„Eine Schülerin oder ein Schüler, die oder der ohne entsprechende Empfehlung nach § 6 Abs. 5 die Realschule oder das Gymnasium besucht und am Ende des sechsten Schuljahrgangs nicht versetzt wird, kann an die Schule einer anderen, für sie oder ihn geeigneten Schulform überwiesen werden.“
In der Tat haben wir in der Diskussion zwischen CDU und FDP darüber nachgedacht, ob man diese Möglichkeit schon nach dem Ende des fünften Schuljahrgangs eröffnen sollte.
Überlegen wir einmal, wie es vor ein paar Jahren war! Wir hatten die Orientierungsstufe, die Empfehlungen gab. Nach dem Übergang an eine weiterführende Schule konnte die Klassenkonferenz nach Klasse 7 eine Entscheidung treffen, d. h. ein Jahr nach Übergang an die weiterführende Schule - so, wie es unser Diskussionsprozess derzeit möglicherweise auch vorsieht.
(Zuruf von der SPD: Zwei Jahre spä- ter! - Hans-Henning Adler [LINKE]: Da waren die Kinder doch zwei Jahre äl- ter! - Hans-Dieter Haase [SPD]: Das ist doch ein Vergleich von Äpfeln und Birnen!)
Aber warum sollte man nicht überhaupt einmal offen über eine Intensivierung von Fördermöglichkeiten, aber auch über eine entsprechende Steuerungsmöglichkeit nachdenken?
Die Schulwechsel, die in Niedersachsen stattfinden, finden in der Tat überwiegend im Einvernehmen zwischen den unterrichtenden Lehrern und den Eltern statt.
Aber es gibt durchaus auch andere Fälle. Wenn Sie auch Haupt- und Realschulen und nicht nur Integrierte Gesamtschulen besuchen würden,
dann würden auch Sie diese Fälle kennen: Schülerinnen und Schüler im fünften Schuljahrgang erreichen das Klassenziel nicht, müssen dann nach dem schweren Einstieg an der weiterführenden Schule schon wieder das soziale Umfeld wechseln und in einer neuen fünften Klasse wieder beginnen. Mit viel Nachhilfe, mit viel Druck werden sie dann dazu gebracht, das Klassenziel zu erreichen. Aber im sechsten Jahrgang verfehlen sie das Klassenziel erneut.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, das sind für die Kinder nicht nur drei verlorene Jahre, sondern auch drei Jahre Frust. Lassen Sie sich einmal berichten, wie schwer es ist, diese Schülerinnen und Schüler wieder für Schule zu begeistern!
Man kann darüber reden, dass Schülerinnen und Schüler Zeit brauchen, sich frei zu entwickeln. Aber sie brauchen auch die Chance, und sie brauchen die Begeisterung, sich zu entwickeln. Es gibt Fälle, in denen das momentan nicht gewährleistet ist. Deswegen sehen wir hier die Notwendigkeit nachzubessern. Der wollen wir uns nicht verschließen.
(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Klaus-Peter Bachmann [SPD]: Die ganze Rede hätte man in einem Satz ausdrücken können: Wir schränken den freien Elternwillen ein!)
Eine Meldung zu einer Kurzintervention auf die Rede des Kollegen Försterling liegt mir von der Frau Kollegin Korter von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vor. Frau Korter, Sie haben anderthalb Minuten.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Försterling, Sie haben hier viele Nebelkerzen geworfen, wie Sie angeblich den Kindern helfen wollen, um Ihren Parteitagsbeschluss umzusetzen,
und das auf dem Rücken der Kinder und der Eltern. Ich möchte hier zur Klarstellung - weil Sie hier behaupten, Sie wollten überhaupt nicht an den freien Elternwillen herangehen - mit Genehmigung der Präsidentin aus der Niederschrift über die Sit
Das Zitat gibt einen Redebeitrag des Kollegen Klare wieder, der sich vorher zu den Abschulungsmöglichkeiten nach zwei Jahren, die der Kollege Försterling eben vorgestellt hat, eingelassen hatte:
„Vor diesem Hintergrund befürworteten die Koalitionsfraktionen Abschulungsmöglichkeiten auch schon zu einem früheren Zeitpunkt …
Sie brauchen uns hier nicht länger für dumm zu verkaufen - und schon gar nicht die Eltern in Niedersachsen! Sie wollen nach der 5. Klasse abschulen, obwohl wir längst wissen, dass die Schullaufbahnempfehlungen nicht valide sind, obwohl Sie nicht evaluieren, was dabei wirklich herauskommt, und obwohl wir nach der Abschaffung der Orientierungsstufe 2006 wissen, dass weit über die Hälfte der Kinder, die ohne entsprechende Empfehlung an ein Gymnasium oder eine Realschule gegangen sind, positiv in die Klasse 7 versetzt wurde. Das alles haben Sie nicht zur Kenntnis genommen und wollen uns hier für dumm verkaufen.
