Protokoll der Sitzung vom 18.03.2010

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Antrag enthält neben einigen Dingen, über die man durchaus reden könnte, eine Menge Fragwürdiges. Wo es schwierig wird, bleibt er an der Oberfläche, und in der Begründung findet sich statt Substanz eine Menge Polemik.

Nur ein paar Punkte. Ihre Forderung, den Straftatbestand der Abgeordnetenbestechung auszuweiten, ist zunächst einmal nur eines: wohlfeil. Sie hatten nicht einmal den Mut, sich auf Ihren eigenen Gesetzentwurf aus dem Bundestag zu beziehen, vermutlich, weil er in der ersten Lesung am 25. September 2008 nach Strich und Faden auseinandergepflückt worden ist.

In Ihrem Punkt 3 beziffern Sie allerlei Geldbeträge. In b) fordern Sie die Veröffentlichungspflicht in Bezug auf Parteispenden ab 5 000 Euro - halb soviel wie Transparency International. In a) fordern Sie einen generellen Deckel von 100 000 Euro pro Spender und Jahr - doppelt soviel wie Transparency International. Sie werden wissen, warum. Der Bundestagspräsident hat eine umgehende Anzeigepflicht für Spenden ab 50 000 Euro festgelegt. Sie wiederum wollen diesmal die Hälfte, also 25 000 Euro. So hebt man sich ab. Richtig kreativ!

(Zustimmung bei der FDP)

Über Gleichbehandlung von Sponsoring mit Spenden in den Rechenschaftsberichten kann man durchaus reden. Aber weder Spenden noch Sponsoring umfassen alle Fälle von massiver politischer Einflussnahme. Der 28. Februar 1998 war der Samstag vor einer Landtagswahl in Niedersachsen. Da erschien in fast allen großen Tageszeitungen zeitgleich eine doppelseitige Anzeige mit dem Slogan „Der nächste Kanzler muss ein Niedersachse sein“, unterzeichnet von einer angeblichen „Initiative Mittelstand“, die kein Mensch kannte.

(Zustimmung bei der FDP - Wolfgang Jüttner [SPD]: Bei uns war das nur ei- ne Seite!)

- Bei uns in der NOZ war es doppelseitig.

(Wolfgang Jüttner [SPD]: Ihr habt halt eine kleine Zeitung!)

Wenn etwas den Tatbestand von Politbeeinflussung erfüllt, dann diese Anzeige mit Kosten von

weit über 300 000 Euro. Aber da geht Ihre unverzügliche Anzeigepflicht ins Leere, weil dann die Wahl längst gelaufen ist.

Gerade das Internet bietet ein weites Feld für ähnliche Blitzkampagnen. Wie gehen wir überhaupt damit um? Damit haben wir uns noch nie beschäftigt.

In der Begründung erwähnen Sie mehrfach den Anschein von Käuflichkeit, den Anschein, der bekämpft gehört. Das klingt gut, ist aber heikel. Das verlagert den Zweck von Strafgesetzen weg von der Tatbekämpfung hin zur Verdachtsbekämpfung. Man muss auch fragen, wie so ein Anschein zustande kommt. Er muss am Anfang doch von irgendwem erweckt werden. Wer sind die Anscheinserwecker, und welche Motive haben sie?

Sie z. B. erwähnen sogar zweimal in Ihrer Begründung die von der Berliner Koalition beschlossene Absenkung der Mehrwertsteuer für Hotels und versuchen da einen Zusammenhang mit Parteispenden zu konstruieren. Deshalb hier ein paar Fakten, auch für die Presse, zum Mitschreiben. Am 18. Januar 2006 hat die SPD im Bayerischen Landtag einen Antrag gestellt, der mit dem Satz beginnt:

„Die Staatsregierung wird aufgefordert, ihren Einfluss dahin gehend geltend zu machen, dass der Bund für die Hotellerie den reduzierten Mehrwertsteuersatz in Höhe von 7 % einführt.“

