Protokoll der Sitzung vom 16.03.2010

Nicht zuletzt geht es auch um das Stadtbild von Hannover.

Letztlich bleibt die entscheidende Frage: Was sind die Maßstäbe für die Bedeutung des Gebäudes für die parlamentarische Demokratie? Was darf es uns wert sein?

Ich jedenfalls bin der Meinung, dass wir stolz darauf sein sollten, als demokratisch gewählte Abgeordnete in einer Demokratie zu leben und Demokratie auch täglich in einem Gebäude zu leben, das in der Öffentlichkeit wahrgenommen wird. Ein Parlament braucht ein repräsentatives Gebäude, wo dieses stattfinden kann.

Ein solches Gebäude darf nicht nur funktional sein. Wie lange hat es gedauert, bis die Menschen in Deutschland sich ihre demokratischen Rechte erkämpft haben? Wir haben heute keinen König mehr, der Paläste baut. Die Demokraten bauen auch keine Paläste. Sie bauen sich aber angemessene Gebäude, in denen der demokratische Diskurs stattfinden kann.

(Beifall bei der SPD, bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, wir sind seit Jahren in der Pflicht, zu handeln. Der vorhandene Bau ist marode. 35,4 Millionen Euro Sanierungskosten hat das Finanzministerium schon 2007 geschätzt. Jedes Zuwarten erhöht die entstehenden Kosten noch. Worauf die Linke bei ihren Forderungen verzichten müsste, werden wir dann möglicherweise sehen. Ich hoffe aber, dass das keine Chance hat.

Ich bin froh, dass dies mit großer Mehrheit so gesehen wird und dass es nun zu Maßnahmen kommen kann.

Streitig ist die Frage des Wie und Was. 2007 waren die Grünen Vorreiter. Man wollte ein Klimapalais. Vorhin ist schon die Schlagzeile aus dem Weser-Kurier zitiert worden. Frau Helmhold, wenn Sie möchten, kann ich sie auch noch einmal vorlesen. Die Grünen fordern inzwischen einen kompletten Neubau des Plenartraktes unter Klimaschutzaspekten.

(Ursula Helmhold [GRÜNE]: Des Ple- nartraktes, nicht wahr?)

- Da steht: des Plenartraktes. - Weiter heißt es: „Unser Modell kommt billiger als ein Weiterwursteln“, sagte Grünen-Fraktionschef Stefan Wenzel gestern in Hannover. Wir brauchen den großen Wurf, statt nur herumzufuchteln.

(Lebhafter Beifall bei der SPD, bei der CDU und bei der FDP - Stefan Wen- zel [GRÜNE]: Sie haben offenbar ei- nen großen Rechtfertigungsbedarf!)

Meine Damen und Herren, möglicherweise hat das damals besser in die Wahlkampfstrategie der Grünen-Fraktion gepasst als heute. Deswegen wird man sich wohl so entschieden haben.

Meine Damen und Herren von den Grünen, ich kann Ihnen ein weiteres Zitat nicht ersparen. In dem Bericht des Finanzministeriums vom 8. Juni 2007 wird auch auf Ihren Vorschlag eingegangen. Dort ist zu lesen: Aus hiesiger Sicht ist die Schaffung eines Klimapalais, wie es der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vorschwebt, allerdings nur mit einem 35,4 Millionen Euro überschreitenden Ansatz zu realisieren. - So zu tun, als sei man in Sachen Populismus völlig unschuldig, lasse jedenfalls ich nicht zu.

(Starker Beifall bei der SPD, bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, unser jetziger Landtagspräsident, Hermann Dinkla, hat sich mehr getraut als sein Vorgänger. Er hat sich vorgenommen, in breitem Konsens eine Lösung zu finden.

Ab 2008 setzte dann die öffentliche Diskussion ein, allerdings zunächst hauptsächlich in Hannover und zu Beginn sogar noch mit Unterstützung der Presse. Ich möchte aus der HAZ vom 22. November 2008 zitieren - ein Satz war -:

„Dazu gehört Mut.“

Am Ende des Kommentars konnte man lesen:

„Mit dem leicht versetzten Standort rückt der geplante neue Plenarsaal etwas weiter zum Rathaus hin; man kann auch sagen: näher an die Hannoveraner ran. Wenn sie dann auch noch stolz auf das Gebäude sein können, weil es eine Attraktion ist, dann sind die Millionen gut investiert.“

So weit die Hannoversche Allgemeine.

(Beifall bei der SPD, bei der CDU und bei der FDP)

Die Neue Presse hat übrigens ähnlich kommentiert. Aber das alles hat sich ja nun geändert.

(Heiterkeit)

Es bleibt die Frage: Ist die veränderte Kritik berechtigt? - Meine Damen und Herren, natürlich ist Kritik berechtigt. Jeder Demokrat weiß, dass Demokratie davon lebt, dass es Kritik gibt und dass man durch Kritik zu Abwägungen kommt, natürlich auch in Sachen Denkmalschutz und natürlich auch - ich sage das einmal so, weil ich dieses Wort vom Kollegen Oestmann übernommen habe - bei der Frage: Machen wir hier ein Projekt, was auch mit Lustbarkeiten gesegnet ist? Könnten wir auf so manches vielleicht nicht doch verzichten? - Das muss abgewogen werden.

Meine Damen und Herren, dazu möchte ich Folgendes feststellen:

Erstens. Mit großer Mehrheit waren wir uns vor dem neuen Architektenwettbewerb einig, dass der Wettbewerb von 2002 u. a. wegen des heute erheblich größeren Sanierungsbedarfs über den Plenarsaal hinaus unter aktuellen energetischen Erkenntnissen sowie weiterer zusätzlich festgestellter Mängel keine Basis mehr für 2010 sein konnte. Raumbedarfe - dies ist vorhin noch gar nicht gesagt worden - wie die Trennung des Eingangsbereichs zwischen Besuchern und Abgeordneten, das Landtagsrestaurant, Funktions- und Technikräume sowie zusätzliche Parkmöglichkeiten wurden damals nicht betrachtet. Auf die fehlende Barrierefreiheit bin ich schon eingegangen.

Zweitens. Die Bedingungen des neuen Wettbewerbs wurden mit breiter Mehrheit entschieden. Lediglich die Grünen waren bezüglich der Wählerwirksamkeit eines Klimapalais inzwischen unsicher geworden.

(Heiterkeit)

Drittens. Das Preisgericht hat mit namhaften Architekten unter Abwägung vieler Belange, auch des Denkmalschutzes, drei Entwürfe ausgewählt und dazu Weiterentwicklungswünsche formuliert.

Viertens. Alle Entwürfe blieben hinter so manchen Erwartungen, auch meinen eigenen, zurück. Aber, meine Damen und Herren, man kann sie weiterentwickeln. Die Preisträger von 2002 haben sich - warum auch immer - dieses Mal nicht am Wettbewerb beteiligt.

Fünftens. Es bleibt durchaus fraglich, ob der zweite Preisträger die Zustimmung des Denkmalschutzes findet. Die letzte dazu vorliegende Stellungnahme betont, es komme darauf an, ob es sich überwiegend um einen Neubau oder Umbau handele. Nur bei einem überwiegenden Umbau unterstützt der Denkmalschutz den zweiten Preisträger. Wörtlich heißt es dazu noch am 16. Februar 2010 in der HAZ - dies ist vorhin bereits zitiert worden -:

„Als Denkmalschützer muss ich aber betonen: Es wäre kein Erhalt des Denkmals gewesen, weil eine ganze Menge abgebrochen worden wäre.“

(Hans-Werner Schwarz [FDP]: So ist es! - Enno Hagenah [GRÜNE]: Das kann ja wohl nicht wahr sein!)

„Die Mauer zum Platz müsste weg, das Dach müsste weg, der Sockel würde durchlöchert, zum Fluss würden schmale Fenster eingeschnitten - so kann man mit einem Denkmal nicht umgehen.“

So weit das Zitat.

(Stefan Wenzel [GRÜNE]: Zitieren Sie den Denkmalschützer doch einmal aus seiner letzten Stellungnahme!)

- Herr Wenzel, warten Sie doch ab! - Wenn man sich die Stellungnahme der gleichen Behörde von 2002 anschaut und sie mit der heutigen vergleicht, dann merkt man, wie beweglich die Beurteilung geworden ist; denn damals formulierte die Behörde zur möglichen Veränderung des Gebäudes außerhalb des Innenraumes zu den Wandelhallen z. B.: Verändernde Eingriffe in die Bausubstanz und die Ausstattung sollten nicht zuletzt wegen des beeindruckenden Erhaltungszustandes gänzlich vermieden werden. - Welche Bewegungen seit 2002 und jetzt wieder innerhalb weniger Tage!

(Stefan Wenzel [GRÜNE]: Haben da falsche Informationen vorgelegen?)

