Protokoll der Sitzung vom 17.08.2010

Erstens. Wir bekommen jetzt für alle Schulen einen Schulvorstand. In dem Schulvorstand sind alle beteiligt: die Schulleitungen, die Lehrkräfte, Schüler, zum Teil auch Eltern und außerschulische Partner, die aus der Wirtschaft kommen. Dieser Schulvorstand wird viel zu sagen haben. Er wird die entscheidenden Dinge in einer berufsbildenden Schule in Gang bringen. Wir haben beste Erfahrungen gerade mit den Schulvorständen in den ProReKo-Schulen gemacht. Wir müssen hier nur eine andere Zusammensetzung als in den allgemeinbildenden Schulen wählen, weil wir natürlich die ausbildende Wirtschaft mit in den Schulvorstand hineinbringen wollen.

Wir haben zweitens die Möglichkeit geschaffen, als Kannangebot einen Beirat zu bilden. Jede berufsbildende Schule kann sich einen Beirat einrichten, in den man auch außerschulische Partner einbeziehen kann. Das dient dazu, dass wir mit den berufsbildenden Schulen auch in außerschulische Einrichtungen hineingehen können. Dies dient dazu, dass man der einen oder anderen Schule sozusagen etwas Schmückendes beigeben kann, um den Standort dieser berufsbildenden Schule zu erweitern. Jede Schule kann in den Beirat hineinberufen, wen sie will. Sie kann örtliche Persönlichkeiten hineinberufen. Sie kann aber auch, wie sich das wahrscheinlich vernünftigerweise darstellen wird, Leute aus der Wirtschaft hineinberufen, damit der Stellenwert der beruflichen Bildung gerade durch diese Persönlichkeiten vor Ort noch weiter gestärkt wird.

Wir werden drittens - und das wird wahrscheinlich die größte und schwierigste Veränderung werden - ein gemeinsames Budget haben. Die sächlichen Ausstattungen, die jetzt bei den Schulträgern sind, und die personelle Ausstattung, die jetzt vom Land gegeben wird, werden in ein Budget hineingegeben.

Es wird jetzt Aufgabe des Schulleiters und des Schulvorstandes sein, dieses Budget zu bewirtschaften. Auch hier haben wir mit den ProReKoSchulen gute Erfahrung gemacht. Aber hier kommen natürlich neue Voraussetzungen auf die Schulen zu, auch was die jeweilige Beschlussfassung darüber betrifft.

Wir sind jedoch sicher, dass das gelingen wird, und wir sind sicher, dass damit die Herausforderungen, denen sich die berufsbildenden Schulen stellen müssen, noch besser gelöst werden können, als das in der Vergangenheit der Fall war.

Dazu werden die Schulen übrigens auch Verwaltungsmitarbeiter bekommen, z. B. einen Verwaltungsleiter. Denn es geht auch um die Bewirtschaftung des gesamten Personals innerhalb der Schule bis hin zu Beförderungen in eine Besoldungsstufe A 15, was nicht ganz unwichtig ist, aber auch um die gesamten Bewirtschaftungen der Mittel.

Erfahrungen haben gezeigt, dass man gut daran tut, jemanden aus den Schulträgerverwaltungen zu holen und ihn auch zu besolden. Wir als Land werden uns an der Besoldung beteiligen. Aber dazu wird der Minister vielleicht etwas sagen. Denn dazu gibt es noch Verhandlungen mit den Schulträgern.

Wir wollen sicherstellen, dass das Geld, das wir als Land für Verwaltungspersonal in die Schulen hinein geben, auch bei den Schulen ankommt. Das wird sicherlich in Form einer Verpflichtungsermächtigung in irgendeiner Weise geschehen. Aber dazu wird vielleicht der Minister etwas sagen.

