Protokoll der Sitzung vom 18.08.2010

Aber nehmen wir an, es wäre möglich: Wäre dann ein Entwicklungsplan in Ihrem Sinne sinnvoll? - Das Sammeln, Bewahren, Forschen, Vermitteln ist eine zutiefst menschliche Anlage, die wie die künstlerische Veranlagung bei dem einen mehr, bei dem anderen weniger ausgeprägt ist. Das entzieht sich einer Steuerung durch eine zentrale Autorität, mag sie auch demokratisch gewählt sein. Würden Sie bei der Kunst eine Kunstentwicklungsplanung fordern?

Ich bin Vorsitzender eines Museumsträgervereins, und ich bin sehr stolz darauf, dass wir mit internationaler Bedeutung in der Beantwortung aufgenommen wurden. Aber Ihre Worte machen mir doch ein wenig Angst. Wenn ich sehe, wie viele Menschen einen großen Teil ihrer Freizeit in dieses Museum investieren, um den nächsten Generationen, ihren Kindern und Enkeln, etwas von ihren eigenen Erfahrungswelten zu erhalten und damit Kulturgut, das sie selbst für wichtig erachten, zu vermitteln, dann entzieht sich dieses Engagement jeder staatlichen Bevormundung durch Passivität.

Wir Christdemokraten sind bereit, uns auf die Unterschiedlichkeit und Kreativität der Menschen ohne staatliche Vorgaben einzulassen. Abgesehen davon, Frau Behrens, müssen Sie sich fragen lassen, warum Sie Ihren 1990 groß angekündigten Museumsentwicklungsplan so still und heimlich beerdigt haben.

(Zustimmung von Björn Thümler [CDU] - Daniela Behrens [SPD]: Da war ich noch im Studium!)

Ich möchte zu einem zweiten Thema kommen: freier Eintritt für junge Menschen.

(Ursula Helmhold [GRÜNE]: Sie hat sich selber noch entwickelt!)

- Dann nehmen Sie es nicht persönlich, fühlen Sie sich als SPD angesprochen.

Um Menschen aus bildungsfernen Schichten für einen Museumsbesuch zu begeistern, reicht es nicht, den Eintritt zu reduzieren oder freizustellen. Viele Museen in Niedersachsen bieten spezielle Zeiten an, in denen der Eintritt frei ist. Die eigentliche Hürde muss durch museumspädagogische Angebote genommen werden. Die Zielgruppe solcher Veranstaltungen sind aber nicht nur Kinder und Jugendliche, sondern natürlich auch Erwachsene.

Die Antwort der Landesregierung zeigt die unterschiedlichen Bemühungen der Museen und Stiftungen, Kinder und Jugendliche an das Museum als Lernort heranzuführen. Neben den Unterrichtsbesuchen haben der Museumsverband für Niedersachsen und Bremen und das Kultusministerium 2007 einen Rahmenvertrag über die Zusammenarbeit mit den Ganztagsschulen abgeschlossen.

Ein weiterer Gedanke eröffnet sich ganz aktuell durch die von Frau von der Leyen vorgeschlagene Bildungschipkarte. Es ist eine prima Gelegenheit, dort Guthaben für Museumsbesuche aufzubuchen, um dann den Kindern nach ihrer freien Entscheidung die Möglichkeit zu geben, kostenfrei Museen zu besuchen.

(Björn Thümler [CDU]: Sehr richtig!)

Sie haben kritisiert, dass die Kulturindikatoren des Statistischen Bundesamtes für Niedersachsen nicht so positive Werte ergeben haben. Niedersachsen nimmt im Vergleich der Bundesländer bei der Förderung von Museen, Sammlungen und Ausstellungen mit 8,8 Euro pro Einwohner Platz 15 ein. Im Haushalt 2010 haben wir mit 25,288 Millionen Euro für die Museen immerhin 13,45 % des Kulturetats vorgesehen. Wir haben diesen Ansatz 2011 gehalten und keine Kürzungen eingebracht. Das ist angesichts der notwendigen Haushaltskonsolidierung unsere Abwägung von Wünschenswertem und Machbarem. Ich bin sehr gespannt auf Ihre Abwägung und auf Ihre Haushaltsanträge in diesem Bereich. Zu Ihrer Regierungszeit waren die Mittel für die Museen jedenfalls absolut, aber auch relativ deutlich niedriger, als sie es heute sind.

Ich fasse zusammen: Die Museen in Niedersachsen sind gut aufgestellt. Ich freue mich, dass Sie das auch anerkennen. Wir sind uns der Bedeutung aller niedersächsischen Museen bewusst und haben auch in schwierigen Haushaltsjahren die Förderung unserer Museen gesichert.

Ganz besonders danke ich noch einmal den vielen Menschen, die freiwillig und ehrenamtlich in den vielfältigsten Museen ihre Freizeit und nicht selten auch ihr Vermögen einsetzen. Aus unserer Sicht sollten Museen aus der Breite der Bevölkerung getragen sein.

