Protokoll der Sitzung vom 01.07.2010

Ich richte mich ausdrücklich an alle Abgeordneten des Parlaments. Sie wissen, die Klausurtagung war ursprünglich für den Juni vorgesehen. Wegen der aktuellen Ereignisse haben wir entschieden, diese Klausurtagung am 1. und 2. August durchzuführen. Ich versichere Ihnen aber, es bleibt ausreichend Zeit, dass es beim vereinbarten Terminplan bleibt: erste Lesung des Haushalts im SeptemberPlenum, zweite Lesung im Dezember-Plenum. Wir werden ausreichend Zeit haben, alle Details des Landeshaushalts hier im Hause und darüber hinaus zu erörtern.

Aber um eines bitte ich schon jetzt: Allen denjenigen, die nach dem 1. und 2. August mehr versprechen, schlage ich einen Wettbewerb der Ideen vor, aber bitte mit konkreten und belastbaren Zahlen; denn wir haben eine gemeinsame Verantwortung für den Landeshaushalt. Ein Wünsch-dir-was kann es nicht geben. Damit werden wir unserer Verantwortung nicht gerecht.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Sechstens: Wirtschaft, Arbeit, Verkehr.

Niedersachsen steht in diesen Krisenzeiten vergleichsweise gut da: Wir hatten im Juni 2010 im Vergleich zum Vorjahresmonat mit 7,3 % den niedrigsten Stand an Arbeitslosigkeit in einem Juni seit 1992. Die Jugendarbeitslosigkeit befindet sich im Vergleich zu den Vorjahresmonaten auf dem zweitniedrigsten Stand seit zwölf Jahren. Beim Aufbau sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung liegt Niedersachsen auf Platz 1 der westdeutschen Länder.

Dennoch ist diese positive Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt kein Grund, sich auf dem Erreichten auszuruhen. Alle unsere Anstrengungen in der Bundes- wie in der Landespolitik sollten wir auch zukünftig auf die Sicherung und Schaffung zusätzlicher Arbeits- und Ausbildungsplätze konzentrieren.

Die Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt ist Ausdruck der Solidarität und des sozialen Zusammenhalts. Wir haben in Deutschland insbesondere eine starke Tarifpartnerschaft von Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden. Die Türen der Landesregierung stehen für alle berechtigten Interessen der Sozialpartner jederzeit offen. Das gilt für die Gewerkschaften ebenso wie für Unternehmen, Verbände und Kammern.

Ich habe mit Ursula von der Leyen gestern, am Rande der Bundesversammlung, nochmals über die aktuellen Entwicklungen auf dem Arbeitsmarkt gesprochen. Ich glaube, es sind drei Bereiche, um die sich Politik insgesamt noch mehr als bisher kümmern muss. Es sind drei Gruppen, die bisher häufig unter ihrem Potenzial im Erwerbsleben geblieben sind. Ich nenne Ältere über 50, Frauen mit Kindern und Jugendliche mit Migrationshintergrund.

Meine Damen und Herren, Investitionen in die Infrastruktur sind Zukunftsinvestitionen. Deshalb begrüßen wir die Ankündigung des Bundes, trotz der angespannten Haushaltslage weiterhin in die Infrastruktur zu investieren. Wir leben im Zeitalter der Globalisierung. Globalisierung bedeutet weltweiter Warenaustausch. Das bedeutet zuallererst, dass die Rolle der Häfen noch wichtiger wird. Alle Häfen werden in Deutschland ausgebaut - Hamburg, die bremischen Häfen und alle unsere Häfen an der niedersächsischen Küste. Sie alle kennen die Hafenprojekte in Emden, in Wilhelmshaven, in Brake, in Cuxhaven und in Stade-Bützfleth und allen voran natürlich den JadeWeserPort, den

ersten deutschen Tiefwasserhafen in Wilhelmshaven.

Aber, meine Damen und Herren, der Ausbau der Häfen ist das eine, die Hafenhinterlandanbindung ist das andere. Bundesverkehrsminister Ramsauer hat mehrfach zu Recht betont, wie wichtig für alle Wirtschaftsstandorte in Deutschland exzellente Häfen und Hinterlandanbindungen sind. Wir setzen deshalb darauf, dass der Bund und die Deutsche Bahn AG entsprechende Zusagen einhalten. Das gilt insbesondere für die Anbindung an den JadeWeserPort.

