Als Fritz Mackensen 1884 Worpswede besuchte und von der Verträumtheit des kleinen schönen Bauerndorfes und der Schönheit der HammeNiederung so beeindruckt war, dass er entschieden hat, dort zu bleiben, um in späteren Jahren mit weiteren Malern die Künstlerkolonie zu gründen, da diskutierte noch keiner über staatliche Künstlerförderung. Die alten Worpsweder Maler, wie sie heute genannt werden, haben die Grundlage geschaffen, die von den Malern der zweiten und der dritten Generation fortentwickelt wurden. Die Künstler der heutigen Generation prägen mit der zeitgenössischen Kunst das heutige Worpswede.
Das Künstlerdorf Worpswede als die Perle des Landkreises Osterholz ist ein wertvoller Schatz unseres schönen Niedersachsen. Deshalb engagiert sich unsere Landesregierung mit einem ausgezeichneten Projekt, dem „Masterplan Worpswede - Potenziale und Investitionen“ am Ausbau Worpswedes zur kulturtouristischen Premiummarke. Erhebliche Mittel werden eingesetzt, um Worpswede zum deutschen Künstlerdorf auszubauen. Einschließlich der Städtebaumittel werden in den nächsten Jahren 10 Millionen Euro investiert. Maßnahmen sind u. a. das Roselius-Museum, die große Kunstschau, das Haus im Schluh und das Besucherzentrum. Für diese ausgezeichnete Unterstützung sind die lokalen Akteure der Landesregierung außerordentlich dankbar.
Die Minister Dr. Philipp Rösler und Lutz Stratmann haben am 27. März 2009 den Knoten durchschlagen und die Finanzierung aller Maßnahmen sichergestellt. Dafür herzlichen Dank!
Wulff, der neben den eben genannten Ministern bereits mehrmals in Worpswede gewesen ist und dieses schöne Dorf mit uns besucht hat. Das hat selbst die SPD eben bestätigt.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, es gilt, Worpswede weiterzuentwickeln. Gerade die heutigen Künstler sollen die Chance zum Austausch erhalten. Sie sollen wissenschaftlich begleitet werden. Sie sollen sich international austauschen. Aber auch Künstler sollen die Möglichkeit haben, im Rahmen ihre Stipendiums Worpswede zu besuchen, um dort künstlerisch tätig zu werden. Es geht darum, einen Austausch zwischen der LeuphanaUniversität Lüneburg und dem deutschen Künstlerdorf Worpswede zu initiieren. Es geht darum, durch eine verbindliche Kooperation die Internationalität Worpswedes durch Ausstellungen zu stärken.
Es geht schließlich darum, mit einer Sommerakademie der Künstlerförderung einen neuen, finanziell abgesicherten Rahmen zu geben, mit der die Internationalität und der künstlerische Austausch gestärkt wird. Mit der Sommerakademie stehen dem Land bis zu 24 Belegmonate zur Verfügung. Das Land übernimmt dafür die Betriebskosten. Wir sind dem Worpsweder Atelierhausverein dankbar, dass er gemeinsam mit dem Ministerium an der Konzeption einer Sommerakademie arbeitet. Dazu verweise ich auf einen aktuellen Bericht in der Wümme-Zeitung. Dort heißt es: Schub für die Künstlerförderung. Atelierhäuser. Gemeinde und Verein wollen sich stärker engagieren. - Es heißt weiter: In den Worpsweder Martin-Kausche-Atelierhäusern sollen weiterhin junge ausländische Künstler arbeiten. Zudem soll es auch eine regelmäßige Sommerakademie geben. So wollen es die Gemeinde und auch das Land.
Ich meine, wir sitzen hier alle gemeinsam im Boot, um das Ganze voranzubringen. Masterplan, Städtebauförderung, Sommerakademie - drei starke Säulen für Worpswede, das deutsche Künstlerdorf.
Der Präsident hat eben bereits auf unseren Änderungsantrag in der Drs. 16/2183 hingewiesen. Ich bitte um Zustimmung.
Meine Damen und Herren, es hat sich jetzt Herr Perli von der Fraktion DIE LINKE zu Wort gemeldet. Bitte!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nicht nur im bundesweiten Vergleich hat die Kulturförderung in Niedersachsen erheblichen Nachholbedarf. Trotzdem reduziert die schwarz-gelbe Landesregierung Kunst und Kultur auf ihre ökonomische Effizienz, worunter die Vielfalt und alternative Formen leiden. Dieser engstirnige kulturpolitische Ansatz hat jetzt die Stipendiatenförderung in Worpswede getroffen. Die Künstlerkolonie war und ist ein Ort der Inspiration und des interkulturellen und generationenübergreifenden Austauschs, der zahlreiche Künstlergenerationen geprägt hat. Frau Behrens hat das ausführlich dargestellt.