Am 9. Februar 2010 haben die Grünen im Bayerischen Landtag einem Antrag zugestimmt, der mit dem Satz beginnt:

„Die Staatsregierung wird aufgefordert, sich … dafür einzusetzen, dass der Mehrwertsteuersatz für bestimmte Wirtschaftsbereiche, insbesondere für die Gastronomie- und die Tourismusbranche, reduziert wird.“

Im Wahlprogramm der Partei DIE LINKE zur Bundestagswahl steht wörtlich:

„DIE LINKE fordert, … den ermäßigten Umsatzsteuersatz von sieben Prozent aus(zu)weiten auf … Hotellerie und Gastronomie“.

(Zustimmung von Dr. Manfred Sohn [LINKE] - Lachen bei der CDU)

Auch FDP und CSU haben inhaltsgleiche Forderungen gestellt. Und dann wollen Sie der Öffentlichkeit weismachen, jemand würde einer Partei etwas spenden, weil diese Partei etwas durchsetzen will, was auch alle anderen Parteien durchsetzen wollen?

(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Glocke des Präsidenten)

- Letzter Satz. - Sie sollten uns auf Knien danken, dass wir Ihre Forderungen durchgesetzt haben,

(Heiterkeit und Beifall bei der FDP und bei der CDU)

statt zu versuchen, - - -

Kommen Sie bitte zum Schluss.

- - - auf die Durchsetzer Ihrer eigenen Beschlüsse mit Schmutz zu werfen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Herr Professor Zielke, Sie waren so schnell, sodass ich nicht dazwischen kam, um zu fragen, ob Herr Dr. Sohn noch eine Zwischenfrage stellen darf.

(Professor Dr. Dr. Roland Zielke [FDP]: Das hat sich jetzt erübrigt!)

Jetzt hat sich das erübrigt. Jetzt liegen mir zwei Meldungen zu Kurzinterventionen vor, und zwar von Herrn Limburg und von Herrn Humke-Focks. Zunächst Herr Limburg, bitte sehr!

Vielen Dank, Herr Präsident. - Meine Damen und Herren! Lieber Herr Professor Dr. Dr. Zielke. Sie haben in Ihrer Rede viele richtige Aspekte genannt. Natürlich muss man darüber diskutieren, wo die vernünftigen Grenzen liegen. Natürlich muss man auch darüber diskutieren - das haben Sie völlig zu Recht angesprochen -, wie man Sponsoring und andere Finanzierungsformen so regeln kann, dass alle Bereiche umfasst sind und alle Bereiche transparent geregelt werden.

Aber dann sind Sie etwas in die Polemik abgedriftet. Dazu möchte ich gerne zwei Aspekte klarstel

len. Vielleicht können Sie auch in der Antwort darauf eingehen.

Sie haben erstens davon gesprochen, dass wir einen Straftatbestand für die Anscheinserweckung schaffen wollen. Das ist natürlich völliger Unsinn. Wir haben - das werden Sie herausfinden können, wenn Sie den Antrag genau lesen - gefordert, dass der Straftatbestand der Abgeordnetenbestechung, der jetzt schon für eine Handlung und nicht für einen Anschein besteht, so ausgestaltet wird, dass er dem UN-Abkommen gegen Korruption gerecht wird. Das ist der wichtige Punkt. Darauf sind Sie überhaupt nicht eingegangen. Deutschland hat ein Abkommen unterschrieben, aber nicht ratifiziert, weil sich der Deutsche Bundestag nicht darauf einigen konnte, das Strafgesetzbuch dementsprechend zu ändern. Ich finde, dass man nach vielen Jahren, die dieses Abkommen hier nun bereits liegt, ohne dass es ratifiziert worden ist, endlich einmal konkrete Schritte unternehmen sollte, um in die Richtung der Ratifizierung zu kommen. Das sind wir unseren internationalen Verpflichtungen schuldig.