(Starker Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, viele Infrastrukturvorhaben werden uns in den nächsten Jahren landespolitisch auch hier im Landtag und insbesondere in der Landesregierung beschäftigen, seien es die großen Schienenvorhaben - der zweigleisige Ausbau der DB-Strecke Hildesheim–Groß Gleidingen, das dritte Gleis zwischen Lüneburg und Stelle, die Elektrifizierung und der zweigleisige Ausbau von Wilhelmshaven–Oldenburg, die Ertüchtigung der EVB-Strecke von Bremerhaven über Bremervörde nach Rotenburg, um nur einige Beispiele zu nennen.

Gleiches gilt für die großen Straßenbauvorhaben: den sechsstreifigen Ausbau der A 1, den sechsstreifigen Ausbau der A 7, die Verlängerung der A 29 bis Wilhelmshaven, die Küstenautobahn mit fester Elbquerung von Westerstede über den Wesertunnel und Bremervörde Richtung Drochtersen, die A 39 von Lüneburg nach Wolfsburg oder die weiteren Bauabschnitte der A 26 von Stade in Richtung Hamburg.

Meine Damen und Herren, mit besonderer Freude haben wir letzte Woche vernommen, dass Staatssekretär Enak Ferlemann die Linienbestimmung für die Küstenautobahn A 20 abgeschlossen hat. Jetzt muss es weitergehen: Bis 2012 sollen die detaillierten technischen Entwürfe für die ausgewählte Trasse vorliegen. Ich bin mir ganz sicher: Die A 20 hat eine riesige strategische Bedeutung für uns im Norden. Das wird ganz bestimmt so sein. Eine Autobahn allein ist noch kein Garant für wirtschaftliche Dynamik, aber sie kann den Weg für eine dynamische Entwicklung mit Arbeitsplätzen und Wohlstand bahnen. Beides ist notwendig!

(Starker, anhaltender Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Sie alle wissen: Beim Ausbau der Infrastruktur haben wir im Norden ein besonderes Problem.

(Zurufe von den GRÜNEN)

Für Eingriffe in die Natur vom Straßenbau bis zu Industrieansiedlungen müssen bekanntlich vorrangig Ausgleichsflächen bereitgestellt werden. Das stellt uns vor immer größere Herausforderungen. Wir begrüßen die Ansage im Koalitionsvertrag von CDU/CSU und FDP im Bund, das Bundesnaturschutzgesetz entsprechend zu novellieren, um den Ländern abweichende Möglichkeiten einzuräumen. Ich bitte die Berliner Koalition, diesen Punkt des Koalitionsvertrages zügig umzusetzen.

(Lebhafter Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Gestatten Sie mir noch eine persönliche Anmerkung zur Verkehrspolitik. Beim Schienenpersonennahverkehr hat Niedersachsen traditionell einen bundesweiten Spitzenplatz inne. Das soll so bleiben. Ich werde mich in den nächsten Jahren dafür stark machen, dass wir neben der Deutsche Bahn AG als die Nummer eins im Wettbewerb weitere leistungsfähige Eisenbahnunternehmen haben, damit Wettbewerb auch tatsächlich stattfindet. Ich nenne stellvertretend die Nordwestbahn und den Metronom.

Siebtens: Ernährung, Landwirtschaft, Verbraucherschutz und Landesentwicklung.

Meine Damen und Herren, die Agrar- und Ernährungswirtschaft ist unser zweitwichtigster Wirtschaftsbereich nach der Automobilindustrie. Vier Themen möchte ich kurz ansprechen, die uns jetzt beschäftigen werden.

Erstens. Im Herbst wird die Europäische Kommission ihre Vorstellungen zur Neugestaltung einer Gemeinsamen Agrarpolitik nach 2013 vorstellen. Ministerin Astrid Grotelüschen habe ich gebeten, dass wir frühzeitig unsere niedersächsischen Interessen in die Diskussion einbringen und entsprechend formulieren. Wir streben eine eindeutige und verlässliche Finanzierungsgrundlage für beide Säulen der GAP an.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Zweitens. Schon in Kürze werden wir das förmliche Abstimmungs- und Beteiligungsverfahren für die Fortschreibung des Landes-Raumordnungsprogramms einleiten. Wesentliche Fragen sind dabei die Anbindung der Offshorewindenergieanlagen an das landseitige Höchstspannungsnetz, die Weiterleitung der erzeugten Energie in die Verbrauchs

schwerpunkte und das Repowering bestehender Windenenergieanlagen.

Drittens. Das Bemühen der Landesregierung ist darauf gerichtet, den flächendeckenden Ausbau von schnellem Internet und die Bereitstellung von Breitbandanschlüssen weiter voranzutreiben. Mit Unterstützung von Bund und EU wird das Land bis Ende 2011 etwa 260 000 neue Endkundenstandorte in den ländlich strukturierten Gebieten unseres Landes erschließen.

