Protokoll der Sitzung vom 19.08.2010

(Beifall bei der CDU - Johanne Mod- der [SPD]: Das glauben wir nicht!)

Herr Kollege Brunotte möchte gern erwidern. Bitte schön!

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Dr. Biester, wir Sozialdemokraten glauben ja immer an das Gute im Menschen, das sich irgendwann durchsetzen wird. Wir glauben, dass Menschen sich ändern und Umstände sich verbessern können. Wir haben die Hoffnung, dass das Licht, das bei dem Vortrag von Herrn Möllring vor der Mittelstandsvereinigung aufgegangen ist, in das Kabinett strahlen und dass er sich mit seiner Meinung, die jetzt vielleicht eine Mindermeinung ist, durchsetzen wird. Wir haben die Hoffnung, dass er sich der Kabinettsdisziplin, die beim ÖPPProjekt vielleicht noch vorherrscht, entziehen kann, und dass er vielleicht auch den direkten Nachbarn dieser Vollzugsanstalt, den Ministerpräsidenten McAllister, davon überzeugen kann, dass man mit dem Geld etwas Besseres anfangen kann, als eine Anstalt in Bremervörde zu bauen, und dass man sie vielleicht auch anders finanzieren kann.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, nächster Redner ist Herr Professor Dr. Zielke von der FDP-Fraktion.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Über das Projekt „Justizvollzugsanstalt Bremervörde“ ist schon so viel diskutiert worden, dass es für die Interessierten da nichts wirklich Neues mehr gibt. Die Grundfragen sind dabei ganz einfach, wenn man die Dinge etwas logisch abschichtet.

Erste Frage: Brauchen wir in Niedersachsen überhaupt eine neue Haftanstalt? - Diese Frage ist bereits vor Jahren positiv entschieden worden. Für mich war und ist das Hauptargument, dass wir für einen modernen Justizvollzug große Einheiten statt einer Vielzahl von Kleinststandorten brauchen. Nur so können wir vielfältige Angebote zur erfolgreichen Resozialisierung der Gefangenen vorhalten. Passgenaue Resozialisierung vermindert Rückfallkriminalität und nützt der Gesellschaft und den Betroffenen.

Zweite Frage: Brauchen wir die neue Justizvollzugsanstalt jetzt? - Ich sage: Ja, je früher, desto besser. Alles ist vorbereitet. Die Umstrukturierungen im Justizvollzug sind umsichtig eingeleitet worden - Stichwort: Vollzugslandkarte. Verzögerungen würden bei den Fachleuten, bei den Beamten des Vollzugs, nur Kopfschütteln auslösen.

Die Antragssteller wollen drei Jahre nichts tun. Warum drei Jahre und nicht fünf oder sechs Jahre?

(Hans-Henning Adler [LINKE]: Weil wir dann Landtagswahlen haben!)

Sie meinen, statt die neue Justizvollzugsanstalt zu bauen, sollte man mehr Gefangene in den offenen Vollzug schicken. Aber das geht eben nur bei geeigneten Gefangenen, und die kann auch die Linke nicht backen. Im Übrigen ist den Antragstellern offenbar entgangen, dass Gefangene im offenen Vollzug die Nächte in ihre Zellen verbringen und man im Saldo keinen einzigen Haftraum spart.

Alles, was ich bisher gesagt habe, ist völlig unabhängig von ÖPP. Daher nun zur dritten Frage: Ist für eine Justizvollzugsanstalt ÖPP oder Staatsbetrieb die geeignetere Rechtsform bei der Errichtung und im laufenden Betrieb? - Unter finanziellen Aspekten wird dieses Projekt als ÖPP-Projekt nach allem, was wir jetzt sagen können, besser abschneiden, egal welche Schreckgespenste die Opposition hier an die Wand zu malen versucht.

Unter Aspekten der Ausbruchsicherheit ebenso wie der Resozialisierungsangebote sehe ich keinen grundsätzlichen Unterschied. Unter ordnungspolitischen Aspekten gäbe es nur dann Probleme, wenn sich hoheitliche Aufgaben mit privatisierten Aufgaben überschneiden würden. Die können aber - davon hat sich der Unterausschuss „Justizvollzug“ bei einem Besuch der JVA in Burg überzeugen können - ganz sauber getrennt werden.

Im Übrigen kann ich Ihnen versichern: Die FDP würde Aufweichungen beim Gewaltmonopol des Staates nie zustimmen.

Fazit: Nichts spricht gegen, aber sehr vieles für die zeitnahe Errichtung der Justizvollzugsanstalt in Bremervörde, und zwar in der geplanten Öffentlich Privaten Partnerschaft.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Meine Damen und Herren, ich erteile jetzt Herrn Kollegen Limburg von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort. Bitte!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zum ÖPP-Projekt in Bremervörde ist schon sehr viel in diesem Hohen Hause gesagt worden. Das hat Herr Professor Dr. Zielke gerade richtig dargestellt. Insofern kann ich es sehr kurz machen.

Wir lehnen das Projekt in Bremervörde nach wie vor ab, weil die Landesregierung überhaupt keine neuen Aspekte und keine neuen Argumente gebracht hat, warum sich unsere Position, die sich aus den Erfahrungen in Hessen, aus den schlechten Erfahrungen in München und auch aus den schlechten Erfahrungen in anderen Ländern speist, einer Ablehnung eines teilprivatisierten Gefängnisses geändert haben sollte.

Zunächst einmal möchte ich einen Punkt klarstellen. Herr Kollege Brunotte, ich bin ja fast 100prozentig mit Ihren Ausführungen einverstanden. Allerdings das, was Sie angesprochen haben - die Schließung des Hauses 2 in Hannover wie auch die Schließung einiger kleinerer Standorte -, haben die Grünen nicht vollständig abgelehnt. Gerade die Schließung des Hauses 2 in Hannover war, meine ich, in der Situation, in der die JVA war, das einzige richtige Mittel. Natürlich hätte man besser Jahre vorher eingreifen müssen. Aber in dieser Situation tragen wir das ausdrücklich mit. Im Übrigen kann

ich mich den Argumenten von Herrn Brunotte und Herrn Adler anschließen.

Ich möchte aber noch zwei Aspekte hinzufügen. Frau Kollegin Konrath, Sie haben gerade davon gesprochen, die Politik habe keinen Einfluss auf die Entwicklung der Gefangenenzahlen. Das ist überhaupt nicht richtig. Möglicherweise ist es Ihre Politik, sich damit nicht beschäftigen zu wollen. Aber natürlich hat die Politik die Möglichkeit, Haftvermeidungsprojekte stärker zu fördern, was wir in Niedersachsen ja auch machen. Wir Grüne sind der Auffassung, dass wir das ausbauen sollten. Aber das ist eine Maßnahme der Politik. Die Politik hat die Möglichkeit, vorzeitige Entlassungen stärker zu fördern, was auch den Bedarf an Haftplätzen reduzieren würde, also Zwei-Drittel-Entlassungen und möglicherweise sogar die Halbstrafe zu fördern. Die Politik hat natürlich auch die Möglichkeit, mit einer gesamtgesellschaftlichen Präventionspolitik und mit einer guten Sozialpolitik insgesamt Kriminalitätsvorsorge zu betreiben. Insofern sollte sich die Politik auf keinen Fall aus der Verantwortung stehlen.

Ein letzter Aspekt: Auch wenn Sie zu Recht immer wieder die sehr gute Arbeit der Bediensteten im niedersächsischen Justizvollzug loben, ist es doch faktisch eine Ohrfeige für all jene, die jetzt unter staatlicher Aufsicht Arbeit leisten und dann sehen müssen, wie man die Arbeit im Justizvollzug aus ihren Händen wegnimmt und sie in die Hände Privater legt. Das ist ein Misstrauensbeweis, den wir nicht mittragen, weil wir von der Arbeit der staatlichen Bediensteten überzeugt sind. Auch deshalb lehnen wir dieses Projekt in Bremervörde ab.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, für die CDU-Fraktion hat sich Herr Kollege Ehlen noch einmal zu Wort gemeldet. Er hat noch zweieinhalb Minuten Redezeit.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich will nicht zu dem Justizvollzug in Niedersachsen insgesamt etwas sagen, sondern zu der Art und Weise, privatwirtschaftliche Elemente auch in staatliche oder öffentliche Institutionen oder Betriebe einfließen zu lassen. Das, was wir in den letzten Jahren bei privaten Segmenten in öffentlichen Betrieben haben erleben dürfen, ist schon eine Erfolgsgeschichte. Ich führe hier die Anstalt Nie

dersächsische Landesforsten an. Wir haben über viele Jahre immer nur Millionen Euro hineingeben müssen, um diesen Apparat in Gang zu halten. Nach der Gründung der Anstalt Niedersächsische Landesforsten ist das weg - wir schreiben dort tiefschwarze Zahlen und keine roten Zahlen mehr.

