Aber Frau Korter und Frau Heiligenstadt haben sich noch einmal inhaltlich zu Wort gemeldet. Sie haben noch Restredezeit. Frau Korter, bitte schön!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Ministerin hat uns eben eine Reihe von Grafiken gezeigt, um darzustellen, wie viele Lehrerstellen sie in der Vergangenheit geschaffen oder auch nicht geschaffen hat und wie sich die Schülerzahlen entwickelt haben. Ich habe mir in der Kürze der Zeit die Mühe gemacht, sehr schnell eine Grafik über die Aussagen zu erstellen, die wir gerade von der Landesregierung gehört haben - sprich: von der Ministerin; der Ministerpräsident hat uns ja leider keine Auskunft gegeben - zur Zukunft der Lehrerstellen in Niedersachsen im Zuge des demografischen Wandels, zur Zukunft der Ganztagsschulen und der Schulinspektion und zur Planung der Verkleinerung von Klassen. Es war nicht leicht, diese Grafik auf die Schnelle zu erstellen. Aber ich möchte sie Ihnen nicht vorenthalten. Wir werden sie selbstverständlich gleich in Kopie verteilen.
- Das ist die Antwort der Landesregierung. Daran können Sie sehr genau erkennen, was die Landesregierung plant. Der visuelle Eindruck überzeugt.
Frau Heiligenstadt möchte ihre verbleibende Redezeit von 59 Sekunden ebenfalls nutzen. Frau Heiligenstadt!
Herr Präsident! Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Zu den Grafiken, die die Ministerin hochgehalten hat, hat mein Kollege Jüttner schon Etliches gesagt. Ich will inhaltlich noch etwas dazu ergänzen: Die Ganztagsschulen, die da so schön in Ihren Säulen auftauchen, sind gar keine echten Ganztagsschulen.
Wenn nur die echten Ganztagsschulen berücksichtigt würden, dann würde sich eine völlig andere Grafik ergeben.
Dann haben Sie bei der Abiturquote die Kurve am Ende steigend gezeichnet. Die Abiturquote ist aber im letzten Jahr gesunken. Auch das haben Sie in Ihrer Grafik nicht entsprechend dargestellt.
Mit Zahlen, die wohl nicht so angenehm sind, wie z. B. die Erfolgsquote an den niedersächsischen Gymnasien, schmücken Sie sich allerdings nicht. Die Erfolgsquote an den Gymnasien liegt nur noch bei 60 %. Das ist der schlechteste Wert in diesem Bereich seit Beginn der Statistik, meine Damen und Herren.
Frau Ministerin, Sie haben Grafiken dargestellt, aber die Situation an den Schulen ist eine ganz andere. Das können Ihnen die Schülerinnen und Schüler auf der Tribüne bestätigen.
Die aktuelle Situation ist für alle an Bildung Beteiligten ein Riesenproblem. Da nutzen auch schöne Grafiken nichts. Das glaubt Ihnen sowieso niemand mehr.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Wir haben damit die Punkte 15 a und 15 e erledigt.
Kabinettsumbildung - angesagt oder abgesagt? Quo vadis, Wulff? - Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 16/2320
Herr Wenzel, ich bitte Sie, einen kurzen Moment zu warten. Ich möchte erst dann beginnen, wenn hier Ruhe eingekehrt ist und diejenigen, die im Saal noch stehen, sich einen Platz gesucht haben.
Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich wage einmal eine Prognose: Vermutlich wird Herr Wulff die nächsten zweieinhalb Jahre auch noch irgendwie rumkriegen. Aber die Chronisten werden in seine Abschlussbilanz schreiben: Vom Gestalter zum Verwalter - zu wenig Politik, zu viel Boulevard.
Das Wort Gestaltung - bei Ihrem Regierungsantritt ganz großgeschrieben, Herr Wulff - haben Sie fast ganz aus Ihrem Vokabular gestrichen.
Wenn wir die Handlungsfähigkeit Ihres Kabinetts an seinen Herausforderungen messen, dann stellen wir eine bemerkenswerte Diskrepanz fest. Vorgestern hat Ihr ehemaliger Kollege, Herr Rösler, für seine FDP mitgeteilt, dass eine Kabinettsreform nicht erwünscht ist. Das ist so interessant wie durchsichtig, meine Damen und Herren: Der Herr weiß natürlich ganz genau, wie ausgebrannt seine Fraktion ist.