Meine Damen und Herren, es gab auch ein Gutachten, das, entgegen der Auffassung von Herrn Jüttner, zu dem Ergebnis kam - dies mag man teilen oder nicht -, dass die Frage der Denkmalschutzwürdigkeit durchaus auch anders beantwortet werden kann. Ich möchte ein Zitat aus diesem Gutachten von Professor Seehausen bringen: Die zur Begründung der Denkmalschutzeigenschaft aufgeführten Argumente werden durch die gleichzeitig angebotenen Kompromisse von der Denk

malpflege selbst in wesentlichen Punkten wieder aufgehoben. - So weit das Zitat.

Meine Damen und Herren, meine Anmerkungen zum zweiten Preisträger - übrigens ähnlich wie der Denkmalschutz noch vor wenigen Tagen -: Wenn zwei vorhandene Außenwände des Gebäudes mit Schießscharten versehen werden sollen, wie es der Architekt in der letzten Woche formulierte, eine Außenwand gänzlich entfernt und durch Glas ersetzt und der innen liegende, bisher abgeschottete Plenarsaal aufgebrochen werden muss - was bleibt dann eigentlich von denkmalschutzwürdiger Substanz übrig?

(Lebhafter Beifall bei der SPD, bei der CDU und bei der FDP)

Was passiert, wenn die Außenhaut die Schlitzungen nicht mitmacht, wenn die vorhandenen Fundamente für die neuen statischen Elemente nicht ausreichen? - Für mich ist deshalb eindeutig klar: Auch beim zweiten Preisträger wird das Baudenkmal geopfert.

Bleibt die Frage zur dritten Alternative: Ist eine Sanierung im Bestand möglich? - Meine Antwort dazu: Das kann ich mir durchaus vorstellen. Aber ich sehe aus kommunaler Erfahrung erhebliche Kostenrisiken. Dies wäre ein Verzicht auf wesentliche Bedingungen, über die wir uns zu Beginn der Tätigkeit der Baukommission geeinigt hatten, was ein Parlament heute an Funktionen erbringen können muss. Deswegen, meine Damen und Herren, kommt für mich die Lösung 1 infrage und nicht die Lösung 2.

Meine Damen und Herren, es kommen weitere Punkte hinzu: Die beiden ersten Preisträger können urheberrechtliche Probleme nicht ausschließen, wie auch immer man die Schreiben der Anwälte deuten will. Wir alle wissen: Eine endgültige Entscheidung werden wir erst bekommen, wenn sich Gerichte tatsächlich damit beschäftigen sollten.

Meine Damen und Herren, der zweite Preis konnte mich auch deshalb nicht überzeugen, weil Fragen zu der sehr optimistischen Kostenschätzung und zur statischen Einschätzung der erforderlichen baulichen Veränderungen im Innern und bei der Außenhaut nur mit dem Hinweis auf die langjährige Erfahrung des beteiligten Statikbüros beantwortet wurden. Konkrete Nachfragen, ob man einmal geprüft habe, konnten nicht beantwortet werden. Mir reicht das deshalb nicht.

Meine Damen und Herren, ich spreche mich ganz eindeutig, wie auch der Oberbürgermeister, für die Alternative 1 aus, weil sie das Stadtbild Hannovers ganz anders prägen wird und weil sie die Funktionen erfüllen kann, die wir von dem Parlamentsgebäude insgesamt erwartet haben.

Lassen Sie mich noch auf die Einleitung von Professor Fingerhuth in der Veranstaltung in der letzten Woche hinweisen. Er hat dort gesagt, er habe sich mit Hannover beschäftigt und bei seinen Zugreisen immer wieder Bilder der Landeshauptstadt betrachtet. Dabei sei ihm kein Bild aufgefallen, auf dem der Oesterlen-Bau abgebildet gewesen sei. Das spricht dafür, dass zumindest die Bedeutung, die ihm jetzt beigemessen wird, jedenfalls bei den Menschen, die publizieren, nicht in dieser Weise angekommen ist.

(Beifall bei der SPD, bei der CDU und bei der FDP)

Man muss sicher noch weitere Umplanungen im Detail vornehmen, gerade auch im Hinblick auf die Folgekosten. Erste Überarbeitungen mit Kosteneinsparungsmöglichkeiten gab es ja schon. Die Chance, bei diesem Neubau im Kostenrahmen zu bleiben, ist nach meiner Einschätzung bei dem Entwurf des ersten Preisträgers am größten.

Ich möchte nicht als geschichtsvergessen gelten. Deswegen zitiere ich hier aus dem Protokoll des Preisgerichtes: