getan in der Hoffnung - es gab zum Teil auch eine bedenkliche Nähe mancher kirchlicher Kreise zur SED -, dann in dieser DDR etwas mitgestalten zu können, ohne Mitglied der SED sein zu müssen.
Diese Hoffnung hat zum Teil getrogen, zum Teil war sie berechtigt. Dass wir später in allen Parteien gutwillige Leute aus der ehemaligen DDR, die nicht unter anderen Bedingungen haben leben und politisch arbeiten können, aufgenommen haben, um gemeinsam unser Land weiterzuentwickeln, halte ich für in Ordnung.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Kollegin Bertholdes-Sandrock, ich erspare mir, auf Ihren ganzen Geschichtsexkurs einzugehen. Nur ein Hinweis zum Thema Frauen und Rechte:
Bis 1972 durften Frauen in der Bundesrepublik Deutschland nur mit Einverständnis ihres Ehemannes arbeiten.
(Sigrid Leuschner [SPD]: Dann war das Gott sei Dank weg, und dafür ha- ben wir gekämpft! - Beifall bei der SPD, bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)
Ihr Exkurs in die Geschichte der DDR, liebe Kollegin, mag der Psychohygiene dienen. Wenn es ein Aufsatzthema gewesen wäre, würde ich darunter schreiben: Thema verfehlt.
Der Antrag, den Sie selbst eingebracht haben, hat den Titel „Aufarbeitung der DDR-Geschichte an niedersächsischen Schulen“. Dazu haben Sie keine Silbe gesagt.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, nach der sehr engagierten, emotionalen Debatte im OktoberPlenum, in der es schien, als sei der CDU-Fraktion das Thema so wichtig, dass der Fraktionsvorsitzende selbst das Wort ergriff,
habe ich mich auf eine sachliche Diskussion im Kultusausschuss gefreut. Ich hätte gern gehört, was das Kultusministerium und die Kultuspolitiker zur Umsetzung der Anregungen für die Verbesserung des Geschichtsbewusstseins in den Schulen unternehmen wollen. Aber was passierte, meine Damen und Herren? - Nichts! Es gab keine Beratung.
Allen drei Fraktionen war das Thema augenscheinlich nicht so wichtig, wie in der ersten Beratung betont. Aus diesem Grunde erspare ich mir auch ein Eingehen auf den Änderungsantrag der Linken.
Dieses Verfahren, liebe Kolleginnen und Kollegen, legt die Vermutung nahe, dass ich mit meiner Einschätzung im Oktober richtig lag, es handele sich bei diesem Antrag um einen Showantrag. Dafür sollte sich dieser Landtag zu schade sein, Kolleginnen und Kollegen.