Kulturminister Stratmann hat mit seinen Vorschlägen dem hervorragenden Ruf und dem internationalen Renommee von Worpswede einen herben Schaden zugefügt. Der massive Protest spricht Bände. Das, was der Kulturminister und die Regierungsfraktionen heute als guten Kompromiss für Worpswede verkaufen wollen, ist keiner.
Mit der Verlagerung der Stipendiatenförderung an die Uni Lüneburg verliert die Gegenwartskunst in Worpswede an Bedeutung. Der Aufbau einer Sommerakademie und das Recht des Landes, bis zu 24 Belegmonate pro Jahr in Ateliers des Atelierhauses zu vergeben, sind kein adäquater Ausgleich. Im Masterplan geht es in erster Linie um die musealen Häuser und nicht um die Förderung der praktizierenden Kunst.
Meine Damen und Herren, es hätte überhaupt nichts dagegen gesprochen, zusätzlich zu der bestehenden Kulturförderung in Worpswede eine Stipendiatenförderung an der Leuphana in Lüneburg und an der Hochschule für Bildende Künste in Braunschweig zu etablieren. Aber genau das machen Sie nicht. Die Landesregierung, die Regierungsfraktionen und die Grünen als Vertreter des großstädtischen Bildungsbürgertums behaupten unisono, dass in Worpswede ein umfassender zeitgenössischer Kunstdiskurs sowie eine intellektuell anregendes Umfeld fehlten.
Unabhängig davon, ob das stimmt oder nicht, wird es Ihnen im Gegenzug aber nicht gelingen - solche Ziele wurden im Ausschuss genannt -, die Hamburger, Berliner oder gar Istanbuler Kunstdiskurse auf Niedersachsen zu übertragen. Es ist unglaublich, dass Sie für den Versuch, andere zu kopieren, bereit sind, einen einzigartigen europäischen Leuchtturm der ländlichen Kultur zu schwächen.
„Wenn am grünen Tisch behauptet wird, man müsse Worpswede schließen, weil sich die Kunst ändere, so sagen die Künstler: ‚Das ist eine Binsenweisheit. Kunst ändert sich, seit es sie gibt!’ In Worpswede wurde seit 120 Jahren Kunst gemacht. Und auch dort hat sie sich immer geändert und weiter entwickelt. Das könnte getrost so bleiben, wenn man wollte.“
Für DIE LINKE, meine Damen und Herren, ist Kultur und Kunst in Niedersachsen nicht nur die schmückende Petersilie auf den Tellern der Eventgourmets und -gourmands, sondern die treibende Hefe unserer Gesellschaft.
Meine Damen und Herren, nächste Rednerin für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen ist Frau Heinen-Kljajić. Bitte!
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Geschätzte Kollegin Behrens, lieber Herr Perli, Nachwuchsförderung in der Kunst lebt nicht von der Tradition, sondern sie ist dann zukunftsweisend, wenn sie Rahmenbedingungen bietet, die die Auseinandersetzung mit zeitgenössischen Diskursen, Fragestellungen und Konflikten ermöglicht. Die Arbeit in der ländlichen Abgeschiedenheit, wie wir sie in Worpswede haben, war vor dem Hintergrund der Kulturepochen Impressionismus und Expressionismus ein modernes und innovatives Konzept. Wer aber diesen Geist der Künstlerkolonie Worpswede in die Gegenwart übersetzen will, der muss anerkennen, dass Künstlerförderung zu Beginn des 21. Jahrhunderts andere Orte und
Vor diesem Hintergrund wurde es aus unserer Sicht höchste Zeit, das Künstlerförderungskonzept des Landes auf den Prüfstand zu stellen und neu zu konzipieren. Denn wer im internationalen Wettbewerb der Künstlerstätten als Standort attraktiv bleiben will, der muss zeitgemäße Produktions- und Rezeptionsbedingungen schaffen. Worpswede, liebe Kollegen von der SPD, bietet diese Bedingungen längst nicht mehr. Der Bruch mit Traditionen, liebe Kollegin Behrens, bedroht nicht, wie Sie in Ihrem Antrag formulieren, die Künstlerförderung, sondern der Bruch mit Traditionen muss deren immanentes Prinzip sein.
sondern auf deren Negation, auf deren Umdeutung, auf deren kritische Hinterfragung oder Weiterentwicklung.
Die Künstlerkolonie Worpswede ist zweifellos kunsthistorisch von großer Bedeutung, was der Masterplan Kultureinrichtungen in Worpswede aber auch hinreichend würdigt. Aber als Produktionsstätte für den internationalen künstlerischen Nachwuchs ist dieser Ort ein Anachronismus.