Der vierte Punkt, den ich für wichtig halte, ist folgender: Unsere berufsbildenden Schulen werden sich auch an Weiterbildungsmaßnahmen anderer beteiligen können, wenn es z. B. um die Weiterbildung von Sozialpädagogen geht. Das aber muss man sich vor Ort überlegen. Das heißt, wenn sich die berufsbildende Schule beteiligt, die Werkstätten zur Verfügung stellt, die Räume zur Verfügung stellt, dann können Dritte Weiterbildungsmaßnahmen in der berufsbildende Schule machen. Wenn sich die berufsbildende Schule beteiligt, kann sie eben auch Geld aus diesen Beteiligungen erwirt

schaften. Das ist hiermit intendiert, ohne Konkurrenzverhalten zu anderen Weiterbildungsträgern hervorzurufen. Deswegen geht es eben nur um die Beteiligung der berufsbildenden Schulen.

Ich sagte schon, es ist ein Quantensprung: Eigenverantwortlichkeit in vollem Umfang. Ich sage, das kann auch für unsere allgemeinbildenden Schulen sehr positiv sein, weil wir auch da diese volle Eigenverantwortung anstreben. Das ist auf den Weg gebracht. Aber diese sind jetzt viel weiter als die anderen. Die allgemeinbildenden Schulen, vor allem die großen, die wir dann in die Eigenverantwortung hineinnehmen, werden davon lernen können, und man muss den Austausch pflegen. Das werden wir versuchen zu initiieren.

Meine Damen und Herren, das ist in Kürze der Gesetzentwurf. Ich freue mich natürlich auf die Diskussion. Ich bin ziemlich sicher, dass wir etwas Gemeinsames hinbekommen. In Nuancen werden wir möglicherweise noch aufeinander zugehen können. Wir werden das ja gleich von den anderen Rednern hören. Ich möchte aber noch zwei Aspekte anfügen.

Wir haben den Gesetzentwurf jetzt eingebracht. Wir brauchen keine große Anhörung nach den Abläufen. Wir möchten aber mit den Eltern und den Verbänden in ein Gespräch kommen. Über die Form müssen wir reden: schriftliche Anhörung, vielleicht auch eine mündliche Anhörung. Ich halte es für wichtig, dass wir vor allem auch mit dem Landeselternrat die Gespräche führen. Sie müssen uns einmal sagen, wie sie eingebunden werden können. Vielleicht gibt es da noch ein bisschen Nachholbedarf. Das wird geschehen, indem wir mit den Beteiligten sprechen werden.

(Astrid Vockert [CDU]: Sehr gut!)

Ich denke, dass wir uns im Kultusausschuss einig werden, um eine vernünftige Form von Anhörung zu finden, vielleicht auch eine richtige offizielle Anhörung, die sonst gemacht werden müsste, wenn die Landesregierung den Gesetzentwurf eingebracht hätte.

Der vorletzte Punkte, den ich ansprechen möchte, ist, dass wir von CDU und FDP den Schulleitungen und den Lehrkräften, die in den 19 ProReKoSchulen mit sehr großem Aufwand, mit immer neuen Qualifizierungsmaßnahmen - übrigens nicht nur da, sondern auch in anderen Berufsschulen - gearbeitet haben, danken.

(Astrid Vockert [CDU]: Richtig!)

Aber bei den 19 berufsbildenden Schulen, die sich hier in besonderer Weise engagiert und Vorleistungen für die anderen Schulen erbracht haben, also bei den Kollegien möchte ich mich im Namen von CDU und FDP ganz herzlich bedanken.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, ich wiederhole es: Diese Weiterentwicklung ist ein Meilenstein, ein Quantensprung für die Schulpolitik in Niedersachsen. Ich möchte mich auch bei den Vorgängerministern Bernd Busemann und Elisabeth Heister-Neumann ganz herzlich bedanken, die das damals mit auf die Reihe gebracht haben. Wir müssen uns allen eigentlich selbst danken, dass wir damals eine gemeinsame Lösung gefunden haben und etwas auf den Weg gebracht haben.

(Beifall bei der CDU)

Liebe Kollegen von den Grünen, der SPD und der Linken, ich weiß zwar nicht, wie Sie von den Linken mitstimmen werden. Bei den anderen bin ich mir aber sicher, dass wir an einem Strang ziehen. Das werden wir jedoch gleich noch hören, Frau Reichwald.

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich das noch sagen: Man sieht, wenn man die ideologischen Scheuklappen ein bisschen beiseite tut, wie weit man zugunsten von mehr qualifizierenden Maßnahmen im Schulsystem kommen kann. Ich wünsche mir, dass das auch für die Diskussion an den allgemeinbildenden Schulen gilt.