(Zuruf von der SPD)

Und schließlich viertens. Diese Landesregierung wird einen Schwerpunkt auf den Verbraucherschutz legen. Verbraucherschutzpolitik ist Querschnittsaufgabe. Hier ist die Politik gefragt, um Verbraucherinnen und Verbraucher vor neuen Herausforderungen und Gefährdungen zu schützen.

(Björn Thümler [CDU]: Sehr gut!)

Achtens: Umwelt und Klimaschutz.

Für uns ist die Zukunft unserer Energieversorgung eines der strategischen Wachstums- und Zukunftsprojekte. Niedersachsen ist Energieland Nummer eins. Das wollen wir auch bleiben, gerade bei den erneuerbaren Energien.

Wir sind führend bei der Biomasse, und ebenso sind wir führend bei der installierten Windenergieleistung. Der Ausbau der erneuerbaren Energien hat gerade in strukturschwachen Regionen spürbar zur Ansiedlung neuer Firmen beigetragen.

Die Umstellung auf neue, effiziente Umwelttechniken ist nicht nur ökonomisch ein Gewinn, er ist auch umweltpolitisch geboten. Wir wollen in Niedersachsen nachhaltig wachsen. Dabei ist die Klima- und Energiepolitik ganz zentral.

Meine Damen und Herren, um eines ganz deutlich hervorzuheben: Die Zukunft in Deutschland, die Zukunft in Europa gehört den erneuerbaren Energien. Die Umstellung von einer Ressourcen verbrauchenden Wirtschaftsweise auf Ressourcen schonende Umwelttechnologien ist das zentrale Wachstumsprojekt für das 21. Jahrhundert. Deutschland ist hier Weltmarktführer, und dieser Trend ist unumkehrbar.

(Lebhafter Beifall bei der CDU und bei der FDP - Zuruf von Stefan Wenzel [GRÜNE])

Meine Damen und Herren, wir möchten, dass Niedersachsen zu den Gewinnern des Energiestruk

turwandels im 21. Jahrhundert gehört. Deshalb gilt das Engagement der Landesregierung in den kommenden Jahren weiterhin den erneuerbaren Energien, der Biomasse, der Solartechnologie, der Geothermie und vor allen Dingen der Windenergie, wobei es im Offshorebereich riesige Potenziale für die Küste gibt.

Der Energieforschung kommt in den kommenden Jahren noch größere Bedeutung zu. Dies gilt bei den Erneuerbaren insbesondere für die Netz- und Speichertechnologien. Niedersachsen hat in diesem Bereich mit dem Energieforschungszentrum in Goslar eine gute Position inne.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Bis zur vollständigen Umstellung auf die erneuerbaren Energien können wir auf die fossilen Energien und die Kernenergie nicht verzichten.

(Stefan Wenzel [GRÜNE]: Es gibt Gutachten, die das Gegenteil bele- gen!)

Aber wir sollten ihren Anteil nach und nach reduzieren, abhängig davon, wie zügig der Ausbau der erneuerbaren Energien gelingt.

(Björn Thümler [CDU]: Richtig!)

Die konventionellen Energieträger sind derzeit noch die Grundlage für eine verlässliche, kostengünstige und umweltverträgliche Energieversorgung und damit für einen intelligenten Energiemix. Kohle und Gas müssen effizienter als bisher genutzt werden. Dafür wollen wir die Möglichkeiten des technischen Fortschritts im Interesse von Klimaschutz und Versorgungssicherheit nutzen. Wir haben mit der raumordnungsrechtlichen Ausweisung von Kraftwerksstandorten hierfür Entwicklungsmöglichkeiten geschaffen.

Meine Damen und Herren, die Verlängerung der Laufzeiten der Kernkraftwerke ist nicht die zentrale Frage der Energiepolitik. Die zentrale Frage, die uns gerade in Niedersachsen interessiert, ist: Durch welche Rahmenbedingungen und durch welche Maßnahmen bringen wir den Ausbau der erneuerbaren Energien konsequent voran, um unsere Ziele auch wirklich zu erreichen?

(Björn Thümler [CDU]: Sehr gut! - Zu- rufe von der SPD)

Es fehlen intelligente Netze. Es fehlen moderne Speichertechnologien. Es fehlt an neuen Technologien für mehr Effizienz. Oder um es positiv zu formulieren: Es gibt riesigen Investitionsbedarf und

große Märkte mit enormen wirtschaftlichen Chancen, von denen wir profitieren wollen. Meine Damen und Herren, das hat für uns Priorität.

(Starker Beifall bei der CDU und bei der FDP - Dr. Manfred Sohn [LINKE]: Sie sind ein Laufzeitfragenkneifer!)