Aber so richtig die Entscheidung des Wissenschaftsministeriums war, Künstlerförderung neu aufzustellen, so mutlos ist jetzt leider die Umsetzung geraten. Nachdem vor Ort wegen des Auslaufens der Stipendien die ersten Proteste laut wurden, wurde das ursprüngliche Konzept zugunsten einer Kompromisslösung verwässert. Unter der Überschrift „Leuphana ködert Worpswede“ berichtete noch im September letzten Jahres die Landeszeitung, die Leuphana eröffne einen Außenposten in Worpswede und veranstalte dort künftig Blockseminare und Lehrveranstaltungen. Geblieben ist von diesem Vorstoß jetzt nur noch die Möglichkeit für die Stipendiaten, für einen begrenzten Zeitraum in Worpswede zu arbeiten. Zwei Schritte vor, einen Schritt zurück - werte Kollegen von der CDU, so sieht keine ambitionierte Neuausrichtung der Künstlerförderung aus.
Unser zweiter Kritikpunkt bezieht sich auf die Kopplung mit einer Hochschule. Diese Kopplung mit einer Hochschule begrüßen wir vom Grundsatz her ausdrücklich. Aber es fehlt Ihrem Antrag die Ableitung, warum das Programm ausgerechnet ausschließlich nach Lüneburg vergeben werden soll. An der Stelle bin ich dann wieder völlig d’accord mit der Kollegin Behrens. Auch das Ministerium hat in den Ausschussberatungen in dieser Frage keine nachvollziehbaren Begründungen liefern können. Warum bleibt ausgerechnet bei einem international ausgerichteten Stipendienprogramm die HBK in Braunschweig unberücksichtigt? Sie verfügt über ausgezeichnetes Renommee, sie ist international bestens vernetzt, sie bietet optimale Produktionsbedingungen, und kunstwissenschaftliche Diskurse oder künstlerische Reflexion finden selbstverständlich auch an der HBK statt. Das heißt, die Gründe für den Standort Lüneburg sind gemessen an den vom Ministerium aufgeführten Kriterien nicht nachvollziehbar. Wir hätten uns gewünscht, hier wäre der Satz „Stärken stärken“ beherzigt worden.
Fazit: Wir haben große Sympathien für eine Neukonzeption und Neuverortung der Künstlerförderung. Aber leider ist der Vorschlag von CDU und FDP weichgespült und in der Standortwahl nicht überzeugend, weshalb wir auch diesem Antrag nicht zustimmen werden.
Meine Damen und Herren, es hat sich auch noch die FDP-Fraktion zu Wort gemeldet. Herr Professor Zielke, bitte!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Am 28. April 1901 gingen der Dichter Rainer Maria Rilke und die Bildhauerin Clara Westhoff in Worpswede den Bund der Ehe ein. Ist das wichtig? - Immerhin symbolisiert es und mag uns bewusst machen, dass Worpswede mehr war als eine Malerkolonie, sondern mindestens über Jahrzehnte vor dem ersten Weltkrieg ein norddeutsches Zentrum geistig-künstlerischen Austausches. Ganz ohne staatliche Hilfe und in bewusster Abkehr von den offiziellen Akademien der wilhelminischen Ära entwickelte sich jene Variante des Impressionismus, die uns in den Werken von Modersohn, Vogeler oder Mackensen entgegentritt und noch heute fasziniert.
Der Ort im Teufelsmoor ist nach wie vor ein bedeutender Anziehungspunkt für Künstler und Kunstinteressierte aus aller Welt. Dazu hat in der Vergangenheit das Land Niedersachsen immer einen Beitrag geleistet, weil die verantwortlichen Politiker den Rang von Worpswede, seinen Genius Loci und seine Bedeutung für norddeutsche Kultur und Identität erkannt oder mindestens nicht in Zweifel gezogen haben. Deshalb gab es seit den 70erJahren spezielle Landesstipendien für aktive Künstler in den Worpsweder Künstlerateliers, die auch immer international begehrt waren.
Natürlich ist es ständige Aufgabe der Kulturpolitik, die einzelnen Förderelemente in ihrer Bedeutung einzuschätzen und auszutarieren. Offensichtlich ist der künstlerische Zeitgeist nicht mehr derselbe wie vor 120 Jahren. Künstler suchen heute weniger ein bäuerliches und idyllisch einfaches Leben, sondern Anregungen, Freiräume, Reibung und Austausch. Daher gab es im MWK vor rund einem Jahr Überlegungen, die auf eine komplette Verlagerung der Stipendien von Worpswede an die ambitionierte Leuphana-Universität in Lüneburg mit ihrer innovativen Ausrichtung hinausliefen.
Schnell setzte sich jedoch die Erkenntnis durch, dass es klüger wäre, die jeweiligen Stärken der beiden Standorte zu kombinieren, im Sinne einer Win-Win-Situation; denn ohne Künstlerförderung bestünde die Gefahr, dass die Kunstproduktion in Worpswede verkümmerte und der Ort zu einem Museumsdorf mutierte. Da hülfe dann auch ein Masterplan nur begrenzt. - Das ist wie mit einem Wallfahrtsort, wo eine Reliquie verehrt wird. Da braucht man natürlich auch eine Infrastruktur für die Pilger. Aber ohne Reliquie ist die Infrastruktur witzlos.