(Beifall bei der CDU - Björn Thümler [CDU]: Sehr gut! - Karl-Heinrich Lang- specht [CDU]: Genau!)

Meine Damen und Herren, wenn wir uns anschauen, wie wir heute Verkehrswege realisieren - ich denke hier an den sechsspurigen Ausbau der A 1; ich fahre dort jeden Tag -, dann glaubt man gar nicht, wenn privater Drive dahinter steht, wie viel mehr möglich ist, als wenn das anders geregelt würde.

(Kreszentia Flauger [LINKE]: Genau! Diverse Tote, weil die Spuren so eng sind! - Widerspruch bei der CDU - Gegenruf von Björn Thümler [CDU]: Das ist ja unglaublich, Frau Flauger! - Weiterer Gegenruf von der CDU: So ein Unfug! - Gegenruf von Kreszentia Flauger [LINKE]: Aber hallo!)

- Das hat mit PPP überhaupt nichts zu tun. Das hat etwas mit der Art und Weise zu tun. Vielleicht sollten Sie dort einmal entlangfahren, dann werden Sie das erleben.

(Beifall bei der CDU)

Ich möchte noch zwei, drei Beispiele nennen. Wir haben früher Post, Bahn und Telekommunikation fast rein staatlich geregelt. Seitdem das auf privater Ebene läuft, haben wir sehr viele Vorteile. Darüber sollten wir uns auch freuen. Das geht dahin, dass wir Rathäuser privat bauen lassen, die dann von Kommunen - letztlich auch von SPD-Kommunen - gemietet oder geleast werden. Auch das ist ein Vorteil.

(Björn Thümler [CDU]: Gerade von SPD-Kommunen!)

Meine Damen und Herren, wir haben auch Polizeistationen, die privat errichtet und vom Land angemietet wurden.

Ich sage nur: Mut zu privaten Dingen in der öffentlichen Verwaltung, in öffentlichen Betrieben! Mut zu Bremervörde!

Danke schön.

(Sehr gut! und starker Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, zu einer Kurzintervention hat sich Frau Kollegin Flauger von der Fraktion DIE LINKE gemeldet. Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Minister Ehlen, Sie haben eben die A 1 angesprochen - - -

(Heiterkeit bei der CDU - Björn Thüm- ler [CDU]: Nein! Abgeordneter Ehlen! - Jens Nacke [CDU]: Ja, die Dinge drehen sich etwas schneller!)

- - - und welcher Drive da hineinkommt, wenn ein privater Betreiber solche Baustellen voranbringt. Ich bin schon diverse Male dort entlanggefahren und habe auch Berichte gelesen, was dort inzwischen passiert ist. Der Stand vor etwa zwei Monaten war: sieben Tote, diverse tragische Unfälle auf dieser Autobahn.

(André Wiese [CDU]: Das kann doch nicht wahr sein!)

Die Spuren sind dort sehr eng. Sie wissen das, weil Sie auch schon öfter dort entlanggefahren sind.

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

Eine der Ursachen dafür, dass sich diese Dinge so verhalten, ist die Tatsache, dass Lkw nicht von dieser Autobahn durch eine entsprechende Beschilderung weggeleitet werden, sondern dass sie auf der Autobahn gehalten werden, weil der private Betreiber dieser Autobahn die Mauteinnahmen von diesen Lkw bekommt und natürlich ein großes Interesse daran hat, dass auch schon während der Bauzeit diverse Lkw auf dieser Autobahn fahren, um seine Einnahmen möglichst hoch zu halten. Das wäre möglicherweise mit einem öffentlichen Träger wohl nicht passiert.

(Beifall bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren, Herr Kollege Ehlen wird jetzt antworten. Ich denke, dass wird in Ihrem Sinne sein, sodass Sie die Zwischenrufe einstellen können. - Herr Ehlen, bitte schön!

Frau Kollegin Flauger, wenn Sie sich einmal die A 1 insgesamt anschauen, stellen Sie fest, dass es genau der richtige Weg ist, einen solchen Ver

kehrsweg - wenn er denn sechsspurig ausgebaut wird; das ist die Notwendigkeit - auf diese Art und Weise auszubauen oder die Erweiterung vorzunehmen.