Ich danke für die Aufmerksamkeit.

(Starker Beifall bei der CDU und bei der FDP - Björn Thümler [CDU]: Sehr gut! - Astrid Vockert [CDU]: Das steht und fällt immer mit Personen!)

Meine Damen und Herren! Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht nun Frau Korter.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der vorliegende Gesetzentwurf von CDU und FDP soll die Grundlage dafür schaffen, dass sich ab 2011 alle berufsbildenden Schulen in Niedersachsen zu regionalen Kompetenzzentren entwickeln können.

Ich möchte zunächst betonen, dass die Fraktion der Grünen die landesweite Umwandlung der berufsbildenden Schulen zu regionalen Kompetenzzentren nach den positiven Erfahrungen aus dem

Modellprojekt ProReKo sehr begrüßt und nicht zuletzt auch mit vielen eigenen Anträgen immer unterstützt hat.

(Beifall bei den GRÜNEN - Astrid Vo- ckert [CDU]: Ja, stimmt!)

Gerade deshalb, liebe Kolleginnen und Kollegen von CDU und FDP, werden wir Ihren Gesetzentwurf aber sehr genau prüfen. Auf den ersten Blick - aber da werden die Beratungen im Detail sicherlich mehr Klarheit bringen - sehe ich neben positiven Ansätzen einige Punkte durchaus kritisch.

Positiv ist zunächst, dass die 19 Projektschulen aus dem Schulversuch ProReKo Rechtssicherheit erhalten, wie es mit ihnen weitergehen soll. Wesentliche Transfervorschläge aus dem Abschlussbericht werden schulgesetzlich verankert: die Dezentralisierung der Aufgabenverantwortung, die Möglichkeit, gegen Entgelt oder auch bei Verzicht darauf, sich an Maßnahmen Dritter zur Fort- und Weiterbildung zu beteiligen. Weshalb eigentlich nicht an Ausbildung? Das stand in unserem gemeinsamen Antrag.

Nicht unproblematisch ist dabei im Entwurf, dass dieses Entgelt vom Land erhoben und festgelegt werden soll. Das gemeinsame Budget aus Mitteln des Landes und des Schulträgers wird schulgesetzlich ermöglicht. Das ist gut. Die Einbindung der an beruflicher Bildung interessierten und beteiligten Wirtschaft wird abgesichert. Ob sie allerdings so stark sein muss, wie in Ihrem Gesetzentwurf vorgesehen, werden wir diskutieren müssen.

Warum ein Kammervertreter unbedingt Mitglied im Schulvorstand sein muss und damit eine solch hervorgehobene Bedeutung gegenüber anderen außerschulischen Partnern haben soll, leuchtet mir noch nicht ein. Im Gegenteil: Ich sehe das wegen möglicher Konkurrenzsituationen durchaus kritisch. Wesentlich sinnvoller wäre es aber, einen Vertreter des Schulträgers in den Schulvorstand zu berufen. Denn hier wird auch über pädagogisch sinnvolle Maßnahmen und die Verwendung der Gelder aus der Kommune entschieden. Eine Abstimmung mit den bildungs- und sozialpolitischen Zielsetzungen der Kommunen wäre dadurch besser möglich.

Weiterer Punkt: Auf den ersten Blick erscheint mir die herausgehobene Stellung der Schulleitung zu stark und unnötig. Vor allem die Abschaffung der kollegialen Schulleitung für die berufsbildenden Schulen sehe ich kritisch. Wenn der Schulvorstand künftig mit Viertelparität besetzt sein soll und die Wirtschaft ein Viertel Mitentscheidungsrechte er

hält - genauso viel wie die Lehrkräfte und pädagogischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, genauso viel wie die Gruppe der Schüler- und Elternvertretungen - und die erweiterte Schulleitung das andere Viertel, dann ist dies eine entscheidende Veränderung der Beteiligungsrechte der wichtigsten Akteure. Das müssen wir genau prüfen.