Zweitens sind Sie auf die Mehrwertsteuersenkung eingegangen. Zum einen: Ich werde Ihnen nicht auf Knien danken, das ist auch schon eine Stilfrage. Zum anderen haben wir Grünen in Niedersachsen das nie gefordert. Zum dritten, und das ist der entscheidende Unterschied, hat uns niemand Millionenspenden dafür verschafft, damit wir in einer Bundesregierung eine solche Forderung durchsetzen.

(Ulf Thiele [CDU]: Das ist falsch!)

Das ist der wichtige Punkt, wie ich meine. Deshalb fordern wir an dieser Stelle Transparenz, aber kein absolutes Verbot.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Die nächste Kurzintervention kommt von Herrn Humke-Focks. Bitte sehr!

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Professor Zielke, wenn Sie schon aus Programmen zitieren, dann sollten Sie das doch vollständig machen. Wir, die wir die einzige Partei in dieser Gesellschaft sind, die für die kleinen und mittleren Unternehmen eintritt,

(Beifall bei der LINKEN - Lachen bei der CDU und bei der FDP)

haben im Unterschied zu Ihnen eine Mehrwertsteuersenkung gerade für kleine und mittlere Unternehmen gefordert, wie z. B. für Ihren Friseursalon um die Ecke. Aber da dieser Friseursalon um die Ecke nicht 1,2 Millionen Euro wie Mövenpick an Sie zahlen kann, haben Sie Ihre Forderung entsprechend umgesetzt und 1,2 Millionen Euro an Spenden für ein Gesetz eingesackt, das Sie unterstützt haben, das die Absenkung auf das Hotel- und Gaststättengewerbe begrenzt.

Wenn Sie schon zitieren, dann zitieren Sie bitte vollständig, und verfallen Sie nicht in die populistische Art. Geben Sie einfach zu, dass Sie die Klientelpartei für die Wohlhabenden und Reichen sind.

(Christian Grascha [FDP]: Wir sind die Klientelpartei für den Mittelstand!)

Geben Sie endlich zu, dass Sie die Gegner aller kleinen und kleinen mittleren Unternehmen in dieser Gesellschaft wie z. B. den Friseursalon um die Ecke sind. Denen wäre mit einer Mehrwertsteuersenkung geholfen gewesen, und nicht nur dem Hotel- und Gaststättengewerbe. Also wirklich, es ist unlauter, was Sie hier machen.

(Beifall bei der LINKEN)

Herr Professor Zielke möchte antworten. Ich erteile ihm ebenfalls für anderthalb Minuten das Wort. Bitte!

Zunächst einmal zu UNCAC: UNCAC - das ist die internationale Abkürzung - ist ein internationales Abkommen zur Bekämpfung der Korruption. UNCAC bezieht sich vor allem auf Amtsträger, aber kaum auf Abgeordnete. Diese Behauptung hat Amnesty International einmal in die Welt gesetzt. Das stimmt aber so nicht. Im Übrigen hat die Bundesregierung dieses Abkommen zwar unterschrieben, es ist aber nicht ratifiziert worden. Das ist damals im Bundestag an einem Streit zwischen SPD und Grünen gescheitert und nicht daran, dass beispielsweise die FDP dagegen gewesen wäre. Wir haben nach dem Stand gefragt, und die Bundesregierung hat der FDP-Fraktion in der Antwort auf eine Kleine Anfrage erklärt, dass sie es sehr begrüßen würde, wenn es zu einer Ratifizierung käme. Das ist aber nicht passiert.

(Helge Limburg [GRÜNE]: Jetzt regie- ren Sie ja mit! Jetzt können Sie es ja ändern!)

Herr Humke-Focks und Herr Limburg, zu den 7 % - Herr Dr. Biester hat eben schon darauf hingewiesen -: Man muss auch die zeitliche Abfolge im Auge behalten. Alle Parteien haben eine bestimmte Sache gefordert. Wir haben von einem Spender Geld bekommen. Wenn der Spender eine Partei privilegieren wollte, dann sicherlich nicht deswegen, weil sie fordert, was alle anderen auch fordern.