Protokoll der Sitzung vom 18.08.2010

Liebe Kolleginnen und Kollegen vor allem der Opposition, trotz dieser Berichterstattung und nach unserer Aufklärung hoffe ich, dass wir zu einer sachlichen und qualifizierten Diskussion im Ausschuss kommen, und zwar zum Wohl unserer Kinder.

Worum geht es, meine Damen und Herren? - Das Land Niedersachsen hat in seinem Schulgesetz den freien Elternwillen verankert. Er ist - ich betone es noch einmal - für die Fraktionen der CDU und der FDP ein hohes Gut.

(Zuruf von der SPD: Aber?)

Eltern und Erziehungsberechtigte entscheiden darüber, welche Schule ihr Kind nach der vierten Klasse besuchen soll. Um diese Entscheidung zu erleichtern, erstellen die Grundschulen eine Schullaufbahnempfehlung. Hier ist ein starkes Miteinander von Schulen und Eltern vonnöten, und das passiert auch.

Wichtig sind eben Informationen, Beratungen, Gespräche und ein kontinuierlicher Austausch im Hinblick auf die Lern-, Leistungs- und Persönlichkeitsentwicklung eines jeden einzelnen Kindes. Die Landesregierung und wir haben die Voraussetzungen dafür eingeführt und auch für die Umsetzung gesorgt.

Lehrerinnen und Lehrer in den Grundschulen, meine Damen und Herren, tragen damit eine große Verantwortung, und sie haben unser vollstes Vertrauen.

(Beifall bei der CDU)

Sie erstellen nämlich gewissenhaft nach vierjähriger Beobachtung die Empfehlung, die den Eltern eine Hilfe zur Entscheidung geben soll. Weichen Eltern mit ihrer Entscheidung von der Empfehlung ab, gibt es weitere Beratungsgespräche - wir kennen das alles -, auch in den weiterführenden Schulen; denn im Mittelpunkt, liebe Kolleginnen und Kollegen, steht immer das Kind. Es sollte eine gute Entscheidung für das Kind getroffen werden.

(Beifall bei der CDU)

Die Eltern haben das selbstverständlich verfassungsrechtlich verankerte und vom Grundgesetz geschützte Recht zur Erziehung und Bildung ihrer Kinder. Wir setzen auf die Verantwortung der Er

ziehungsberechtigten. Ich betone es noch einmal: Für uns bleibt der freie Elternwille unangetastet.

(Beifall bei der CDU)

Die Landesregierung definiert Bildungsstandards, setzt Rahmenbedingungen, installiert Förderungen, damit Schülerinnen und Schüler den eingeschlagenen Weg gut durchlaufen. Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, wir alle wissen es, und wer im Gespräch mit Schulen und Eltern ist, weiß es noch besser: In der Praxis läuft es leider nicht immer so, wie es sich alle Beteiligten wünschen. Die kontinuierliche Dokumentation der Lern-, Leistungs- und Persönlichkeitsentwicklung versetzt die Lehrerinnen und Lehrer schon sehr früh in die Lage, die Situation des Kindes und eine eventuelle Über- oder Unterforderung zu erkennen.

Es gibt viele positive Erfahrungen, aber - wir wissen es - es gibt leider auch negative. Ich denke, man muss genau hinschauen; denn wenn Kinder ein, zwei, drei oder manchmal sogar vier Jahre lang völlig überfordert sind und keine Förderung greift, verlieren sie die Lust am Lernen. Da sage ich Ihnen nichts Neues; das wissen wir alle. Die Kinder haben keine Motivation mehr, sind frustriert, verlieren ihr Selbstwertgefühl - das geht bis hin zur psychischen Erkrankung.

Wenn alle Beratungen der Schule nicht mehr fruchten, dann gibt es meiner Meinung nach einen Handlungsbedarf. Wertvolle Zeit ist verloren gegangen. Ich habe es schon gesagt: Lernfrust, Resignation, Versagensängste. Meine Damen und Herren, dann muss man doch noch einmal darüber nachdenken können, ob es Steuerungsmöglichkeiten gibt,

(Zurufe von der SPD: Aha!)

ob sie nötig sind, die den Schulen die Möglichkeit geben, deutlich früher Maßnahmen zu ergreifen, wenn es denn zum Wohl des Kindes nötig ist - das betone ich hier noch einmal -, um die negativen Folgen der Überforderung rechtzeitig zu begrenzen;

(Beifall bei der CDU)

denn unsere Kinder sollen wieder Erfolgserlebnisse und Freude am Lernen haben.

Ich frage Sie in diesem Zusammenhang: Messen Sie nicht mit zweierlei Maß? Kritisiert irgendjemand die Praktiken in der IGS? - Die Eltern dürfen wählen, auf welche Schule sie ihre Kinder schicken, aber anschließend - gerade in der IGS - bestimmen die Klassenkonferenzen, in welche Kurse die

Kinder kommen: je nach Leistung, hoch und runter.

(Dr. Manfred Sohn [LINKE]: Eben auch hoch!)

Das, meine Damen und Herren, muss bei aller Kritik, wenn Kinder die Schule eventuell verlassen müssen, auch bedacht werden. Auch diese Kinder merken ganz genau, wo sie in der Klasse stehen; da gibt es überhaupt kein Vertun.

(Beifall bei der CDU)

Es gibt nur einen Unterschied: Das merkt man draußen nicht. Aber das kann doch wohl nicht der einzige Punkt sein.

(Karl-Heinz Klare [CDU]: So ist es!)

Wir sind der Meinung: Jedes Kind zählt. Keines darf verlorengehen. Alle sollen die gleichen Chancen haben. Aber wenn es Fehlentscheidungen gibt, dann muss es doch möglich sein, im Interesse der Kinder darüber nachzudenken, ob es Möglichkeiten gibt, im Einzelfall zu einer anderen Entscheidung zu kommen. Es geht überhaupt nicht darum, pauschal etwas zu tun. Einzelfälle müssen bewertet werden. Den Schulen, so denke ich, muss die Möglichkeit für eine flexible Handhabung gegeben werden.

(Beifall bei der CDU - Ursula Helm- hold [GRÜNE]: Und die Kinder?)

Daher haben wir in unserem Antrag die Landesregierung gebeten, zu prüfen - wir bitten sie, zu prüfen, nichts weiter -, ob zum Wohle der Kinder eine frühere Korrektur, also eine Korrektur nach ein oder zwei Jahren angezeigt und möglich ist. Aber ich betone noch einmal: Der freie Elternwille beim Übergang von der Grundschule in die weiterführenden Schulen bleibt bei uns bestehen und wird nicht angetastet.

(Beifall bei der CDU)

Ich hoffe, dass wir - dies sagte ich vorhin schon - im Ausschuss darüber in wirklich guter, sachlicher Form diskutieren können und dass wir aufzeigen können, welche Probleme es gibt und wie man dieser Probleme Herr wird.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Herzlichen Dank. - Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht Frau Kollegin Korter. Bitte!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der vorliegende Antrag von CDU und FDP zum freien Elternwillen ist in seinen Formulierungen bemerkenswert verquast; das haben wir gerade eben bei Frau Ernst auch schon gemerkt.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD - Karl-Heinz Klare [CDU]: Was haben wir da gemerkt?)

Offenbar trauen Sie sich nicht, offen und direkt zu sagen, was Sie eigentlich wollen. Das wird schon in der Überschrift deutlich: „Den freien Elternwillen zum Wohl der Kinder gestalten“.

(Karl-Heinz Klare [CDU]: Ich muss schon erwarten können, dass Sie le- sen!)

Was soll das denn bedeuten, Herr Kollege Klare? Wer soll den freien Elternwillen gestalten, die Schule oder die Landesregierung? Was ist denn noch am Elternwillen frei, wenn die Schule oder die Landesregierung ihn gestaltet?

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD - Zuruf von der CDU: Trauen Sie den Schulen so wenig zu?)

In Wirklichkeit geht es Ihnen gar nicht darum, den Elternwillen zu gestalten, sondern es geht Ihnen darum, ihn nach einem Schuljahr wieder aufzuheben. So wird es eben umformuliert, meine Damen und Herren von CDU und FDP. Nach der vierten Klasse dürfen die Eltern noch entscheiden, auf welche Schule ihr Kind gehen soll. Das heißt für Sie, dass Sie beim freien Elternwillen bleiben. Das gilt aber nur für die Übergangsentscheidung. Schon nach der fünften Klasse soll es dann wieder möglich sein, das Kind auch gegen den Willen der Eltern abzuschulen. Wer das nicht glaubt, braucht sich nur das Protokoll von der Sitzung des Kultusausschusses am 29. Januar anzusehen. Da haben Sie das bereits erklärt, Herr Klare.

Im Klartext heißt das doch: Das, was Sie mit Weiterentwicklung der Steuerungsmöglichkeiten meinen, trauen Sie sich nicht zu sagen. Aber es heißt: Abschulung nach Klasse 5. Dabei ist der Elternwille schon heute nicht wirklich frei. Das ist er vielleicht noch beim Übergang zur weiterführenden Schule, allerdings nicht für Eltern von Schülern mit Förderschulbedarf und auch nicht für Eltern, die ihre Kinder an einer Gesamtschule unterbringen wollen. Schon heute gilt der Elternwille nur zwei Jahre. Danach kann nämlich auch gegen den Wil

len der Eltern abgeschult werden. Wie dadurch den Schülern Angst und Druck genommen werden sollen, wie Sie es in Ihrem Antrag behaupten, das müssen Sie uns schon erklären. Im Gegenteil. Dadurch werden Angst und Druck noch erhöht.

(Zustimmung bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Sie behaupten in Ihrem Antrag, Sie wollten den Elternwillen zum Wohle der Kinder gestalten. Sie wollen sich wieder anmaßen - das haben wir ja schon mehrfach gehört -, viel besser zu wissen, was zum Wohle der Kinder ist, als die Eltern. Der Landeselternrat hat diesen Vorstoß deshalb ja auch heute sofort in der Presse zurückgewiesen und hat eine Presseerklärung dazu verfasst. Ich denke, der Proteststurm wird noch kommen.

Ihnen passt es einfach nicht, dass die Eltern mit ihren Kindern etwas anderes tun, sie woanders anmelden, als Sie es gerne wollen. Tatsächlich aber haben Eltern gute Gründe dafür; und das will ich Ihnen erläutern. In diesem Jahr hat der erste Schülerjahrgang die Sekundarstufe I durchlaufen, der nach Abschaffung der Orientierungsstufe eine Schullaufbahnempfehlung schon nach Klasse 4 erhalten hatte. Wir haben Berichte von Schulen erhalten, wonach mehr als 50 % der Schülerinnen und Schüler einen besseren, einen höher qualifizierten Abschluss erhalten haben, als ihnen das die Grundschule einmal zugetraut hatte. Diese Berichte, liebe Kolleginnen und Kollegen, haben wir allerdings von Gesamtschulen erhalten, an denen sich die Kinder frei von irgendwelchen Manipulationsversuchen am Willen ihrer Eltern entwickeln durften. Auch deshalb kann ich den Eltern, die sich den Willen nicht von der Landesregierung vorschreiben lassen wollen, nur raten, ihr Kind an einer Gesamtschule anzumelden.

Meine Damen und Herren, ich möchte zum Schluss kommen. Die Grünen-Fraktion wird sich weiter konsequent am freien Elternwillen orientieren und diesen verteidigen. Ich bin gespannt darauf, wie sich der Minister hier gleich zu Ihrem Vorstoß einlassen wird. In der Presse hat er bereits heute erklärt, dass er etwas ganz anderes will als seine Fraktion. Ich bin gespannt darauf, wie Sie aus diesem Problem wieder herauskommen wollen, Herr Minister Althusmann.

(Zustimmung von Stefan Wenzel [GRÜNE])

Offensichtlich haben Ihnen doch bestimmte Erfahrungen mit dem Volksbegehren in Hamburg da eine Lehre erteilt.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD - Ursula Ernst [CDU]: Daraus müssen Sie erst einmal eine Lehre ziehen!)

Herzlichen Dank. - Für die SPD-Fraktion hat Frau Kollegin Seeler das Wort.