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Korter! Herr Kollege Klare hat den damaligen Diskussionsstand im Kultusausschuss wiedergegeben. Der vorliegende Entschließungsantrag ist das Ergebnis unseres Diskussionsprozesses. Das können Sie nachlesen. Ich glaube, es ist ein gutes Ergebnis dieses Diskussionsprozesses.
Ich bin Ihnen durchaus sehr dankbar, dass Sie noch einmal darauf hingewiesen haben, dass es in Niedersachsen in der Tat gelingt, auch Kinder mit einer Realschulempfehlung schnell und gut durch das Gymnasium laufen zu lassen. Denn das, Frau Korter - dies haben Sie auch eingangs Ihres Redebeitrags deutlich gemacht -, zeigt den Erfolg unserer Umsetzung von G8 in Niedersachsen. G8 funktioniert, weil hier auch viele Kinder mit Realschulempfehlung das Abitur nach zwölf Jahren ablegen können.
(Ursula Helmhold [GRÜNE]: Das gibt es doch wohl nicht!! Deswegen bin ich für Ihren Beleg, Frau Korter, sehr dankbar. (Beifall bei der FDP - Kreszentia Flauger [LINKE]: Ihnen ist auch keine Aussage peinlich! - Zuruf von Hans- Henning Adler [LINKE])
Herr Adler, von der Fraktion DIE LINKE hat sich nach meinem Kenntnisstand Frau Kollegin Reichwaldt gemeldet. Sie hat jetzt das Wort. - Da Sie sich so echauffierten, Herr Adler, dachte ich, Sie wollten reden.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Nun also ein eigener Entschließungsantrag von CDU und FDP zum Thema freier Elternwille zusätzlich zu dem seit Langem vorliegenden Antrag der SPDFraktion.
Dieser neue Antrag der Regierungskoalition ist ein weiterer Stein in der bürgerlich-konservativen Mauer um das Gymnasium. Wir lesen zwischen den Zeilen, wohin Sie damit wollen. Sie wollen am Gymnasium wieder homogene Lerngruppen. Wer dem Tempo nach einer kurzen Eingewöhnung nicht folgen kann, fliegt heraus. Das ist Ihr Ziel,
Das Mittel dazu ist Ihr Angriff auf den freien Elternwillen. Sie haben es in Ihrem Antrag nur etwas verklausuliert dargestellt.
Nach dem FDP-Landesparteitag im letzten November war in aller Munde, dass die FDP den freien Elternwillen abschaffen wolle und für einen Aufnahmetest an den Schulen plädiere, falls Elternwille und Schulempfehlung auseinanderklaffen. Die Reaktion kam prompt. Lassen Sie mich zitieren: Die Linie der Landesregierung steht. Sie will nicht am freien Elternwillen rütteln, und ich sehe keine Anzeichen, dass dies künftig infrage gestellt wird. - Das sagte Anfang Dezember der damalige Staatssekretär und jetzige Kultusminister Dr. Bernd Althusmann in der Lüneburger Landeszeitung.
Das ist nicht die einzige eindeutige Stellungnahme. Was passiert nun? - CDU und FDP rütteln ganz kräftig am Elternwillen. Nach ihren Vorstellungen soll die Übergangsentscheidung den Eltern überlassen bleiben, aber bei den ersten Problemen an der neuen Schule folgt nach einem Jahr die Abschulung. Wer schlechte Schulleistungen hat, ist selbst dafür verantwortlich und muss gehen.
Über 40 % der Eltern in Niedersachsen melden ihre Kinder am Gymnasium an. Nicht elitäres Ausgrenzungsbedürfnis ist die Motivation, sondern der Wunsch nach dem höchstmöglichen Schulabschluss für ihr Kind. Auch wenn bildungsferne Kinder am Gymnasium weiterhin mehr Schwierigkeiten haben werden als andere, werden sich die Gymnasien verändern.
Ihr Entschließungsantrag heute zeigt, dass Sie die Gefahr wittern, dass mit dem Run auf die Gymnasien Ihre Vorstellung von dieser Schulform immer mehr zur Illusion wird oder schon ist.
Liebe Kolleginnen und Kollegen der Regierungskoalition, Sie hängen der Vergangenheit nach. Ihre Vorschläge fördern zwar homogene, aber auch möglichst abgeschottete Lerngruppen für das gehobene Bildungsbürgertum. Denn wenn die Eingewöhnungsphase am Gymnasium verkürzt wird,
werden die bildungsfernen Schichten zuerst darunter leiden, da sich die bildungsnahen Schichten aufgrund ihres familiären Hintergrundes und der Unterstützungsmöglichkeit zu Hause schneller zurechtfinden als bildungsferne Schichten. Das wollen wir nicht. Wir wollen ein durchlässiges Schulsystem mit größtmöglicher Chancengleichheit.