Ich freue mich auf die weitere Beratung dieses Themas im Fachausschuss und danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU)

Herzlichen Dank, Herr Hillmer. - Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat Frau Dr. Heinen-Kljajić das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Antwort der Landesregierung hat deutlich gemacht, dass wir zwar eine sehr reiche, aber auch eine sehr heterogene Museumslandschaft haben. Die Kapazitäten und die Qualitäten dieser Museen sind zwangsläufig sehr unterschiedlich.

Daher ist es besonders erfreulich, dass das Registrierungsprogramm, über das eine Art Gütesiegel erworben werden kann, angenommen wird und anscheinend tatsächlich funktioniert. Dem Museumsverband Niedersachsen und Bremen, der das Programm federführend mit dem Wissenschaftsministerium und der Sparkassenstiftung durchführt, sei an dieser Stelle für seine kompetente Arbeit gedankt.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Das Programm macht exemplarisch deutlich, wie wichtig die Arbeit einzelner Kulturfachverbände ist, wenn es um Qualitätsstandards oder um Qualifizierung bei Kulturangeboten in der Fläche geht. Die Fachverbände sind eben mehr, werte Kollegen von CDU und FDP - ich glaube, diese Lektion kann man an der Stelle lernen -, als die Fördergelder absorbierenden Wasserköpfe, als die Sie die Verbände im Rahmen der Umstrukturierung der Kulturförderung immer gern dargestellt haben.

(Zuruf von der CDU: Das stimmt doch gar nicht!)

Erfreulich ist - das muss man anerkennen -, dass dieses Programm fortgesetzt werden wird.

Meine Damen und Herren, bei unseren Landesmuseen, die grundsätzlich gut aufgestellt sind, gibt es nichtsdestotrotz weiteren Optimierungsbedarf.

Hier hätte ich vor allen Dingen einen Datenabgleich mit anderen Bundesländern - Sachsen oder Baden-Württemberg - spannend gefunden.

Zu den Landesmuseen bleibt festzuhalten: Wir waren hier im Landtag schon einmal an einem Punkt, an dem wir über Fragen einer Neuausrichtung unserer Landesmuseen hätten diskutieren können, wenn das Kommunikationsmanagement seinerzeit nicht so gründlich schiefgegangen wäre. Es ist vermutlich vollkommen richtig, vorerst wieder Ruhe in die Museumsszene zu bringen und von Umstrukturierungen zumindest zeitnah erst einmal abzusehen, zumal manches Haus inzwischen längst aus eigenem Antrieb die Ausstellungsphilosophie neu ausrichtet oder neu ausrichten wird.

Immer dann, wenn es in der Anfrage um Schwerpunktbildung bei den Sammlungen oder um eine engere inhaltliche programmatische Kooperation oder Abstimmung zwischen den Häusern geht, bleiben Sie mutlos. Liebe Frau Ministerin Wanka, lassen Sie sich nicht von der Bruchlandung Ihres Vorgängers abschrecken. Das alte Konzept von 2008 ist zweifelsohne erledigt. Trotzdem sollten Sie den Versuch nicht aufgeben, durchaus neue Anforderungen an die Strukturen der Museumslandschaft zu formulieren und moderierend tätig zu werden.

Die zentrale Herausforderung im Museumsbereich liegt aus unserer Sicht ganz woanders. Die Antwort der Landesregierung enthält u. a. die Information: Bundesweit ist die Gruppe der über 55-Jährigen die wichtigste Besuchergruppe, und Menschen mit Migrationshintergrund ist die am schwierigsten zu erreichende Gruppe. Bei jährlich über 25 Millionen Euro, die wir in diesen Bereich allein an Landesmitteln stecken, und 35 Millionen Euro EFRE-Mitteln - Frau Ministerin, Sie haben es eben erwähnt - ist diese eklatante Schieflage, die sich in anderen Kulturbereichen vermutlich nicht sehr viel anders darstellt, nicht hinnehmbar.

Deshalb muss es oberste Priorität des Landes sein, die Museen dazu anzuhalten, niedrigschwellige und zielgruppenspezifische, auch eintrittsfreie Angebote zu machen, die solche Familien ansprechen, für die der Museumsbesuch nicht zum alltäglichen Freizeitprogramm gehört. Das Landesmuseum Hannover zeigt mit seinem Programm „Museum in Aktion“, wie so etwas aussehen kann.

Ein weiterer Punkt, bei dem Handlungsbedarf besteht, ist die Kooperation zwischen Museen und Schulen. Sie muss dringend ausgebaut werden. Nur 16 % der Museen haben geantwortet, dass sie

dauerhafte Kooperationen mit Schulen pflegen. Das darf nicht so bleiben, meine Damen und Herren;

(Beifall bei den GRÜNEN)

denn gerade Grundschulen und Kitas sind die Orte, wo noch alle Kinder unabhängig von ihrem sozialen Status mit Kulturangeboten erreicht werden können. Nur 10 % - auch das hat die Kollegin Behrens schon erwähnt - unserer Museen haben spezielle Angebote für Migranten. Auch hier besteht enormer Nachbesserungsbedarf.

Die Museumspädagogik muss dringend ausgebaut werden. Im Landesmuseum Hannover gibt es immerhin zwei Stellen für Museumspädagogen; in den restlichen Landesmuseen gibt es jeweils nur eine Stelle. Hier muss aus unserer Sicht im Stellenplan umgeschichtet werden, wenn wir tatsächlich eine Öffnung der Museen erreichen wollen.

Schließlich brauchen wir endlich eine Datenerhebung, mit der das Nutzerverhalten, aber vor allem auch das Nichtnutzerverhalten erfasst wird, damit wir besser gegensteuern können. Wir sind gespannt auf die Ergebnisse der Befragungen in Hannover, Braunschweig und Oldenburg.

Meine Damen und Herren, die Öffnung unserer Museen für breitere Nutzerkreise muss Priorität erhalten. Dabei sind nicht unbedingt immer nur zusätzliche Mittel gefragt, aber auf jeden Fall Kreativität und der Mut zur Umschichtung von Schwerpunkten der musealen Arbeit.

Werte Kollegen von CDU und FDP, Sie haben unsere letzte Museumsdebatte - Sie erinnern sich an die Anträge, die wir vor einigen Monaten zu diesem Thema diskutiert haben - mit einem nichtssagenden Antrag nach dem Motto „alles ist gut“ beendet. Das jetzt vorliegende Datenmaterial macht deutlich: Wenn es um die Frage des Zugangs geht, ist die Bilanz alles andere als gut. Nehmen Sie diese Zahlen endlich ernst, und lassen Sie uns gemeinsam nach Lösungen suchen. Ich hoffe, dass wir den Dialog, den wir heute mit der Debatte über die Antwort der Landesregierung begonnen haben, im Ausschuss fortsetzen können.

(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung bei der SPD)

Danke schön. - Nun spricht für die FDP-Fraktion Frau von Below-Neufeldt. Bitte!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Zunächst danke ich im Namen der FDP-Fraktion der Landesregierung und allen an der Beantwortung der Großen Anfrage Beteiligten. Das war wirklich ein großes Stück Arbeit und teilweise eine Art Inventur.

Ich spreche heute richtig gerne zu diesem Thema; denn es geht hier um ein ganz bedeutsames Stück Niedersachsen, nämlich um die niedersächsische Kultur und Kulturpolitik.

In dem ausführlichen Bericht der Landesregierung spiegelt sich die ganze Vielfalt der niedersächsischen Museen wider - eine Vielfalt, auf die wir ganz sicher stolz sein können. Niedersachsen hat eine reiche und sehr verschiedenartige Museumslandschaft: 665 Museen gehören insgesamt dazu. Viele davon befinden sich in privater Trägerschaft.

An dieser Stelle sage ich einen ganz ausdrücklichen Dank der FDP-Fraktion an all diejenigen, die im Ehrenamt mit Engagement und unter Einsatz ihres Vermögens diese Museen erhalten!

(Zustimmung bei der FDP und bei der CDU)

Viele Museen haben nationale und internationale Bedeutung. Als Braunschweigerin freut es mich besonders, dass dazu auch das Herzog Anton Ulrich-Museum gehört, das gerade umgebaut wird.

Den Museen sind 2010 Mittel in Höhe von gut 25 Millionen Euro zugewiesen worden. Das sind ungefähr 13 % des Kulturhaushaltes.

Das ist aber nicht alles, was den Museen an Mitteln zur Verfügung steht. Durch die Regionalisierung der Kulturförderung ist es der Landesregierung nämlich gelungen - das ist ein ausdrückliches Lob -, Mittelzuflüsse aus europäischen Kulturförderfonds zu sichern. Das sind in der Förderperiode 2007 bis 2013 immerhin 35 Millionen Euro.

Investitionswünsche der Museen in Höhe von 120 Millionen Euro, die sich aufgrund des Starts des Museumsentwicklungsplans ergeben hatten, mussten allerdings - das kann man ganz schnell nachrechnen, wenn man das verfügbare Gesamtvolumen sieht - dazu führen, dass nach ganz anderen Wegen gesucht werden musste. Dass der Museumsentwicklungsplan zunächst ausgesetzt wurde, ist folgerichtig und gut.

Es gab nämlich auch andere Elemente, die zu einer Museumsentwicklung führten und die auch sehr erfolgreich umgesetzt wurden. Ich nenne

beispielhaft die Verbesserung der kulturtouristischen Infrastruktur. Die Museen sind schließlich für die Menschen da. Laienbesucher, aber auch z. B. Wissenschaftler müssen Museen gut erreichen können. Es ist auch gut, wenn Museen an touristische Angebote angeschlossen werden. Hohe Besucherzahlen sind schließlich auch ein Teil der Museumsentwicklung. So können auch besucherorientierte Konzepte und Ideen angestoßen werden.

Vor diesem Hintergrund möchte die FDP-Fraktion auf gar keinen Fall eine zentrale Einsteuerung der Aufgaben in die Museen. Die Vielfalt der Museen und ihrer Profile stehen dem entgegen. Vielfalt belebt, eröffnet Möglichkeiten und setzt Akzente. Diese Akzente stärken die jeweiligen Museumsattraktionen. Das macht Museen attraktiv und sichert hohe Besucherzahlen.