Meine Damen und Herren, Herr Ministerpräsident, wenn es um die großen Themen der Zukunft geht, wo stehen Sie dann? - Klima, soziale Spaltung und Bildungsgerechtigkeit, demografischer Wandel und Integration. Seit 2003 gab es tiefgreifende Veränderungen. Sogar in anderen schwarz-gelb regierten Bundesländern packt man schulpolitische Herausforderungen an. In Niedersachsen wartet man, bis die letzte Schule auf dem Land dichtmacht. Mit der Zahl der Schulabbrecher haben Sie sich offenbar abgefunden. Auch diese Grafik war manipuliert,
(Karl-Heinz Klare [CDU]: Herr Wenzel, Sie wissen, dass das nicht stimmt! - Björn Thümler [CDU]: Es wird nicht besser, wenn man die Unwahrheit sagt!)
und das, obwohl die Schulabbrecherquote, die immer noch bei 7,5 liegt, schlicht eine wirtschaftspolitische Katastrophe ist.
Der Wachstumsmarkt für Investitionen in die neue Energiepolitik, in die neue Energietechnik wird auf dem Altar der Atomindustrie geopfert. Bei Gorleben knüpfen Sie an 30 Jahre alte Fehler an. Der ländliche Raum blutet aus. Trotz extrem rückläufiger demografischer Entwicklungen werden Kinder und Jugendliche abgeschoben, die schon länger als 15 Jahre hier leben, die nichts anderes kennen als Niedersachsen. Das ist ein Feld für Integration und Bildungsgerechtigkeit, aber nicht für den Abschiebeknast, meine Damen und Herren.
In Niedersachsen gibt es immer noch die gleichen Kabinettszuschnitte und immer noch das gleiche Personal, wenn man von ein paar passiven Abgängen absieht: Frau von der Leyen und Herr Rösler nach Berlin, Herr Hirche und demnächst Herr Gibowski in Pension. Nur eine aktive Veränderung gab es: den Austausch von Herrn Busemann und Frau Heister-Neumann, um im Kultusministerium einen Brandherd zu löschen. Aber wie wir gesehen haben, wirkte dieser Wechsel, wirkte Frau HeisterNeumann eher
Aktiv, Herr Wulff, haben Sie eher den Stillstand befördert. Sie wollten - und das war ein zentraler Satz - die Treppe von oben fegen. Aber der Besen blieb im Schrank. Das starre Ressortprinzip haben Sie nie überwunden. Das Landwirtschaftsressort hätte man längst in die Bereiche Umwelt und Wirtschaft integrieren und mit einem neuen Ressortchef im Umweltbereich für Handlungsfähigkeit sorgen können. Die Bündelung der Aufgaben für Kinder und Jugend in einem Ministerium wäre ein sinnvoller Ansatz gewesen. Keiner Ihrer Minister hat einen Plan, wie die restliche Regierungszeit gestaltet werden, wie der Haushalt wirklich ausse
hen soll. Sie können noch nicht einmal mehr einzelne gestaltende Projekte beschreiben. 3,3 Milliarden Euro fehlen Ihnen 2011 im Haushalt. Aber Sie pflanzen nicht Apfelbäume, Sie wollen Tempel bauen, meine Damen und Herren.
Verlässlichkeit, Klarheit, Wahrheit, Klugheit und Entschiedenheit - das war ein Zitat -, das waren Ihre Versprechen aus der Regierungserklärung von 2003. Das Paradebeispiel für das Gegenteil war das Abstimmungsverhalten des Ministerpräsidenten zum Landtagsneubau gestern Mittag.
Meine Damen und Herren, sagen wir es einmal mit Reinhard Mey: „Über den Wolken muss die Freiheit wohl grenzenlos sein.“ Das stimmt wohl. Aber es gibt auch den Satz: Runter kommen sie immer.
Sie sind tatsächlich 2003 am Steuerknüppel eines feschen Düsenklippers gestartet. Sie haben dann, Herr Wulff, irgendwann den Autopiloten eingeschaltet und es sich hinten in der Businessclass gemütlich gemacht.
Aber jetzt fängt Ihr Klipper immer stärker an zu klappern. Sie fühlen sich schon im sicheren Anflug auf 2013. Aber täuschen Sie sich nicht: Was da unten flackert, sind keine Positionslichter, Herr Wulff. Das sind die Brandherde, die Sie mit Ihrer Politik überall im Land angezündet haben: