Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Was du heute kannst besorgen, das verschiebe nicht auf morgen. So geht es uns auch beim Antrag der Linken zum ÖPP-Projekt Bremervörde. Wenn man erkannt hat, dass etwas falsch ist, dann muss man gleich und richtig handeln.
Deshalb kann die Konsequenz aus der Diskussion um das ÖPP-Projekt Bremervörde für uns nur sein, dass wir es weiterhin ablehnen.
Durch ein Moratorium würde diese Entscheidung nur verschoben. Wir wissen aber, was wir wollen, und werden diesen Standpunkt auch weiterhin vertreten, auch wenn wir das Projekt in Bremer
Meine sehr geehrten Damen und Herren, unsere Meinung zum ÖPP-Projekt Bremervörde ist landläufig bekannt. Wir fühlen uns da auch nicht alleine, sondern wir wissen uns da an guter Seite mit dem Landesrechnungshof, der sehr kritisch auf das Projekt geschaut hat, aber auch mit den beiden Gewerkschaften ver.di und VNSB, die sich sehr kritisch dazu äußern und immer wieder den Finger in die Wunde gelegt haben.
Der Kollege Adler hat schon die Frage aufgeworfen, wie viele Haftplätze das Land Niedersachsen braucht und an welcher Stelle. Niedersachsen hat mehr als 7 000 Haftplätze. Bei unserer letzten Anfrage gab es in Niedersachsen knapp 7 400 Haftplätze. Davon waren 1 100 Haftplätze nicht genutzt. Wenn wir davon ausgehen, dass wir eine gewisse Differenzierungsreserve benötigen, dass wir zur menschenwürdigen Unterbringung übergehen wollen, dass die Einzelbelegung die Grundbelegung sein soll, dann ist klar, dass hier noch ein bisschen was zu tun ist.
Aber was die von Frau Konrath angesprochene Frage angeht, welchen Einfluss Politik auf Belegungszahlen hat, so würde ich den Landtag in seinen politischen Handlungsmöglichkeiten hier nicht unterschätzen. Wir haben sehr wohl Möglichkeiten, darüber zu diskutieren, wie Haftvermeidungsstrategien aussehen können, wie durch nachhaltige Prävention erreicht werden kann, dass Haftzahlen grundsätzlich sinken. Wir können sehr wohl unseren Einfluss dahin gehend geltend machen, dass Haftplätze in der Form nicht mehr in der Anzahl benötigt werden.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, Vollzug muss da stattfinden, wo die Menschen sind. Wir brauchen vor allem die großen Anstalten dort, wo Ballungsräume sind; denn nur dort findet sich die Infrastruktur, die Vollzug benötigt. Nur hier lässt sich vernetztes Entlassungsmanagement durchführen. Nur hier gibt es die soziale Infrastruktur und die Erreichbarkeit, die wir brauchen. Auch nur hier ist die Nähe zu den Gerichten vorhanden. Auch das spielt - wir werden gleich noch auf den Bereich Wirtschaftlichkeit schauen - eine ganz entscheidende Rolle.
Die bauliche Situation im Vollzug ist durchaus gespalten. Einige Anstalten, vor allem die drei neuen, befinden sich in einer optimalen baulichen Verfassung. Andere Anstalten befinden sich in einem desaströsen Zustand. Hier haben wir sicherlich die Frage zu stellen, ob es sich an der einen oder anderen Stelle noch um menschenwürdige Unterbringung handelt.
Qualität - auch hier, Frau Konrath, muss ich Ihnen widersprechen - erlebe ich aber eigentlich in allen Anstalten, weil die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die Kolleginnen und Kollegen einen sehr hohen Anspruch an ihre Arbeit haben und unter sehr widrigen Arbeitsbedingungen noch immer eine hohe Qualität erbringen. Ich bitte Sie, das noch einmal zu überdenken.
Wir erleben, dass eine vermeintliche Legitimationskette durch Niedersachsen gezogen wird, um das ÖPP-Projekt JVA Bremervörde zu ermöglichen. Ich will hier nur die Schließung des Hauses 2 in Hannover nennen. Es wird deutlich, dass das Justizministerium anscheinend darauf hinarbeitet, die Haftplatzzahlen dem anzupassen, was man braucht, um Bremervörde weiterhin zu rechtfertigen.
(Hartmut Möllring [CDU]: Das liegt nur daran, dass wir solch einen Schrott von euch übernommen haben!)
- Nein. Zu der Frage, was Schrott ist, Herr Möllring, komme ich gleich. Herr Möllring, Sie haben uns in den letzten Tagen sehr erfreut. Ich hätte nicht gedacht, dass der Niedersächsische Finanzminister sich zu diesem Projekt in einer Weise äußern würde, zu der wir als Opposition eigentlich nur Beifall klatschen können.
Ich bin aber sehr gespannt, was sein Kabinettskollege Bernd Busemann sagt, wenn ich die Wilhelmshavener Zeitung vom 13. August zitiere, die ich in Hände halte.
- Der Abgeordnete Möllring war anscheinend als Minister unterwegs, als er den Kreisverband Wilhelmshaven-Friesland der Mittelstands- und Wirt
schaftsvereinigung besuchte. Die Überschrift des Artikels lautet - das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen -: „Minister warnt vor PPPModellen“.
„‚In der Regel werden PPP-Modelle teurer als Eigenbauvorhaben’, sagte Möllring. ‚Und dass jemand dem Staat etwas schenken will, habe ich auch noch nicht erlebt.’“
Aha! Da scheint der erste Minister im Kabinett wach geworden zu sein und sich von dem zu verabschieden, was der Irrglaube ansonsten mit vorgibt. Er warnte in seinem Vortrag die vereinigten Mittelständler in Wilhelmshaven vor PPP-Modellen und stellte ihnen dar, dass es „eine ganze Reihe von nur schwer kalkulierbaren Risiken“ gebe, „die bei solchen Vorhaben für die öffentliche Hand oder aber für den Privatinvestor auftreten“ könnten. Sehr interessant!
An dieser Stelle schlage ich vor: Herr Busemann, lassen Sie sich von Herrn Möllring noch einmal unterrichten und vielleicht das Vortragsmanuskript geben. Anscheinend ist da noch Potenzial gegeben, das man für die Beratungen nutzen kann.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, ÖPP ist ein Finanzierungsinstrument. Wenn man dieses Finanzierungsinstrument nutzen möchte, dann soll man das machen. Vielleicht lassen sich da Kosteneinsparungen realisieren. Vielleicht kann sich die öffentliche Hand da etwas abschauen. Aber das darf nicht zulasten von Tariftreue und Qualität gehen. Sonst passiert das, was in Rosdorf passiert ist: Der Kollege Schminke kommt, und der Bau ist erst einmal für mehrere Wochen oder Monate stillgelegt.
Wir wollen natürlich auch nicht - die Regierungsseite muss sagen, wenn sie das will -, dass beim Betrieb an Lohnkosten und Leistungen gespart
wird. Das ist der zweite Bereich, in dem Dumping möglich ist. Burg, Hünfeld und auch das Frauengefängnis in München zeigen ganz deutlich, dass ÖPP-Projekte so nicht aufgehen, dass sie in der Regel in einem wirtschaftlichen Desaster enden. Beim Frauengefängnis München stehen mehrere Zehntausend Mängel auf der Liste. Das sieht nicht nach einem Erfolgsmodell aus. Wenn man sich das anschaut, ist Wirtschaftlichkeit relativ zu betrachten.
Herr Busemann, Sie haben uns in der Sommerpause mit sehr mutigen Thesen zur christlichen Soziallehre überrascht. Auch da haben wir in der Sozialdemokratie Ihnen sicherlich an der einen oder anderen Stelle Beifall geklatscht und uns gefreut, dass die Erleuchtung gekommen ist.
Aber beim Thema Bremervörde scheint Ihnen der Mut abhanden gekommen zu sein. Sie haben sich hier von der FDP ein ideologisches Projekt in die Vollzugslandkarte drücken lassen. Von Weitsicht und Nachhaltigkeit ist hier nichts zu spüren.
Sie hätten mit dem Verzicht auf das 300-MillionenEuro-Projekt einen sinnvollen und vor allem nachhaltigen Beitrag zur Haushaltskonsolidierung leisten können. Sie hätten gleichzeitig die Mittel in der Hand gehabt, um die dringend benötigten baulichen Veränderungen und Unterhaltungsmaßnahmen an den Bestandsanstalten durchführen zu können. Dafür hätten Sie unseren Beifall bekommen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, stoppen Sie Bremervörde lieber heute als morgen! Wir werden den Antrag der Linken ablehnen, weil wir das Projekt ablehnen.
Meine Damen und Herren, zu einer Kurzintervention hat sich der Kollege Dr. Biester von der CDUFraktion gemeldet. Bitte schön!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Brunotte, als örtlicher Abgeordneter war ich natürlich bei der Veranstaltung der Mittelstandsvereinigung zugegen. Sie haben völlig zu Recht aus der Presse zitiert. Es ist richtig: Herr Minister Möllring hat sich - vom Grundsatz her durchaus kritisch - gegen PPP-Projekte ausgesprochen. Wer ihn kennt, weiß, dass das seit vielen Jahren seine grundsätzliche Einstellung ist.
Nun hat aber dieser Minister soeben eine Vorlage mitgezeichnet, die zu einer Vergabe in diesem Bereich führen wird.
Können Sie sich vorstellen, dass diese Vorlage von effektiv hoher Qualität sein muss, dass besonders sorgfältig geprüft worden sein muss, dass PPP tatsächlich wirtschaftlicher ist, und dass der Finanzminister die Vorlage nur mitgezeichnet hat, wenn diese Kriterien vorliegen?