Wenige Gedanken haben sich die Regierungsfraktionen offenbar über die Implementierung an den 116 berufsbildenden Schulen gemacht, die bis jetzt noch nicht am Schulversuch ProReKo teilgenommen haben. Diese Schulen müssen die Veränderungen, für sich individuell angepasst an ihre Ausgangslage und an ihre örtlichen Bedingungen, erst entwickeln. Es gibt dafür keine Schablonen, die durch den Modellversuch zur Verfügung gestellt wurden und die man einfach übernehmen muss. Ist da ein Unterstützungsszenario vorgesehen, oder sollen sie diese anspruchsvolle Aufgabe ab 1. Januar 2011 irgendwie allein hinkriegen? Herr Kollege Klare, wo finde ich im Gesetzentwurf eigentlich die Absicherung der Verwaltungsleitung, die wir doch alle in der Vorberatung für wichtig erachteten?

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich will es in der Kürze der Zeit dabei bewenden lassen. Nur so viel: Wir als Grüne-Fraktion halten dieses Vorhaben für viel zu wichtig, als dass wir Ihren Gesetzentwurf einfach so durchwinken. Wir werden, wie Sie es von uns kennen, mit fundierten Änderungsvorschlägen kommen und sie, wo nötig, in den Ausschuss einbringen. Ich hoffe, dass wir eine konstruktive Beratung zu diesem Antrag haben.

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, ich erteile jetzt Herrn Poppe von der SPD-Fraktion das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Für die berufsbildenden Schulen in Niedersachsen stehen zum 1. Januar 2011 einschneidende Änderungen an. Herr Klare hat dafür große Worte wie „Quantensprung“, „Meilenstein“, „Eigenverantwortung“ gefunden,

(Kreszentia Flauger [LINKE]: Fast hät- te er „Revolution“ gesagt!)

aber überwiegend auch allgemeine Worte. Die Regierungsfraktionen bringen trotz ausreichend

langer Vorbereitungszeit erst jetzt, Ende August 2010, eine Vorlage ins Plenum, für die in den Ausschussberatungen nur wenig Zeit bleibt - eine Vorlage, die offenbar mal eben so zwischen Tür und Angel neben einer Fülle anderer wichtiger Themen und der Haushaltsdebatte abgehandelt werden soll, so als wäre die berufliche Bildung ein lästiges Übel.

(Astrid Vockert [CDU]: Nein!)

Meine Damen und Herren, das ist sie nicht. Herr Klare hat es selbst betont: Bis zu 80 % eines jeden Jahrgangs im Sekundarbereich II besuchen berufsbildende Schulen. Die Wirkung hoher Qualität ihrer Arbeit kann gar nicht hoch genug eingeschätzt werden.

(Beifall bei der SPD)

Diese Schulen beklagen mit Recht derzeit eine Belastung an der Grenze des Erträglichen, und das bei einer Unterrichtsversorgung von oft unter 90 %. Darum sage ich: Diese Gesetzesnovelle hat eine bessere, anspruchsvollere und solidere Behandlung als diesen kurzfristigen Einstieg verdient.

(Beifall bei der SPD)

Denn sie beruht auf einem gemeinsamen Entschließungsantrag von vier Fraktionen dieses Hauses vom Februar dieses Jahres und auf einstimmigen Entschließungen zum Schulversuch ProReKo seit 2001. Die SPD hat diese Beschlüsse nicht nur initiiert und sämtlich mitgetragen, sondern auch in dem vorliegenden Fall frühzeitig auf den Zeitdruck hingewiesen. Der besteht darin, dass die an dem Schulversuch ProReKo beteiligten Schulen - hoch engagierte Schulen - nur noch bis zum 31. Dezember dieses Jahres unter den Bedingungen des Schulversuchs weiterarbeiten können und danach rechtlich quasi auf den Altzustand zurückgeworfen wären. Darum liegt der SPD-Fraktion sehr daran, dass die Umsetzung der erfolgreich erprobten Teile des Schulversuchs für alle berufsbildenden Schulen in diesem Parlament möglichst einvernehmlich beschlossen wird. Aber die gesetzlichen Bestimmungen müssen dann auch dem Geist und dem Buchstaben des Entschließungsantrags vom Februar entsprechen. Da gilt es, im Verlauf der Beratungen doch noch einige Zweifel auszuräumen und Klärungen vorzunehmen.